Neues Lizenzmanagement

Die TREND-REPORT-Redaktion sprach mit Prof. Dr. Andreas Gadatsch und
Dipl.-Kfm. Stefan Brassel M. A. über zukünftige Lizenzpraktiken und die damit einhergehenden Folgen für Unternehmen.

 

 

 

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Prof. Dr. Andreas Gadatsch / SONY DSC

Herr Prof. Dr. Gadatsch, wie werden cloudbasierte Software- und Infrastruktur-Services die heutige IT-Nutzungskultur in den Unternehmen verändern?

Die IT-Leistungen vermischen sich zunehmend mit Business-Leistungen. Der Unterschied zwischen IT und Business verschwindet immer mehr. Anwender werden Leistungen beziehen und nicht danach fragen, ob „die eigene IT das kann oder nicht“ Dies bedeutet, dass der CIO bzw. der CDO mehr in die Rolle des Moderators, Beschaffers und Koordinators wechseln und Innovationen ganzheitlich vorantreiben muss.

 

Und was ändert sich im Kontext der jetzigen Lizenzpraktiken?

In der Vergangenheit verbanden Kunden mit ‚Lizenzierung‘ lediglich softwaretechnologische sowie lizenzrechtliche Fragestellungen. Software- und Businessstrategie wurden als getrennte Bereiche eingestuft und von verschiedenen Personen verantwortet.In diesem Zusammenhang tauchte die Frage nach dem eigenen IT-Betrieb bzw. internen Unternehmensprozessen- insb. die Fragestellung nach dem sogenannten ‚Wertbeitrag‘ der IT zum Unternehmenszweckim Rahmen der Servicedienstleistung auf, welche die IT den Fachabteilungen anzubieten hatte.

Die Entscheider im Unternehmen hatten oftmals lediglich einen Fokus auf den finanziellen Aspekt.

Zudem waren Kaufentscheidungen im Standardsoftwareumfeld oftmals durch die Compliance Überprüfungen der Lizenzgeber ‚beeinflusst’ und weniger technologisch getrieben.

Wenn Unternehmen sich mit Outsourcing befassten, passierte dies i.d.R. unabhängig von der Softwarebeschaffung, im Rahmen einer grundsätzlichen Strategiediskussion, oftmals vor dem Hintergrund von Kostensenkungsaspekten.

Bedingt durch die ‚Verschmelzung von Software und Hardware sowie Serviceanateilen‘ zu Cloud Diensten, kann man im Rahmen von ‚Lizenzierung‘ nun über Outsourcing durch die Hintertür sprechen.

Der Eingriff in Unternehmensprozesse ist teilweise enorm (als Beispiel sei hier nur die technologische Abhängigkeit von Diensten wie Office 365 vom Design des ‚Active Directory’ eines Kunden genannt), die Anbieterauswahl stark eingeschränkt und SLAs und Haftungsfragen können i.d.R. nicht verhandelt werden.

In diesem Zusammenhang gilt es zudem die Grundsätze der ‚Principal Agent Theory‘ und des Transaktionskostenansatzes im Auge zu behalten.

 

 

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Dipl.-Kfm. Stefan Brassel M. A.

Herr Brassel, wie reagieren Unternehmen am besten und schnell darauf?

Entscheidend ist im ersten Schritt dass sich die IT-Abteilungen der Unternehmen der Auswirkungen dieser Entwicklung bewusst werden und der CIO in seiner Rolle als Schnittstelle zum Management das Thema ‚Softwarebeschaffung’ unter den neuen Gegebenheiten auf  Managementebene strategisch diskutiert.

Hieran schließt sich die Frage nach den Anforderungen an die interne IT an (Wertbeitrag der IT zum Unternehmens-zweck).

 

 

Es ist zu klären welche der erbrachten Leistungen eher ‚Commodity’ ohne strategische Relevanz sind und welche Leistungen als erfolgskritisch für die Unternehmensstrategie angesehen werden können.

Was müssen Unternehmen jetzt konkret tun?

Zu empfehlen ist hier eine Analyse und Clusterung der Unternehmensdaten. Welche Daten sind für den Unternehmenserfolg so entscheidend, dass Sie nicht herausgegeben werden können, selbst wenn sie verschlüsselt wurden und welche Daten könnte man auslagern?

Im Allgemeinen bietet es sich an, über die Auslagerung von Basis-IT-Services wie Mail, Collaboration, Communication und DataShare nachzudenken. Denn hier lassen sich neben Standardisierungsüberlegungen und Einsparpotentialen im IT Betrieb insb. auch Optimierungen im Bereich der Administration realisieren.

Dies erfordert jedoch im Vorfeld neben einer ausführlichen technischen Evaluation, auch eine Analyse der zur Diskussion stehenden Vertragswerke in Bezug auf Service Level Agreements (SLA), Pönalen (Strafen für SLA-Verletzungen), Datenschutz, Laufzeiten und Kündigungsfristen.

Auch gilt es den ‚regulären’ Unternehmensbetrieb im Verhältnis zu extrem störempfindlichen Unternehmensbereichen, wie z.B. einem Produktionsbetrieb, zu analysieren und für den IT-Support jedes einzelnen Unternehmensbereiches, eine gesonderte ‚Makeorbuy’ Entscheidung zu treffen.

 

Herr Prof. Dr. Gadatsch, wie wirkt sich der Wandel auf das IT-Controlling aus?

Die Rolle des IT-Controllers besteht ja für viele immer noch im jährlichen Aufstellen von IT-Budgets und deren monatliche Kontrolle. Diese Eingrenzung ist historisch bedingt nachvollziehbar weil früher hohe IT-Kosten „verdächtig“ waren und die Unternehmensleitung bestrebt war die IT-Kosten möglichst zu senken. Beim klassischen Lizenzcontrolling hat dieses Modell noch funktioniert. Der IT-Controller sorgt für möglichst niedrige Lizenzgebühren und Mengenvolumina in Kooperation mit dem IT-Einkauf. Heute wird eher danach gefragt, welche IT-Investitionen sinnvoll sind und wie sie sich auf die Geschäfte des Unternehmens auswirken. Im Rahmen der aktuellen Veränderungen müssen komplexe Prozesse bewertet werden. Dies macht die Aufgabe des IT-Controllers wesentlich schwieriger. Er muss nun einen vollständigen Business Case erstellen bzw. bewerten und ggf. auch nach Alternativen suchen.

Müssen neue Attribute, Begriffe oder Rollen für das Risikomanagement gefunden werden?

Neue Begriffe sind immer gut für Berater, Journalisten und Wissenschaftler. Oft findet man aber den bekannten alten Wein in neuen Schläuchen. Es kommt aber immer auf die Inhalte an. Das Risikomanagement war bislang im IT-Controlling nur ein Thema von vielen. Es ist aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen wahrscheinlich, dass die Aufgabengebiete IT-Controlling und IT-Risikomanagement enger zusammenwachsen. Vielleicht ist Risikomanagement in Zukunft eine Kernaufgabe des IT-Controllers.

Herr Brassel, quasi die Renaissance der SLA?

Eher eine ganz neue Wahrnehmung der Bedeutung von unternehmensinternen SLAs. Den Unternehmen muss bewusst sein, dass sie etwas ‚Outsourcen’ um Geld zu sparen, womit der beteiligte Dienstleister, aber dennoch Geld verdienen möchte.

So etwas funktioniert nur über Skalierung, bzw. Standardisierung.

Die SLAs im Rahmen von Diensten wie z.B. Office 365 der Firma Microsoft sind im Prinzip nicht verhandelbar. Der Dienst ist auch nur oberflächlich individuell ‚konfigurierbar’.

Die Prozesse, Verfügbarkeit und Haftungsfragen sind weitestgehend vom Anbieter vorgegeben und weltweit standardisiert.

Das wirft im Bezug auf SLAs, ganz neue Fragen auf. Wo vom Nachfrager maximale Flexibilität und Verfügbarkeit gefordert werden, scheiden solche hochstandardisierten Dienste eher aus.

Wo der Einfluss auf die SLAs von großer Bedeutung ist, kann es nach wie vor sinnvoll sein, auf ‚lokale’ Outsourcing Partner zu setzen, mit denen die Vertragsinhalte noch verhandelt werden können.

Somit könnte man eher von einer Renaissance der grundsätzlichen ‚MakeorBuy’ Strategie in einem Unternehmen sprechen, dem grundsätzlichen Sourcingansatz vor dem Hintergrund der Anforderungen an SLAs. Zumindest was IT-Dienste betrifft.

Herr Prof. Dr. Gadatsch, CIO,CEO und CDO… , wie sieht die neue Rollenverteilung im Kontext der „transformierten IT“ aus?

Die Rolle des CIO wurde über 20 Jahre lang diskutiert, trotzdem finden Sie in den Unternehmen immer noch sehr unterschiedliche Sichten. Die Rolle des CDO wird ja gerade erst langsam klarer wenn gleich die Diskussion noch im vollen Gang ist. Egal wer die digitale Transformation treibt, ein klassischer IT-Leiter, ein CIO oder ein CDO:
Es bleibt im Kern Chefsache und damit ist der CEO immer involviert.

Herr Prof. Dr. Gadatsch, Herr Brassel, welche Handlungsempfehlungen geben Sie dem Management mit auf den Weg?

In der Vergangenheit war der Hauptreiber für ‚Outsourcing Ansätze’ in Unternehmen oftmals die Kostenreduktion. Bei der Anbieterauswahl wurde zumeist darauf geachtet, dass die im Rahmen von SLAs garantierten Services möglichst günstig angeboten wurden.

IT-Prozesse wurden zumeist nicht hinterfragt, sondern einfach ‚übergeben’. Damit vergaben viele Unternehmen die Chance das Potential von Outsourcing Entscheidungen tatsächlich zu nutzen.

Dabei ist der Ansatz gerade im Standardsoftwareumfeld nicht so ungewöhnlich. Viele Unternehmen setzten in der Vergangenheit auf den Einsatz von Standardsoftware um die damit verbundenen und erprobten Prozesse gleich mit einführen zu können. Der Einsatz von SAP-Software kann hier als klassisches Beispiel genannt werden.

Im Umfeld von Services wie Office 365 wiederholt sich dies nun, denn diese Dienste bedingen zumeist einen Eingriff in die im Unternehmen vorhandenen Prozesse, da die dahinterliegenden Verträge und technischen Gegebenheiten nicht verhandelbar sind.

Darauf gilt es sich vorzubereiten, indem sich im Unternehmensmanagement (wie bereits weiter oben beschrieben) der Blickwinkel der Softwarebeschaffung vom Einkaufsthema hin zum strategischen ‚Asset’ wandelt.

 

Sehr geehrter Herr Prof. Gadatsch, sehr geehrter Herr Brassel,
vielen Dank für das Gespräch!

 

 

 

weiterführende Informationen:

Prof. Dr. Andreas Gadatsch
Sankt Augustin
Grantham-Allee 20
53757 Sankt Augustin
Raum: E 131
Homepage: Hochschule Bonn-Rhein-Sieg

Master of Arts/ Dipl. Kfm.
Stefan Brassel
Leitung License Consulting
Bechtle GmbH
Monnetstraße 24,
DE-52146 Würselen
Homepage: http://www.bechtle.com

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