Die folgenden Berufsbilder muten auf den ersten Blick wie eine beliebige Ansammlung trendiger Berufsbezeichnungen an, die in Zeiten der digitalen Ökonomie tagein tagaus durch die Flure der Wagniskapital-geschwängerten Start-ups wabern. Mutmaßlich mehr wohlklingend als inhaltlich aussagekräftig dahingehend was genau sich dahinter verbirgt.

1 KI-Spezialist*in 6 Data Consultant 11 Chief Digital Officer
2 Site Reliability Engineer 7 Data Engineer 12 Unity-Entwickler*in
3 Customer Success Specialist 8 Data Scientist 13 Produktmanager*in Digital
4 Datenschutzbeauftragte*r 9 IT-Security-Spezialist*in 14 Agile Coach
5 Human Resources Partner 10 DevOps Engineer 15 Salesforce Consultant

Tatsächlich ist diese Auflistung aber alles andere als beliebig, denn dahinter verbergen sich grundlegende und richtungsweisende Veränderungen über die inhaltlichen Anforderungen künftiger Berufsbilder. Laut LinkedIn sind es nämlich die 15 wichtigsten Jobs der Zukunft in Deutschland.

Nun lässt sich vortrefflich darüber streiten, ob, und wenn ja, wie weit LinkedIn als repräsentativ für alle aktuellen Erwerbstätigen in Deutschland gelten kann. Aber einigen wir uns für den Moment doch darauf, dass LinkedIN aufgrund der 690 Millionen Nutzer*innen weltweit und der allein 15 Millionen aktiven Nutzer*innen in der DACH Region, sicherlich eine begründete Aussage darüber treffen kann, welche die wichtigsten künftigen Berufsbilder im digitalisierten Deutschland der Zukunft sein werden. Nicht nur, weil sich die Mitglieder dieses Netzwerks hauptsächlich aus genau dem häufig jungen Talentpool rekrutieren, der mit Blick auf die fortschreitende Digitalisierung in Gesellschaft und Wirtschaft mutmaßlich die wichtigsten digitalen Kompetenzprofile mitbringt und im Netzwerk entsprechend angeboten wird. Sondern auch, weil zunehmend viele deutsche Wirtschaftsunternehmen aktiv auf dieser Plattform das dringend benötigte digitale Talent der Zukunft zu rekrutieren versuchen.

Warum also nicht erste Rückschlüsse zu den Berufen der Zukunft aus einer Datenbank ziehen, die das Angebot und die Nachfrage von Digitalkompetenz in Deutschland versucht in Deckung zu bringen.

Spannender wird in meinen Augen sowieso erst der Versuch, die grundlegenden Veränderungstendenzen hinter den gelisteten Berufsbildern zu erkennen.

Auf dem ersten Platz des LinkedIn-Rankings findet sich„KI- Spezialist*innen“. Ein Beleg dafür, dass der Personalbedarf rund um den Fachbereich der Künstlichen Intelligenz inklusive der dafür notwendigen grundlegenderen Befähigungen im Kontext des Maschinellen Lernens auf Basis großer Datenmengen auch auch in Deutschland Fahrt aufnimmt. Laut LinkedIn assoziieren sich 19-mal so viele Angestellte mit diesem Kompetenzbereich wie noch 2015.

Wenig überraschend dominieren in der Auflistung aber auch sonst die Berufe, in denen technisches Knowhow vorteilhaft sein dürfte. Das ist ablesbar an Profilen wie Datenschutzbeauftragte(r), Data Engineers, Data Scientist, IT-Security-Spezialist*in oder Unity Entwickler*in. Faszinierender ist vielmehr die vorsichtige Einsicht, dass trotz der zunehmenden Bedeutung von Technologie und die damit einhergehende digitale Durchdringung jedes Lebensbereichs, die Nachfrage nach Berufen, in denen der persönliche Kontakt mit Menschen eine wichtige Rolle spielt, fast proportional steigen wird. Mit der Einführung fortschrittlicher Technologien am Arbeitsplatz wird der Bedarf an Beschäftigten mit fein abgestimmten sozialen und emotionalen Fähigkeiten steigen – Fähigkeiten, die Maschinen noch lange nicht beherrschen. Demnach finden sich auch Tätigkeiten im Personalmanagement oder in der Kundenbetreuung wieder.

Eine Trendbeobachtung, der nicht nur LinkedIn mit den gelisteten Berufsbildern, wie dem Agile Coach, Customer Success Specialist oder Human Ressource Partner*in, Rechnung trägt, sondern von mehreren größeren Studien zu diesem Sachverhalt gedeckt wird.

Es scheint sich zudem eine Verlagerung hin zu Aktivitäten mit höheren kognitive Fähigkeiten zu manifestieren. Die Nachfrage nach kreativen Fähigkeiten, kritischem Denken, Entscheidungsfindung und komplexe Informationsverarbeitung steigen ebenfalls.

Hingegen werden die Anforderungen an grundlegende kognitive Fähigkeiten, wie Lese-, Schreib- und Rechenkenntnisse, mit fortschreitender Automatisierung deutlich zurückgehen.

Doch auch wenn der Bedarf an den meisten körperlichen und manuellen Fertigkeiten abnehmen wird, werden sie weiterhin die größte Kategorie von Fertigkeiten der Arbeitskräfte bleiben.

Für welches demografisches Segment, welche Berufsgruppe, mit welcher Qualifizierungshistorie diese Trends relevant sind, ist einfach beantwortet: Wer sich grundsätzlich die Frage nach den zukunftssicheren oder potenziell relevantesten Berufsbildern stellt, befindet sich entweder in der Berufsfindungsphase, sucht nach einem Quereinstieg oder einer Umorientierung. Es betrifft also streng genommen fast jeden.

Das Zeitalter der Digitalisierung und des Internets haben viele neue Berufsgruppen kreiert, allerdings macht technologische Weiterentwicklung nie Halt und für viele Berufe der Zukunft findet sich bisher noch nicht einmal ein richtiges Studium. Genau hier liegt in meinen Augen ein Umstand, den wir in Deutschland im Auge behalten sollten: Die digitale Entwicklung und der globale Wettbewerb um Innovations- und Technologieführerschaft sowie um Fach- und Spitzenkräfte sind schneller als die Veränderungen in unserem Bildungssystem. Wir sollten die Menschen demnach mehr dabei unterstützen, Neuem aufgeschlossen gegenüberzutreten, sich für Zukunftstechnologien zu begeistern, aber zugleich befähigen, reflektiert damit umgehen zu können. Deshalb ist es notwendig, den Erwerb dieser Kompetenzen flächendeckend und zeitgemäß in Aus- und Fortbildung zu verankern.

Über den Autor

In seiner Rolle als Senior Partner der XU Group unterstützt Prof. Dr. Justus Broß Unternehmen dabei, (1) eine offene, agile und vernetzte Version ihrer Organisation zu entwerfen und zu implementieren, (2) Menschen in die Lage zu versetzen, den Herausforderungen der digitalen Transformation durch nachhaltige Aus- und Weiterbildung zu begegnen, und (3) Visionen mit Branchenwissen zu kombinieren, um digitale Produkt-, Dienstleistungs- oder Geschäftsmodellinnovationen zu entwickeln und umzusetzen.

Er ist zudem Professor an der XU Exponential University, wo er über die vielseitigen Herausforderungen der digitalen Transformation lehrt. U.a. zu den Charakteristika des darunter liegenden technologischen Fortschritts, agilen Rahmenordnungen und Methoden, ausgewählter digitaler Werkzeuge für die bessere Zusammenarbeit, Kommunikation und Organisation sowie zu unterschiedlichsten Innovationsformaten, um kreative Lösungen für komplexe unternehmerische oder technische Herausforderungen mit starkem Kundenfokus zu finden.

CC BY-ND 4.0 DE

 

 

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