ESG Reporting: Pflichten und Herausforderungen

Interview:

Lisa Scharrer von BIG.Cube schafft Transparenz über Herausforderungen und Lösungsansätze im digitalen ESG Reporting – einem Thema, an dem zahlreiche Unternehmen aktuell nicht vorbeikommen.

Frau Scharrer, welche Herausforderungen müssen aktuell Finanzinstitute im Hinblick auf ESG Reporting meistern?

Die aktuellen Anforderungen an Unternehmen im Bereich ESG Reporting stellen ein Potpourri an Herausforderungen dar. Zum einen begibt man sich auf noch nahezu unerforschtes Terrain, auf dem es bislang nur wenige Experten gibt. Zum anderen sind Komplexität und Vielschichtigkeit der Anforderungen unheimlich groß – d.h. den Durchblick zu behalten ist bereits nicht einfach. Dazu kommt, dass mehrere „moving targets“ gleichzeitig im Blick behalten werden müssen. Das gilt insbesondere für die Vorgaben im regulatorischen Bereich, in dem sich leider noch kein Branchenkonsens bezüglich der Auslegung gebildet hat. Obendrein kommen die Klarstellungen der EU meist erst zu einem Zeitpunkt, an dem die IT-Implementierung schon lange begonnen haben muss, um rechtzeitig fertig zu werden. Zu guter Letzt müssen für das ESG Reporting Daten, die bisher im Unternehmen nicht oder zurecht ohne Berührungspunkte existieren, für ESG-Belange aufbereitet werden. Dafür müssen sie gematched, anhand komplexer Logiken prozessiert und reportingfähig gemacht werden – das ganze natürlich unter Einglie­derung in bestehende Infrastrukturen.

Welche Herangehensweise und Technologie empfehlen Sie für große Player im Finanzmarkt?

Wir bei BIG.Cube sehen die richtige Herangehensweise zunächst darin, die aktuellen Geschäfts- und IT-Prozesse grundlegend zu analysieren. Hier ist ein tiefes Verständnis voneinander für beide Bereiche wichtig. Auf dieser Basis kann in einer agilen Projektvorgehensweise eine Lösung für die volatilen Anforderungen erarbeitet werden. Zum ThemaTechnologie: Meist müssen sich die neuen KPIs und Datenmodelle in bestehende Reporting-Landschaften einfügen – dies gilt insbesondere bei großen Playern. Da hier oft bereits stark spezialisierte und professionalisierte Lösungen im Einsatz sind, entscheidet man sich eher für die Nutzung der vorhandenen Technologien und integriert die ESG- Anforderungen in die bestehenden Reporting-Lösungen.

Wie unterstützen Sie die Institute im Kontext dieser Anforderungen?

Wir sehen für solch herausfordernde Projekte drei Säulen als essenziell an: Die Businessanalyse, die Technologie sowie die agile, alles integrierende Methodik. Mit unseren eingespielten Projektteams, welche stets durch Experten in diesen Bereichen geprägt werden, bringen wir eine starke Struktur in diese Umsetzungen. Das ist bei der gegebenen Komplexität dringend nötig.

Wie können die nötigen Daten in guter Qualität erhoben werden?

Dies ist in der Tat ein großes Thema, welches unsere Kunden gerade stark beschäftigt. Die Datenqualität muss passen, sodass vor allem ESG KPIs, die in die nichtfinanzielle Erklärung der Unternehmen eingehen, bspw. zur EU-Taxonomie, SASB oder TCFD, korrekt sind. Hierfür halten wir es für sinnvoll, die geforderte Datenqualität der Eingangsdaten in einer automatisierten Lösung bei jeder Zulieferung sicherzustellen. Insbesondere bei manuellen Datenerhebungsprozessen oder tatsächlich auch bei Daten spezialisierter, externer Datenprovider ist der Bedarf dafür sehr groß. Zu diesem Zweck setzen wir beispielsweise unser eigenes Standardprodukt Q-THOR ein, ein Tool für fachlich getriebene Datenqualitätschecks.

Im Portrait
Lisa Scharrer, geb. 1989, M. Sc. Wirtschaftsmathematik, kam bereits 2019 mit Nachhaltigkeitsprojekten im BI-Kontext bei der Mercedes-Benz AG in Kontakt. Als Bereichs- wie auch Projektleiterin bei BIG.Cube, betreut sie aktuell Implementierungsprojekte für ESG-Reporting-Anforderungen im Finanzumfeld, vor allem in SAPTechnologien.

Welche Erfahrungen konnten Sie in den letzten Jahren im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung und SAP Business Intelligence-Lösungen sammeln?

Gemeinsam mit unseren Kunden arbeiten wir bereits seit mehreren Jahren an großen Nachhaltigkeitsprojekten. Dabei sind wir stets in den Technologien SAP BW und SAP HANA unterwegs, da diese bereits bei vielen unserer Kunden im Einsatz sind und sie als mächtiges Reporting-Fundament geschätzt werden. Als SAP Premiumberatung im Bereich Analytics ist unsere Expertise hier von großem Vorteil. In den letzten drei Jahren konnten wir mit unseren Businessanalysten sehr tief in die fachliche Materie des ESG Reportings eintauchen, sodass wir die Herausforderungen selbst sehr gut verstehen und eigene Best Practices erarbeiten können. Diese umfassen beispielsweise, dass Flexibilität aufgrund der volatilen Anforderungen einer der wichtigsten Faktoren ist. Hierfür schaffen wir in der Datenarchitektur einen einheitlichen Aufbau sehr heterogener Datenflüsse und zentralisierte, modular aufgebaute Logikbausteine zur einfachen Anpassung bei Änderungen der gesetzlichen Vorgaben.


Woran arbeiten Sie gerade bzgl. des ESG Reporting?

Aktuell unterstützen wir vor allem dabei, EU-Regulatorik umzusetzen –zum einen im Hinblick auf die nichtfinanzielle Erklärung unserer Kunden, wie bereits erläutert. Zum anderen beschäftigen uns aber auch Implementierungsprojekte im Hinblick auf MiFID II oder der SFDR. Beispielsweise arbeiten wir gerade in diversen Projekten, um die Offenlegung von ESG-Werten in Jahresberichten von Fonds zu ermöglichen oder den angestrebten vereinfachten Datenaustausch via EET.


Wohin gehen die Entwicklungen?

Wir sehen aktuell, dass die Entwicklungen im ESG Reporting in eine Richtung gehen: Es wird immer mehr. Unsere Kunden bzw. konkret die IT- und Fachabteilungen, die wir unterstützen, können sich vor internen wie auch externen Anfragen zu KPIs, Rohdaten, abgeleiteten Informationen und Auswertungen kaum retten. Meist ist die Anforderung nach einer Information bereits eingegangen, bevor überhaupt fachlich formuliert werden konnte, wie die Rohdaten zu einer aussagekräftigen und wertstiftenden bzw. regulatorisch korrekt umgesetzten Kennzahl zusammengesetzt werden sollen. Wir bemerken also, dass die ESG-Thematik immer schneller jeden Unternehmensbereich durchdringt und zunehmend an Signifikanz und Aufmerksamkeit gewinnt.


Welche Rolle spielen Simulationen, um ESG-Szenarien und ihre Auswirkungen einzuschätzen? Gibt es hier bereits eine Beteiligung durch ML oder KI?

ML und KI sind sicherlich valide Mittel, um im Hinblick auf Planungsfunktionen Entscheidungen zu simulieren und auf dieser Basis ESG-Auswirkungen in wirtschaftliche Entscheidungen miteinzubeziehen. Allerdings ist hier aufgrund der multidimensionalen Zusammenhänge Vorsicht geboten, denn nahezu vergleichbar mit dem bekannten „Butterfly Effect“ können einzelne Entscheidungen nie auf eine Metrik für sich genommen ausgewertet werden – sondern müssen immer im Zusammenhang mit allen anderen bewertet werden. Beispielsweise kann eine Regionalisierung der Wertschöpfungskette negative Effekte auf die Profitabilität und somit die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens haben, während sie sich positiv auf den CO2-Fußabdruck auswirkt. Hierfür ist vor der Planung eine intensive Auseinandersetzung mit Ist-Daten und -Zusammenhängen vorzunehmen – was aktuell bereits viele Unternehmen vor eine Herausforderung stellt.

Welche Risiken und Chancen entstehen durch das ESG Reporting für die Finanzbranche?

Ganz klar ergeben sich neben bereits zahlreich dargestellten Herausforderungen auch Chancen für die Finanzbranche, denn jetzt wird durch ein fundiertes ESG Reporting der Grundstein für eine Zukunft gelegt, in der Nachhaltigkeit eine immer wichtigere Rolle spielt. Während man also aktuell versucht, immer mehr „das Richtige“ zu tun, kann man sich ganz nebenbei dadurch einen Wettbewerbsvorteil verschaffen: Durch die EU-Taxonomie und das Lenken von Finanzströmen hin zu mehr Nachhaltigkeit wird in der Zukunft die ESG Performance ganz entscheidend werden für den Erfolg. Wir bemerken ferner, dass unseren Kunden auch bewusst ist: Nachhaltigkeit zieht an – sowohl Investoren als auch andere Businesspartner und schließlich auch Talente, denn für die Gen Z ist Sustainability ein entscheidender Faktor bei der Berufswahl.


Wie sollten Finanzinstitute vorgehen, um kurzfristige finanzielle Performance mit langfristiger Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen?

Langfristige finanzielle Performance und Nachhaltigkeit sind absolut keine Gegensätze mehr, das zeigen diverse Studien. Um dies nun auch kurzfristiger betrachtet möglich zu machen, ist dies unseres Erachtens eine Governance-Frage: Seitens des Managements müssen neben finanzieller Performanceziele auch Performanceziele im ESG-Bereich ausgegeben werden. Damit die Ziele eingehalten werden können, muss die IT-gestützte Transparenzschaffung bzgl. dieser ESG KPIs für das Assetmanagement selbstverständlich vorhanden sein – im Idealfall durch BI-Lösungen im Real- oder Near-Time-Bereich und integriert in bestehende Lösungen.


Sie berichten, dass Sie ihre Sustainability-Reporting-Projekte mit SAP Analytics-Mitteln implementieren. Es gibt aber auch ein Standardtool der SAP: den Sustainability Control Tower (SCT). Warum setzen Sie diesens nicht ein?

Den SCT gab es schlichtweg noch nicht als wir bei unseren Kunden mit den Nachhaltigkeitsprojekten gestartet haben. Die Zeit bis zum Inkrafttreten der Regulatorik lief aber bereits. Außerdem – darüber hatten wir ja auch schon gesprochen – will man Parallellösungen zumeist vermeiden. Stattdessen braucht es eine Integration in bestehende Landschaften und Datenflüsse. Daher haben wir bei BIG.Cube bisher keine Erfahrungen mit dem SCT gemacht. Als SAP Gold Partner sind wir aber natürlich immer daran interessiert, die neueste Technologie, insbesondere SAP Standardprodukte, bei und mit unseren Kunden einzusetzen. Sollte der SCT zukünftig bei einem Kunden die richtige Wahl sein, würden wir uns sehr freuen auch dabei zu unterstützen.

https://www.big-cube.com/

 

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