Talente: Finden, binden, fördern

 

Das Buzzword Talentmanagement ist in weiten Teilen noch undefiniert. Dahinter verbirgt sich jedoch enormes Potential für Fach- und Führungskräfte, um Veränderungsprozesse in ihren Unternehmen strategisch zu steuern.

Gastbeitrag von Prof. Dr. Wolfgang Bohlen

 

Talente finden, sie an das Unternehmen binden und fördern. Mit diesem Dreiklang sind die drei Hauptziele des Talentmanagements schnell erklärt. Aber wer sich im Detail mit dieser Disziplin auseinandersetzt, stößt auf ein weit vielfältigeres Thema, das zudem von Firma zu Firma variiert. Zunächst einmal muss jeder Personalverantwortliche oder Manager für sich klären, was genau er als „Talente“ verstehen und entsprechend fördern möchte. Geht es nur um Führungskräfte? Oder geht man davon aus, dass jeder Mitarbeiter ein Talent besitzt, das zu fördern sich lohnt?

Talentmanagement ist in jedem Fall ein strategisches Thema, mit dem sich mittlerweile ganze Masterstudiengänge auseinandersetzen. Es umfasstverschiedene Bereiche, von denen wir uns im Folgenden vier herausgreifen und deren geschäftskritische Bedeutung untersuchen wollen.

1. Employer Branding

Ebenso wie sich der Aufbau einer Marke nicht nur am kurzfristigen Abverkauf orientiert, zielt auch das Employer Branding auf langfristige Effekte: Ihm geht es um die Gewinnung neuer Mitarbeiter, deren Bindung an das Unternehmen und die Förderung ihrer Leistungsbereitschaft. Dass dies immer wichtiger wird, spüren kleine und mittlere Unternehmen insbesondere in ländlichen Regionen. Denn unter jungen Menschen hält der Trend zur Urbanisierung an. Zum Studium oder für die erste Arbeitsstelle zieht man in die Großstadt. Wer also auf dem Land die Generation Y oder X an sich binden möchte, muss an seiner Arbeitgebermarke arbeiten.

Hinzu kommt, dass qualifizierte Arbeitskräfte aufgrund des demografischen Wandels selbstbewusst verlangen können, dass Firmen die Arbeitsbedingungen flexibilisieren und die Vereinbarkeit des Berufs mit unterschiedlichen Lebensphasen ermöglichen – von der Kinderpause über die Pflege der Eltern bis zur Altersteilzeit. Die Employer Brand erfüllt in diesem Zusammenhang verschiedene Funktionen: Für Mitarbeiter sind dies die Präferenz-, Differenzierungs-, Emotionalisierungs-, Kostenreduktions- und Leistungsfunktionen. Auf Deutsch heißt das: Ihre Mitarbeiter werden lieber bei Ihnen arbeiten, als bei der Konkurrenz. Sie werden lieber zur Arbeit kommen und sich engagierter einbringen. Das hat auch positive Auswirkungen auf die Unternehmenskultur. Und nicht zuletzt bedeutet es für das Unternehmen weniger Ausgaben bei der Rekrutierung– denn wer es kennt und mag, startet auch gerne mal eine Initiativbewerbung. Maßnahmen zum Employer Branding müssen dabei nicht teuer sein: Von Schul- und Hochschulkooperationen über Karriere- und Berufsmessen bis hin zu Mitarbeiterempfehlungsprogrammen bilden kleine Schritte den Weg in die richtige Richtung.

2. Personalentwicklung

Heutzutage sind die meisten Mitarbeiter mehr als Aktenbearbeiter. Sie sind kreative Wissensarbeiter, die auch unter Zeitdruck souverän ihre Aufgaben jonglieren müssen. Damit steigen die Anforderungen an Fachkompetenz, an die Fähigkeit zur Selbstorganisation sowie an produktive Zusammenarbeit. Diese Fertigkeiten fallen nicht vom Himmel – sie müssen im Mitarbeiter entdeckt und weiterentwickelt werden.

Gute Unternehmen werden hier selbst aktiv. Ein Beispiel: Die Berliner Firma IAV fördert Studierende schon ab dem ersten Semester mit einem persönlichen Betreuer. Beide besprechen einmal jährlich festgesteckte Lernziele. Zudem gibt es eine Potenzialbewertung, die auch über die Übernahme entscheidet. Das Unternehmen bietet ein internes Weiterbildungsangebot und Förderprogramme für Nachwuchskräfte, um so laufbahnübergreifend und praxisnah zu qualifizieren. Diese Mischung aus inhaltlicher Förderung und der Eröffnung von Karriereschritten bindet die Mitarbeiter, so die Aussage der Firma, langfristig an das Unternehmen und macht sie gleichzeitig zu wertvolleren Arbeitskräften.MBA-Fernstudentin beim Lernen

Doch es gibt zahlreiche weitere Maßnahmen, mit denen die Fach- oder Führungskräfte unterstützt werden können. Für junge Mitarbeiter eignen sich beispielsweise Mentoren-Programme, in denen ältere Beschäftigte „den Neuen“ zur Seite stehen. Auch das gute alte Feedback geben ist ein Teil der Weiterbildung: Sofortige Rückmeldung über das Geleistete hilft Talenten zu erkennen, wo sie stehen. Performance Management ist damit auch Performance Development. Denn gute Mitarbeiter erhalten die Chance, in den eigenen Reihen – im doppelten Sinne – „groß“ zu werden.

3. Interkulturelles Talentmanagement

Ein dritter Aspekt, der heute immense Veränderungsprozesse in die Unternehmen hineinträgt, ist die Internationalisierung. Diese fordert die Firmen in zweierlei Hinsicht: Zum einen müssen die Führungskräfte und ihre Mitarbeiter offen sein für andere Nationalitäten, andere Erfahrungen und Werte. Zum anderen benötigen sie interkulturelle Kompetenzen, die über einen zweitägigen Wochenend-Workshop und ein paar 10-Punkte-Regeln hinausgehen. Die Mitarbeiter benötigen einerseits mentale Offenheit, andererseits kulturelles Transferwissen. Und zwar unabhängig davon, ob ein Team über Ländergrenzen hinweg zusammenarbeitet oder ob der deutsche Standort plötzlich immer mehr ausländische Kollegen integrieren muss.

Beim Thema Diversity müssen Personalabteilung und Führungskräfte mit gutem Beispiel vorangehen. Wirklich gute Chefs, das beschreibt beispielsweise Professor Sydney Finkelstein in der Aprilausgabe des Harvard Business Managers, haben keine feste Meinung, welche Voraussetzungen ein Mitarbeiter mitbringen sollte. Sie besetzen Stellen auch mit unkonventionellen Kandidaten. Talentmanagement bedeutet eben auch, Mitarbeitern Chancen zu geben und an sie zu glauben. Das personalwirtschaftliche Dogma,  der „Deckel muss zum Topfpassen“, gilt heute eben nicht mehr uneingeschränkt.

4. Talentmanagement in Veränderungsprozessen

Firmen durchlaufen heute praktisch permanent Transformationsprozesse. Selbst kleinere und mittlere Unternehmen manövrieren kontinuierlich zwischen Fusion, Akquisition und Umstrukturierung hin und her. Solche Change-Prozesse können das Gros der Mitarbeiter – abgesehen von denzehn Prozent, die sich für alles Neue begeistern lassen – schnell überfordern. Viele werden plötzlich mit Aufgaben betreut, die sie vorher nie hatten. Im Rahmen eines nachhaltigen Talentmanagements müssen diese mit Coachings auf ihre neuen Aufgaben vorbereitet und begleitet werden. Transformationsprozesse gelingen nur mit guten Leuten. Personalmanager haben damit eine wichtige Aufgabe.

 

Fazit: Talentmanagement gehört auf die Führungsebene

Mit dem Talentmanagement stellen Unternehmen die Weichen für den zukünftigen Erfolg. Das betrifft insbesondere Mittelständler aus dem ländlichen Raum, die gegen die Verstädterung kämpfen mit ihren eigenen Vorzügen und einer guten Selbstvermarktung die klugen Köpfe von morgen an sich binden wollen. Mit einer gesunden Mischung aus Employer Branding, Personalentwicklungsstrategien, interkulturellem Talentmanagement und dem Kompetenzaufbau während Change-Prozessen sind KMUs gut gerüstet für aktuelle und künftige Herausforderungen. Dem demografischen Wandel, Fachkräftemangel, der Urbanisierung und Internationalisierung können diese Personalverantwortlichen und Manager gelassen entgegenblicken.

 

 

Über den Autor

Studiengangsleiter Prof. Wolfgang Bohlen

Studiengangsleiter
Prof. Wolfgang Bohlen


Prof. Dr. Wolfgang Bohlen ist Studiendekan an der Fernhochschule
AKAD University und leitet dort unter anderem den MBA-Studiengang Talentmanagement. Der Studiengang ist speziell für Berufstätige konzipiert.

Weiterführende Informationen gibt es unter:

Studiengang Talentmanagement

 

 

 

 

 

 

 

Aufmacherbild / Lizenz / Quelle

Clock – career“ (CC BY-SA 2.0) by  flazingo_photos 

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