Smart Energy
Auch dieses Jahr treffen sich wieder alle Akteure auf der Weltklimakonferenz in Bonn. Doch der Blick über die Landesgrenzen sollte nicht von den eigenen Aufgaben ablenken.
The concept of global warming was created by and for the Chinese in order to make U.S. manufacturing non-competitive.“ Nicht nur, dass der zweitgrößte CO2-Emitent der Welt unter einer Präsidentschaft leidet, die den Klimawandel für eine Verschwörung der Chinesen hält, auch weitere Rückschläge musste der Klimaschutz in letzter Zeit einstecken. Bereits im September 2010 entwickelte die Bundesregierung ein Energiekonzept, welches unter anderem vorsieht, die Treibhausgas-Emissionen um 40 Prozent bis zum Jahr 2020 gegenüber dem Jahr 1990 zu reduzieren. Knapp 25 Prozent waren dabei zu diesem Zeitpunkt bereits geschafft, wodurch das ganze Vorhaben weniger ambitioniert wirkt. Dennoch wurden seither in regelmäßiger Reihenfolge Aktionsprogramme initiiert, da man den selbstgesteckten Zielen hinterherhinkte, bisher ohne Erfolg. Bestenfalls 32,5 Prozent lautet das vernichtende Urteil einer aktuellen Auswertung des Bundesumweltministeriums. Hauptgrund sind die weiterhin hohen Emissionen in der Stromproduktion, insbesondere bei Kohlekraftwerken.
Die sauberste und günstigste Energie ist die, die gar nicht erst erzeugt werden muss.
Die größte Herausforderung des Kohleausstiegs ist dabei die Unbeständigkeit erneuerbarer Energien sowie ihre dezentrale Erzeugung. Von den Alpen bis ins Meer wird in Windparks, Solarfarmen u. Ä. mal mehr mal weniger erzeugt. Durch eine gleichzeitige unkoordinierte Einspeisung vieler Erzeuger drohten instabile Netzzustände. Hinzu kommt, dass aus einstigen Konsumenten jetzt Prosumenten werden, deren Bedarf an zugeliefertem Strom wetter- und tageszeitabhängig fluktuiert. Intelligente Stromnetze, sogenannte Smart Grids, bieten die Lösung. Mittels einer zentralen Steuerung werden die verzweigten Netze optimal aufeinander abgestimmt, wodurch auch Leistungsschwankungen ausgeglichen werden. Zu diesem Zweck fließt durch ein Smart Grid nicht nur Strom, sondern auch Daten, die durch Smart Meter erhoben werden. In Verbindung mit Energiemanagementsystemen werden Netzbetreiber damit in die Lage versetzt, in kurzen Abständen Informationen zu Energieproduktion und Verbrauch zu erhalten.
Durch Smart Meter lassen sich dabei auch Vorteile für den Endkunden erzeugen, die über das Wegfallen der Stromzählerablesung hinausgehen. Der Kunde erlangt in Echtzeit Informationen zu seinem aktuellen Stromverbrauch und Tarife werden möglich, die die aktuelle Nachfragesituation im Netz widerspiegeln. Als Preissignal können diese Informationen an smarte Produkte weitergegeben werden, die ihren Verbrauch an die Marktsituation anpassen. Stellt beispielsweise der Energieversorger in der Nacht den Strom günstiger zur Verfügung, beginnt die smarte Waschmaschine erst dann ihren Schleudergang. In der industriellen Produktion ist das Einsparpotenzial ungleich größer. Das Industrial Smart Grid übernimmt hier die Aufgabe, Bezugs- und Verbrauchsgruppen auszubalancieren und eine reibungslose und kostenoptimale Produktion zu gewährleisten
„Die sauberste und günstigste Energie ist die, die gar nicht erst erzeugt werden muss“, formuliert das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die Kernaussagen von „Efficiency First“, dem im letzten Dezember formulierten Grundsatz der Energiewende. So wird das Eigenheim beispielsweise erst dann richtig nachhaltig, wenn es neben einer Erneuerbare-Energien-Anlage auch eine gute Wärmedämmung besitzt, wodurch der Heizenergiebedarf in Gänze sinkt. Der Grundsatz bezieht sich dabei nicht nur auf Gebäude, vielmehr sollen die bestehenden Effizienzpotenziale in allen Bereichen besser ausgeschöpft werden – so auch in der Industrie.
Entwicklung von Primärenergieverbrauch, Stromerzeugung und Energieeffizienz
Eine Möglichkeit, ungeahnte Effizienzpotenziale aufzudecken, besteht in Energieaudits, die für Nicht-KMUs alle vier Jahre verpflichtend sind. Dabei sollten Unternehmen diese Maßnahme nicht als Belastung empfinden. „Der Euro, der zur Einsparung von Energie oder Ressourcen ausgegeben wird, muss sich nach einer definierten Zeit wieder rentieren, und das leisten unsere Projekte auch“, berichtet Olaf Kipp, Geschäftsführer der Ökotec Energiemanagement GmbH. Der erste Schritt, die Transparenz über den Energie- oder Ressourcenverbrauch zu erlangen, ist in den Unternehmen vollzogen. Allerdings kann die reine Darstellung des Verbrauchs irreführend sein, beispielsweise dann, wenn dieser einer geringeren Auslastung geschuldet ist. Daher geht die Veolia-Tochter mit EnEffCo einen Schritt weiter und ersetzt das klassische Energie-Verbrauchs-Controlling durch ein innovatives Energie-Effizienz-Controlling. Aus Zeitgründen werden so identifizierte Umsetzungsmaßnahmen jedoch häufig nicht angegangen. „Hier haben Industriekunden die Möglichkeit, sich das notwendige Know-how für die Umsetzung extern zu besorgen“, empfiehlt Kipp, „denn es geht neben der Nachhaltigkeit vor allem um bares Geld, das sonst Monat für Monat liegen gelassen wird.“
Eine weiter tragende Rolle hinsichtlich der Emissionsoptimierung spielt der Verkehr. Die viel propagierte Elektromobilität kommt zwar schon seit Jahren aus den Mündern der Verantwortlichen, landet jedoch nicht auf unseren Straßen. Dabei ächzen vor allem die Großstädte unter der mit Feinstaub einhergehenden Belastung von Benzinern und Diesel. Bis 2020 sollten, so stellte es sich die Bundesregierung 2011 vor, eine Million E-Fahrzeuge auf deutschen Straßen surren. Zu Jahresbeginn waren es ganze 34 022. Ein Problem ist die fehlende Ladesäuleninfrastruktur, die viele Endkunden vom Kauf abhält. Andererseits rentiert sich auch der Betrieb von Ladesäulen nicht, wenn sie nichts zum Beladen haben. Das Dilemma lösen kann nur eine ernsthafte politische Initiative, wie das Beispiel Amsterdam verdeutlicht. Mit 2 200 Ladesäulen findet man in der mit 850 000 Einwohnern größten Stadt der Niederlande nahezu überall einen Stromzapfhahn. Zusätzlich verschärft die Stadt die Abgasgrenzen für die Innenstadt und richtet Verbotszonen für Fahrzeuge ein, die zu viel emittieren. Car-Sharing-Anbieter für E-Mobilität, die andernorts wegen des Infrastrukturproblems keinen Gewinn erwirtschaften, tummeln sich dort. Neue Entwicklungen für das urbane E-Mobilitätskonzept der Zukunft stecken schon in der Pipeline. So könnten sich die Fahrzeuge eines Anbieters bei Bedarf gegenseitig aufladen. Beim Halten an Ampeln werden die Batterien via Induktion gefüllt. Abgerechnet werden dabei auch Kleinstbeträge unterhalb der Centgrenze, die Blockchain macht es möglich. Bis zum Klimagipfel 2050 übrigens soll der Verkehr überwiegend auf elektrischen Antrieben basieren. Im Land des Abgasskandals ein außerordentlich ambitioniertes Ziel.
von Andreas Fuhrich
a.fuhrich@trendreport.de