Digital Banking – Deutschland holt auf

Was deutsche Banken noch von australischen und nordamerikansichen Geldhäusern lernen können, erläutert Christian Brüseke, General Manager Avoka GmbH, im Interview mit der Redaktion.

Vor kurzem ist die dritte Ausgabe des Avoka-Reports „Digitaler Vertrieb in Banken“ erschienen. Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
Generell kann man sagen, dass sich die Digitalisierung von Bankanwendungen endlich durchgesetzt hat. In allen Ländern und quer durch alle Banksegmente werden immer mehr Produkte digital und vor allem mobil zur Verfügung gestellt. Dabei überrascht mich am meisten, wie stark die deutschen Banken aufgeholt haben. Mittlerweile sind vier von sechs untersuchten Großbanken im sogenannten „Digital Promised Land“ angekommen. Dass die deutschen Institute sich so schnell so weit nach vorne „kämpfen“, hätte ich nicht erwartet. Unsere Studie zeigt zwar, dass die amerikanischen und australischen Banken den europäischen in Sachen digitaler Vertrieb weiterhin ein Stück voraus sind, sie zeigt allerdings auch, dass Europa und speziell die deutschen Finanzinstitute vor allem in Sachen Mobile Banking massiv aufgeholt haben.

Business Banking hat 2017 einen Riesensatz gemacht und die Online-Verfügbarkeit solcher Anwendungen wuchs weltweit um über 200 Prozent. Wie erklären Sie sich das?
In den vergangenen zwei Jahren haben die Banken global sehr viel Zeit und Geld in das Privatkundengeschäft investiert, um dort digitale Produkte anzubieten, die sich der Endkunde wünscht. Ganz einfach weil von dort der größte Druck kommt und dort auch die größte Wechselbereitschaft besteht. Durch diese einseitige Fokussierung sind das Onboarding für Firmenkunden und die entsprechenden Business-Anwendungen aus dem Blick­feld geraten. Mittlerweile haben die Banken aber erkannt, wie wichtig und gewinnträchtig die Digitalisierung des Firmenkundengeschäftes ist, und fangen an, hier ihre Expertise auszubauen. Übrigens sind die 200 Prozent eher irreführend, da die Institute von einem relativ geringen Status quo gestartet sind. Spannend wird der Zuwachs in diesem Jahr sein, denn dann zeigt sich, ob dies nur ein Strohfeuer war oder eine nachhaltige Entwicklung ist.

Weitere Informationen zur Studie „Digitaler Vertrieb in Banken“ finden Sie hier: https://www.avoka.com/portfolio-items/white-paper-2018-state-of-digital-sales-in-banking-report/

Beim Thema mobiles Produktangebot für Privatkunden lagen die europäischen Banken 2016 noch vor Nordamerika. Wie kommt es, dass Europa 2017 stagnierte und die Amerikaner vorbeizogen?
Die Europäer waren der Meinung, dass sie mit ihren neuen mobilen Angeboten genug getan haben und sich auf den Lorbeeren ausruhen können. Aber das ist eine gefährliche Einstellung. Der Bankenmarkt kennt über kurz oder lang keine Grenzen mehr und immer mehr FinTechs, aber auch ausländische Banken werden in andere Länder expandieren. Bestes Beispiel sind Goldman Sachs, die mit ihrer Online-Banking-Plattform „Marcus“ jetzt in Deutschland ins Privatkundengeschäft einsteigen wollen. Hinzu kommt, dass es gerade im mobilen Umfeld keinen Stillstand gibt. Was gestern als Produkt noch top war, kann schon morgen alt aussehen. Die nordamerikanischen Institute haben da die bessere Einstellung: Sie sehen Banking als sich ständig verändernden Prozess, investieren kontinuierlich, ruhen sich nicht aus und entwickeln immer neue Features und Anwendungen. Davon profitieren sie jetzt.

Wagen wir einen Blick ins Jahr 2023: Wo stehen die deutschen Banken und vor allem warum?
Fünf Jahre sind natürlich eine lange Zeit. Aber wenn die Banken hier ihre Bemühungen beim Thema Digital Sales nicht drastisch hochfahren, werden wir viele Verlierer sehen. FinTechs und vor allem ausländische Banken werden sich etabliert haben; die Margen der deutschen Banken schrumpfen; es wird weitere Fusionen geben, ja geben müssen. Kurzum, der Markt wird heterogener und die deutschen Banken verlieren Marktanteile. Das liegt, wenn sich nichts ändert, vor allem an drei Punkten. Erstens: Die deutschen Banken sind nach wie vor nicht in der Lage und nicht willens, den Kunden in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten zu stellen. Sie sehen das Thema Digitalisierung vor allem aus der Perspektive der Prozessoptimierung, anstatt den Kunden in den Vordergrund zu stellen. Zweitens: Die hiesigen Banken geben sich zu schnell mit dem zufrieden, was sie schon erreicht haben. Dass sie beispielsweise in Sachen Kundenservice noch viel mehr tun können und investieren müssen, erkennen sie erst langsam. Drittens: Die Bedeutung von Bargeld nimmt ab und gleichzeitig steigt die Akzeptanz und vor allem die Nutzung von PayPal, Google Pay oder Apple Pay. Davon profitieren FinTechs und E-Commerce-Firmen wie Amazon & Co., die näher am Kunden sind und schneller neue attraktive digitale Finanz-Lösungen und -Apps auf den Markt bringen als die Banken.

Abschließend: Welchen Tipp geben Sie den Banken, um mit internationalen Wettbewerbern und den FinTechs mitzuhalten?
Nicht nachzulassen, was die Digitalisierung betrifft und gleichzeitig verstehen, dass die Transformation der Prozesse nicht das Endziel darstellt, sondern nur Mittel zum Zweck ist. Der Fokus muss auf den Bereichen Kundenzufriedenheit und positives Erleben liegen. Die Institute müssen sich immer wieder die Frage stellen: „Was will und braucht der Kunde?“ und nicht „Welche Produkte und Abläufe sind für die Bank am relevantesten?“ Das ist genau das, was beispielsweise die Australier erkannt haben und besser machen. Sie trauen sich mehr, probieren mehr aus und da darf auch mal was schief gehen. Darüber hinaus müssten deutsche Banken mehr mit ihren Kunden zusammenarbeiten. So kann man neue Prozesse und Produkte durchaus mit Kundenfeedback entwickeln und am Kunden ausprobieren. Die Online-Bank N26 hat das getan und schauen Sie, wo die heute stehen.

Weitere Informationen unter:
www.avoka.com