Digital Finance
Die Banken versuchen den Brückenschlag zur FinTech-Branche. Im Mittelpunkt steht dabei der Endkunde, der als Brückengänger neue Wege betritt.
Die Probleme, die der langanhaltende Niedrigzins bei den Geldinstituten verursacht, sind schlussendlich auch für den Kunden spürbar. Viele Bankhäuser wissen sich nicht mehr besser zu helfen. Früher kostenlose Services werden nur noch gegen Geld angeboten, andere verteuert. Gerade bei der immer relevanter werdenden Zielgruppe der Millenials muss man allerdings in der Lage sein, die zusätzlichen Gebühren zu rechtfertigen. Die Treue der alten Sparbuchbesitzer kann man hier nicht erwarten, erst recht nicht in einer Branche, die in letzter Zeit so viele Innovationen erlebt hat.
Unterstützt werden die Wechselwilligen dabei vor allem durch die Möglichkeiten des digitalen Onboardings. Videoidentifikation und E-Signature machen den Kontowechsel so einfach wie noch nie. Gepaart mit den neuen Möglichkeiten der digitalen Kontoanalyse zieht gerade die Kreditwirtschaft aus diesen Möglichkeiten vermehrt ihren Nutzen. „Verbraucher mussten für den Kreditabschluss meist von der Online- in die Offline-Welt wechseln: Sie mussten den Kreditantrag ausdrucken, unterschreiben, Einkommensunterlagen beifügen, zur Post gehen, das Postident-Verfahren durchführen und die Postlaufzeit abwarten“, fasst Thomas Salewski von Arvato Financial Solutions zusammen. Im Vergleich zum Bankwechsel ist eine Kreditvergabe jedoch oft eine dringende Angelegenheit. Schnelligkeit ist Trumpf und eine sofortige Auszahlung ist dank neuer digitaler Services jetzt endlich möglich.
Konkurrenz Roboter?
Vor allem die Zunft des Bankberaters könnte durch die Errungenschaften künstlicher Intelligenz (KI) und zunehmender Automatisierung unter Druck geraten. Klar strukturierte und leicht verständliche Lösungen nehmen dem Verbraucher die Angst vorm Kleingedruckten und erfreuen sich nicht zuletzt deshalb zunehmender Beliebtheit. Die Automatisierung erlaubt den Robo-Advisors, solche Lösungen mit zuvor festgelegten Regeln anzubieten. Zusätzlicher Bonus: Dadurch gesparte Management-Gebühren werden an den Kunden weitergegeben und machen die Anlage profitabler.
Künstliche Intelligenz ist uns im Hinblick auf strategische Planung weit voraus, wie weltmeisterliche Niederlagen jetzt auch im komplexen Go-Spiel belegen. Die Nutzung dieser Möglichkeiten im Hinblick auf die Kapitalanlage erscheint daher wie eine logische Konsequenz. Abseits strategischer Planung vermag KI mittlerweile jedoch auch den Kundensupport effizienter und qualitativ verbessert zu gestalten. Dies belegt ein Pilotprojekt der Fiducia & GAD in Zusammenarbeit mit IBM. Mit dem Customer Advisor setzt man dabei auf die Technologie des Jeopardy-Gewinners Watson, dessen Spracherkennung sogar Ironie zu erkennen vermag. Das Feedback der Kunden auf die Entwicklung des Chatbots für Support-Anfragen sei dabei so positiv gewesen, dass man sich entschieden hat, die Lösung zeitnah umzusetzen. „Eine erste produktive Version ist für Anfang nächsten Jahres geplant“, gibt der Vorsitzende des Vorstandes Klaus-Peter Bruns Einblicke in Zukunftspläne.
Einst Konkurrent, jetzt umarmt
Um den Kunden möglichst schnell neue innovative Services anbieten zu können, heißt für Banken das Gebot der Stunde Kooperation. Bevorzugter Partner ist dabei ausgerechnet die einst so belächelte FinTech-Branche. Laut einer aktuellen Umfrage der Unternehmensberatung PWC kooperieren weltweit mittlerweile 45 Prozent der Finanzdienstleister mit FinTechs, Tendenz steigend. Noch vor einem Jahr waren es erst 32 Prozent. Noch extremer gestaltet sich diese Entwicklung in Deutschland, wo mittlerweile sage und schreibe 70 Prozent der Finanzdienstleister auf die Unterstützung der dynamischen Start-ups setzen. „Im Grunde ist FinTech der neue Mainstream“, fasst dementsprechend Sascha Demgensky von PwC Deutschland zusammen.
Dass die oben erwähnten 70 Prozent so erstaunlich wirken, ist darin gegründet, dass viele FinTechs ihre Produkte als White-Label-Lösung anbieten. Dabei handelt es sich um ein Produkt oder einen Service eines Anbieters, der in eine Partner-Website eingebunden wird. Layout und Struktur werden so angepasst, dass der ursprüngliche Dienstanbieter nicht mehr sofort ersichtlich ist.
„Initial Coin Offering“
Wieviel Zug in der FinTech-Branche steckt belegt auch eine aktuelle Deloitte-Studie. So haben sich die Venture-Capital-Investitionen in Deutschland in den letzten vier Jahren mehr als verzwölffacht. Gerade FinTechs suchen dabei ihre Finanzierungs-Partner vermehrt bei ihrem eigenen Kind, der Crowd. Neben FinTechs unterstützt die Investorengemeinschaft auch soziale Projekte, Computerspiele, Kinofilme, und Privatkredite. Als Gegenleistung erhalten Investoren neben Unternehmensanteilen und einer versprochenen Rendite oft auch eher symbolische Werte, wie einen Zugang als Betatester oder Premierenkarten. Bei der Investition in soziale Projekte kann es manchmal auch nur ein nettes Dankeschön sein, sofern man nicht an das spirituelle Modell einer Karmabank glaubt.
Weitgehend unbekannt bei der Unternehmensfinanzierung ist noch der Begriff des „Initial Coin Offerings“ (ICO), obwohl vor kurzem ein Unternehmen damit in nur drei Stunden umgerechnet die Rekordsumme von 153 Millionen US-Dollar erworben hat. Bei ICOs erwerben Anleger mittels einer virtuellen Kryptowährung sogenannte Tokens, die beispielsweise zur Teilhabe an einem Unternehmen berechtigen. Im geschilderten Beispiel unterstützten mehr als 10 000 Anleger das Unternehmen Bancor mit insgesamt 396 720 Ether, die zum Emissionszeitpunkt jeweils 385 US-Dollar wert waren. Bancor selbst möchte mit sogenannten Smart Tokens eine neue Generation der Kryptowährungen etablieren. Mit einem eigens entwickelten Protokoll soll die Volatilität geringer sein und es sollen neue Anwendungsmöglichkeiten entstehen, etwa die Etablierung eines auf der Blockchain basierenden ETFs. Dies könnte vor allem für jene Anleger interessant sein, die aufgrund des Risikofaktors noch vor einer Investition in Bitcoin zurückschreckten.
Zahlung per Auto
Obwohl der Bitcoin einst antrat, unser Verständnis von Geld zu revolutionieren und die Banken durch ein neues Währungssystem zu unterwandern, sind es nun ausgerechnet die Geldinstitute, die sich die zugrunde liegende Blockchain-Technologie zunutze machen. Im Bereich Mikropayments etwa möchte eine Kooperation von ZF, UBS und Innogy das Auto der Zukunft zur digitalen Geldbörse machen. So sollen Elektrofahrzeuge durch die Möglichkeiten der Induktion beim Halt an einer Ampel aufgeladen werden. Die dabei entstehenden Kleinstkosten werden mithilfe der Blockchain-Technologie ausgeglichen.
Der Untergang des Monopols
Mit der „Payment Service Directive 2“ (PSD2) will die EU den Wettbewerb im europäischen Zahlungsverkehr fördern und ihn damit sicherer, bequemer und billiger machen. Ob die Brüsseler Abgeordneten dabei wirklich abschätzen können, welche Folgen diese Richtlinie hat, ist jedoch fraglich. Dabei ändert sich „nicht weniger als das gesamte Verhältnis zwischen Bank und Kunde“, prophezeit Jochen Werne. „Banken müssen künftig dritten Zahlungsdiensteanbietern und anderen Banken Zugriff auf die Kontodaten ihrer Kunden gewähren“, erläutert Simon Oberle von Sopra Steria Consulting. Dem Verbraucherschutz wird dabei insofern Rechnung getragen, dass die Institute ausschließlich für den zuvor angefragten Zweck den Zugriff auf Schnittstellen zulassen dürfen. Nutznießer können hier vor allem die FinTechs sein, die durch die Analyse der Daten einen echten Mehrwert liefern können. „Die PSD2-Richtlinie birgt die Chance für echte Innovationen“, ergänzt Oberle und nennt als Beispiel eine App, die kostenlos das Konto bezüglich der Ausgaben für Strom und Gas überprüft und auf Wunsch automatisch zu einem günstigeren Anbieter wechselt. „Es gilt also, sich als First Mover frühzeitig für neue Zahlungsdienste zu positionieren. So machen sich Banken auch attraktiv für digitale Partnerschaften“, empfiehlt der Experte.
Unisono scheint man in der Branche die Bedeutung des Kunden erkannt zu haben und rückt diesen mit einem Angebot innovativer Produkte und Dienstleistungen in den Mittelpunkt. Trotz neuer Gebühren scheint es sich dabei um mehr als bloße Lippenbekenntnisse zu handeln. Zu Ende gedacht bedeutet dies für die Filialbanken, sofern sie bestehen bleiben wollen, dass sie sich von einem „Ort des Geldes“ zu einem „Ort des Sozialen“ wandeln müssen, wie Klaus-Peter Bruns einen Ausblick wagt. Dabei spielt ein erweitertes Serviceangebot ebenso eine Rolle wie die soziale Kompetenz des Beraters, der nur dadurch einer KI à la Watson überlegen bleibt.
„Blitzen gleich, die neue Wege bahnen“, beschrieb einst der Philosoph die Macht der Brücken. Es scheint fast so, als spräche er über unsere Zeit und die überwundene Kluft zwischen einer alten Bankenriege und der neuen Generation der FinTechs. Profiteur ist vor allem der Endkunde. Für ihn werden die Brücken gebaut, um ihn über die Wellen des Finanzmarktes auf hell erleuchtetem Wege in eine innovative Zukunft zu geleiten.
von Andreas Fuhrich
a.fuhrich@trendreport.de
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