Ein Plädoyer von Björn Rohles für freie Inhalte im Journalismus.

In der feinen, aber oft etwas isolierten Netzgemeinde sind Creative Commons schon gut etabliert. Immer wieder stößt man auf Bilder, Videos und Texte, die zur Weitergabe animieren, statt sie zu verdammen. Verlässt man aber diesen Kreis netzaffiner Menschen, sieht es ganz anders aus. Der Grund ist weniger fehlendes Wissen, sondern Angst. Ein paar Gedanken zur Verbesserung und Überzeugungsarbeit – mit Schwerpunkt auf Journalisten, aber auch für andere Bereiche einsetzbar.

Creative Commons: Was ist das?

 Creative Commons (CC) – ein Name, der für eine Idee steht: Freie Lizenzen, die die Verbreitung und Weiterentwicklung kreativer Werke erlauben, ohne den Urheber zu enteignen. Die Regelung ist einfach und über ein eigenes Tool einzustellen. Alle CC-Lizenzen verlangen, den Urheber beim Namen zu nennen. Abgesehen davon gibt es zwei einfache Fragen, die man sich beantworten muss:

  • Möchte ich kommerzielle Verwendung meiner Arbeit zulassen? – Antworten sind ja oder nein.
  • Möchte ich Abwandlungen und Weiterentwicklungen meiner Arbeit zulassen? – Antworten sind ja, nein und „ja, aber nur wenn die Abwandlungen auch unter einer CC-Lizenz stehen“.

Über einige Zusatzfelder lassen sich noch einige zusätzliche Angaben einstellen, etwa der Link, unter dem die Arbeit zu finden ist und der als Quellenangabe angegeben werden muss.

Creative Commons: Was nützen sie?

Diese Wissensaspekte sind meist recht schnell zu vermitteln. Ebenso sieht es mit den Vorteilen aus. Hier sind eine Reihe von Vorteilen, die für CC sprechen:

Für den Urheber:

  • schnellere Verbreitung von Inhalten und dem eigenen Namen
  • zahlreiche Anwender suchen von vorne herein nur nach CC-Werken, um sich die Arbeit der Nachfragerei zu sparen
  • Erzeugung von Links auf eigene Inhalte

Für den Anwender:

  • schnellere Klärung von Rechten
  • zahlreiche Einsatzszenarien, zum Beispiel schöne Bilder für eigene Texte

Die ganz realen Ängste – und wie man sie beseitigt

Am einfachsten auszuräumen ist meist die Angst einiger Journalisten vor Enteignung. Creative Commons enteignen niemanden – weil sie freiwillig sind. Jeder Autor entscheidet selbst, ob er auf CC setzen möchte oder nicht. Und über die wenigen Parameter lässt sich flexibel steuern, unter welchen Umständen man zu einer Fremdverwertung bereit ist. Wählt man „keine kommerzielle Nutzung“, ist ausgeschlossen, dass andere mit den eigenen Inhalten Geld verdienen, ohne den Autor selbst dafür zu entlohnen. Wer Angst davor hat, dass das eigene Werk entstellt wird, setzt auf „keine Bearbeitungen“. Und mit „Weitergabe unter gleichen Bedingungen“ kann man sicherstellen, dass sich niemand an den eigenen Werken bereichert, ohne selbst etwas zur Gemeinschaft beizutragen. Bei all dem gilt: Keine Creative-Commons-Lizenz schließt aus, dass ein Urheber Ausnahmen festlegt. Wer generell kommerzielle Nutzung ausschließt, kann sich natürlich trotzdem noch mit bestimmten Anbietern auf eine kommerzielle Nutzung einigen – hier gilt das, was auch bei jedem anderen Werk gilt: Nachfragen bei Unklarheiten.

Im journalistischen Umfeld höre ich oft die Befürchtung, Creative Commons könnten den Wert journalistischer Arbeit herabsetzen – nämlich dann, wenn aus journalistischen Texten weitere Werke entstehen, die journalistischen Ansprüchen nicht genügen. Mit dieser Angst ist nicht einfach umzugehen – ein Ansatz könnte sein, die Frage von der anderen Seite anzugehen. Ein Beispiel dazu: Wie viele Bildkritiken gibt es in den Medien zu lesen? Meistens sind es nicht viele. Ich finde das seltsam: Wir beschäftigen uns immer wieder mit tendenziöser Berichterstattung und kritisieren derart unsaubere Arbeit. Doch auch Bilder können tendenziös sein. Sie können über bildliche Gestaltungsmittel eine Deutung nahelegen, die nicht den Tatsachen entspricht. Ebenso nimmt die Auswahl der Bilder und deren Ausschnitt Einfluss auf die Deutung – was gezeigt wird, besonders aber auch was eben nicht gezeigt wird. Ich habe den Eindruck, dass diese Aspekte selten aufgegriffen werden in der journalistischen Arbeit. Und ich glaube, einer der Gründe liegt in der schwierigen Auslegung des Zitatrechts auf Bilder – Udo Vetter hat in seinem Vortrag auf der re:publica darauf hingewiesen, wie schwierig das Zitieren von Bildern ist, obwohl es eigentlich rechtlich zulässig ist, wenn man sich inhaltlich mit Bildern auseinandersetzt. Creative Commons sind also ein Weg, uns die Auseinandersetzung mit den Werken anderer zu vereinfachen und wichtige journalistische Formen zu ermöglichen, die sonst allzu leicht unter den Tisch fallen. Und damit sind die Chancen, die Creative Commons dem Journalismus öffnen, um ein Vielfaches höher als die Risiken.

Eine andere Angst hört sich meistens so an: „Warum sollte ich CC verwenden, wenn jeder weiß Gott was mit meiner Arbeit machen darf?“ Die fand ich immer schwer zu beruhigen. Zunächst ist, wie schon erwähnt, über drei Parameter eine bemerkenswert gute Steuerung möglich, in welchem Umfeld Werke eingesetzt werden können. Zudem setzen sich Creative Commons nicht über andere Rechte hinweg: Selbstverständlich darf auch mit einer CC-lizensierten Arbeit niemand verleumdet werden. Außerdem kann ich sowieso nicht kontrollieren, was andere Menschen mit meiner Arbeit anfangen, wenn ich sie veröffentlicht habe. Ob sie meine Ansichten teilen, meine Texte ausdrucken und verbrennen, mein Blog aus dem Feedreader werfen: All das liegt nicht in meiner Hand. Aber ich finde es gut, ihnen die Chance zu geben, sich damit auseinanderzusetzen – denn dann besteht wenigstens die Möglichkeit, mit ihnen in einen Dialog zu treten. Creative Commons haben also nichts mit Diebstahl zu tun: Weder sind meine Werke von dort verschwunden, wo ich sie eingestellt habe, noch gibt sie irgendjemand anderes als seine eigenen aus. Creative Commons sind vielmehr eine gesellschaftliche (und journalistische) Vision, wie Wissensaustausch geregelt werden kann.

Manchmal ist für diese Vision aber auch grundsätzliche Überzeugungsarbeit notwendig. Ideen sind nicht wie Äpfel. Wenn ich einen Apfel habe und du ebenfalls einen Apfel hast, und wir diese Äpfel tauschen, dann hat jeder am Ende einen Apfel – im besten Fall einen vergleichbaren. Leider ist es aber meistens so, dass einer der Äpfel kleiner, weniger lecker oder etwas weniger frisch ist. Ganz anders bei Ideen und Wissen: Wenn ich eine Idee habe und du ebenfalls eine Idee, und wir die Ideen austauschen, dann hat im schlechtesten Fall jeder von uns zwei Ideen. Meistens ist es aber so, dass aus zwei Ideen drei Ideen werden – weil sie sich gegenseitig befruchten. Creative Commons ist der Versuch, diesen Ideenaustausch zu vereinfachen.

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Über den Autor:

Björn Rohles ist Medienwissenschaftler und beobachtet als Autor („Grundkurs Gutes Webdesign“) und Berater den digitalen Wandel. Seine Themenschwerpunkte sind User Experience, anwenderfreundliches Design und digitale Strategien. Er schreibt regelmäßig für Fachmedien wie das t3n Magazin, die Netzpiloten oder Screenguide.

Bildnachweis: „My CC stickers have arrived!!!“ von Laihiu (CC BY), „Banjo Libre“ von andyket (CC BY)