Green Economy
Nachhaltigkeit ist das Top-Thema für Innovatoren. TREND REPORT zeigt, wie digitale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit Wettbewerbsvorteile generiert.
Noch viel zu selten wird Nachhaltigkeit als Chance und treibende Kraft für Innovationen bzw. als Ausgangspunkt für dynamische Veränderungen in Unternehmen verstanden. Innovationen sind der Schlüssel für Nachhaltigkeit in der Wirtschaft. Er liegt in Erschließung und Nutzung neuer Technologien, Verfahren und Strategien, durch die die Umwelt entlastet und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit und die Gesellschaft gestärkt werden. Die neue Formel lautet demnach „Sustainability + Innovation = Sustainovation“.
Doch der Begriff Nachhaltigkeit bezieht sich dabei keineswegs nur auf materielle (und damit in der Regel begrenzte) Ressourcen, sondern auch auf immaterielle. Zum Beispiel auf Informationen, die mithilfe der „digitalen Nachhaltigkeit“ einer möglichst großen Gruppe von Nutzern sowie künftigen Generationen zugänglich gemacht werden. Digitale Ressourcen sind Wissen und kulturelle Artefakte digital repräsentiert als Text, Bild, Audio, Video oder Software. Nachhaltige digitale Ressourcen sind gemeinfrei und für alle Einkommensschichten kostenfrei und urheberrechtsfrei zugänglich. Durch freie Lerninhalte (OER) zum Beispiel können Bildung und Wissen digital im Internet vermittelt werden. Die Grundlage für nachhaltige Entwicklung ist Bildung und so wird mit der Open-Content-Philosophie Demokratie erlebbar und realisierbar. MOOC („Massive Open Online Courses“) sind meistens kostenfrei und die Lerninhalte können durch die Community weiterentwickelt werden. Auch die Ihnen gerade vorliegende Ausgabe von TREND REPORT haben wir, was die Inhalte betrifft, mit einer freien Textlizenz ausgestattet. Wir sind so nützlicher für unsere Leser und erreichen zugleich neue Zielgruppen im Internet.
Agenda 2030
Die Vereinten Nationen sehen in der Green Economy einen Schlüsselfaktor, um die letztes Jahr in Paris erarbeiteten Sustainable Development Goals (SDGs) zu erreichen.
Auf einer Ende Mai anberaumten Konferenz in Kenia hat das „United Nations Environment Program“ eine enge Zusammenarbeit mit den Partnern angekündigt, um seine „Agenda 2030“ zu erreichen. Ziel ist: Vollbeschäftigung auf Basis nachhaltiger Technologien.
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Was für immaterielle Güter gilt, gilt natürlich auch für materielle Güter – Stichwort „Sharing Economy“. Ein aktueller Bericht der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf bringt es auf den Punkt: „Durch das Internet ist nun jedoch auch das (a) sehr kurzzeitige und (b) sehr kleinteilige Teilen von Ressourcen deutlich einfacher und lohnenswerter geworden.“ Ob Mainstream oder Nische, die Sharing Economy hat einen festen Platz in unserer Wirtschaftswelt, der ihr nicht mehr zu nehmen ist. „Gerade aufgrund der Digitalisierung ist es beim Teilen unerlässlich, den Menschen eine Möglichkeit für den direkten und persönlichen Austausch zu geben”, erläutert in diesem Kontext Dirk Fehse von der PaulCamper GmbH. Das Unternehmen ist in Deutschland Marktführer für private Wohnmobil-Vermietungen. Das junge Start-up hilft Besitzern, ihr Fahrzeug einfach, sicher und auf persönliche Art und Weise mit anderen zu teilen. Diese bemerkenswerte Entwicklung wird zusätzlich getrieben durch einen Bedeutungsverlust von Eigentum als Statussymbol und die schier unendlichen Möglichkeiten des Internets, die das Zusammentreffen von Anbietern und Nachfragern so leicht wie nie zuvor machen.
Brave New World?
Andere Experten wie der amerikanische Ökonom und Publizist Jeremy Rifkin sprechen gar von einer „dritten industriellen Revolution“, die in der Lage sei, branchenübergreifend tausende neuer Unternehmen sowie Millionen neuer Jobs zu schaffen. Letztendlich werde dies Hierarchien und in der Folge alles verändern, von der Geschäftswelt über die Politik bis hin zur Kindeserziehung. Zu den fünf Säulen, die Rifkin in seinem Buch „Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft“ ausmacht, gehören unter anderem der Wechsel hin zu erneuerbaren Energien, das Nutzen von Internettechnologien für intelligente Stromnetze sowie der Gebrauch von Hydrogen- und anderer Speichertechnologien in jedem Gebäude.
Auch wenn manche Prognosen Rifkins ein bisschen zu sehr nach „schöner, neuer Welt“ klingen, so liegen die Vorteile z. B. von bereits existierenden „Smart Grids“, intelligenten Stromnetzen, zur Gewährleistung einer effizienten und zuverlässigen Energieversorgung, oder von „Smart Meters“, intelligenten Zählern, die eine funktionalere Netz- und Ressourcensteuerung ermöglichen, auf der Hand. Hingegen dürfte die „Smart City“, das Konzept einer effizienteren, technologisch fortschrittlicheren, „grüneren“ und sozial inklusiveren Stadt, immer noch eher Vision als Wirklichkeit sein. Wirklichkeit ist die Abbildung der CO2-Bilanz der Städte, die mit entsprechenden Technologien heute schon möglich ist.
Konfliktmineralien
Wichtige Rohstoffe wie Koltan, Zinn, Tantal oder Gold werden oft in Krisenregionen gewonnen. Die Menschen leiden unter den Abbaubedingungen oder sterben in Konflikten durch damit finanzierte Waffen. In den aktuellen Trilog-Verhandlungen setzt sich das EU-Parlament für eine verbindliche Regelung ein, die Einfuhr dieser „Blutmineralien“ zu verhindern, während Kommission und EU-Mitgliedsstaaten die freiwillige Einhaltung von Vorgaben befürworten.
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„Sustainovation“
Auch anderweitig ist dank entsprechender Technologien einiges im Sinne der „Green Economy“ möglich: So setzt die Ruhrgebietsstadt Bottrop im Rahmen eines Pilotprojekts auf Pflastersteine, die die Luft reinigen. Auf einer Testfläche von 750 Quadratmetern, der durchschnittlichen Größe einer Einfamilienimmobilie, werden „Saubermänner“ eingesetzt, die mehr als einen Kubikmeter Luft pro Stunde reinigen, so dass Sommersmog ausgeschlossen werden kann. Für den reinigenden Effekt sorgt ein Bestandteil der Steine, das Photoment, ein Material auf der Basis von Titandioxid, das mithilfe der UV-Strahlen Stickoxide in Nitrate umwandelt. Unterdessen arbeiten Wissenschaftler am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg an verbesserten Solarzellen, die Wärme oder Infrarotstrahlen in Energie umwandeln, deren Wirkungsgrade weitaus höher sind als die bisher angenommenen 32 Prozent. Durch den Einsatz von integrierten Hochkonvertern in die Zellen wird zusätzlicher Strom erzeugt, was den Wirkungsgrad rechnerisch um zehn Prozentpunkte steigert. Wissenschaftler des MIT in Cambridge, Massachusetts, entwickelten eine Zelle, mit deren Hilfe sich Wärmestrahlen der Sonne einfangen lassen. Grundlage ist u. a. ein sogenannter nanophotonischer Kristall, der mit Nanoröhrchen aus Kohlenstoff angereichert ist.
Doch nicht nur mit zukünftig verfügbaren Technologien generieren nachhaltig ausgerichtete Unternehmen neue Geschäftsmodelle. Die MEP Werke etwa bieten Solaranlagen zur Miete an und ermöglichen so den Zugang zu erneuerbaren Energien. Mit rund 2 000 Mietkunden ist man nicht nur Vorreiter, sondern auch Marktführer auf dem Solaranlagen-Mietmarkt. Solche innovativen Produkte wie das MEP Mietmodell sind einfach und bequem, weil der Kunde sich um nichts kümmern muss, dennoch das Klima schont und einen Beitrag leistet.
Gutes Gewissen, gute Rendite…
Klar ist, entsprechende Technologien, die oft eine mehrjährige Entwicklungsphase durchlaufen, brauchen eine gute Finanzierung. Dabei sind Unternehmen der CleanTech-Branche häufig innovativen Möglichkeiten gegenüber aufgeschlossener als der Gesamtmarkt. Nochmal Konstantin Strasser: „Mit unseren sich in Strukturierung befindlichen ‚Green Bonds‘ ermöglichen wir institutionellen Investoren, sich langfristig an einer grünen Investition zu beteiligen. Die 20-jährigen Mietforderungen passen dabei ideal zum Anlagehorizont von Pensionsfonds, Versicherungen u. Ä., die häufig langfristige Zahlungsverpflichtungen gegenüber ihren Versicherungsnehmern bzw. Anlegern haben.“ Auch das sogenannte Crowdfunding, die Schwarmfinanzierung, erweist sich als eine Möglichkeit, eine solvente und aufgeschlossene Klientel anzusprechen – meist durch das Internet. Die Internetplattform geldzugrün (www.geldzugruen.de) bietet Internetnutzern Investitionen bereits ab 100 Euro in „umweltnahe Projekte“, Renditen zwischen 4,5 und 5,25 Prozent sowie sichere Transaktionen. Und zudem ein gutes Gewissen, weil etwas für die Umwelt getan wird. Ähnlich die Plattform leihdeinerumweltgeld (www.leihdeinerumweltgeld.de), die mit durchschnittlichen Renditen von 5,88 Prozent der Investitionen lockt. Zu den Projekten der Internetplattform zählt etwa der Bürgerenergiepark Eberswalde mit einer Laufzeit von neun Jahren und einer angegebenen Rendite von sieben Prozent. Kein Wunder, dass immer mehr Anleger in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf nachhaltige Geldanlagen vertrauen, wie das Forum Nachhaltige Geldanlagen jüngst berichtet: So erzielen nach Mitteilung des Fachverbandes nachhaltige Geldanlagen in Deutschland einen Höchststand von 137 Milliarden Euro, eine Steigerung um sieben Prozent. Die Wachstumsrate bei ausschließlich nachhaltigen Investmentfonds und Mandaten läge sogar bei 31 Prozent.
Grünes Geld gefragt
Vor allem institutionelle Investoren wie Pensionsfonds, Kirchen oder Stiftungen setzen zunehmend auf nachhaltige Geldanlagen. Aber auch bei Privatanlegern steigt das Interesse. Dies zeigt die aktuelle Jahresstatistik des Fachverbands Forum Nachhaltige Geldanlagen. Demnach ist der Markt Nachhaltiger Geldanlagen 2015 in Deutschland um sieben Prozent auf 136,6 Mrd. Euro angewachsen.
Kapitalanlage Energieeffizienz
Energieeffizienz sei wie eine Kapitalanlage, befindet Sommer, jeder Euro, den man heute spare, könne anderweitig eingesetzt werden. Es ergäbe sich somit ein Zinseszinseffekt. Doch Vorsicht: Eine Maßnahme, die sich in acht Jahren amortisiere, sei eine „hervorragende Geldanlage für einen Mittvierziger, jedoch schon weniger für einen Neunzigjährigen.“ Stichwort Gas: Gas etabliert sich immer mehr als effizienter Energieträger. So ist es nicht verwunderlich, dass auch hier interessante Projekte zu verzeichnen sind – etwa der Bau der größten Windgasanlage Europas in Dänemark: Im norddänischen Hobro wollen mehrere Unternehmen mit dänischer Windkraft auf das Power-to-Gas-Konzept setzen: Der nicht benötigte Windstrom wird mittels eines Elektrolyse-Verfahrens in Wasserstoff und Sauerstoff aufgeteilt, der Wasserstoff wird gelagert und später wieder in Strom umgewandelt. Damit lässt sich überschüssiger Windstrom speichern und es lassen sich Schwankungen in der Netzspannung ausgleichen.
Zertifizierung für nachhaltige Fonds
Von den ca. 400 im deutschsprachigen Raum als nachhaltig vermarkteten Fonds sind aktuell knapp zehn Prozent mit dem FNG-Siegel für nachhaltige Publikumsfonds ausgezeichnet. Sie erfüllen damit den Standard für Nachhaltige Geldanlagen. Besonders anspruchsvolle Nachhaltigkeitsstrategien werden mit bis zu drei Sternen prämiert. Derzeit läuft gerade die Auditierungsrunde für das FNG-Siegel 2017.
Weitere Hintergrundtexte sowie den Marktbericht finden Sie unter trendreport.de/gruenes-geld. Die Liste der Fonds mit FNG-Siegel finden Sie unter fng-siegel.org
Nicht nur Kür, sondern auch Pflicht
Nachhaltigkeit ist aber nicht nur „Kür“, sondern auch „Pflicht“, wie die Vielzahl der Regularien zeigt, vom UK Modern Slavery Act über das US-Konfliktmineraliengesetz und die EU-Chemikalienverordnung REACH, die chinesische CAMDS-Informationspflicht für den Automobilmarkt bis hin zur Ausweitung der europäischen RoHS-Richtlinie bezüglich neuer gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten. Dennoch sieht Jörg Walden, Geschäftsführer der iPoint-systems GmbH aus Reutlingen, vor allem Vorteile für nachhaltig arbeitende Unternehmen: „Sie sind nicht nur in der Umsetzung der Regeln schneller und effizienter,“, so Walden, „sondern haben auch eine deutlich bessere Ausgangssituation in der Gestaltung und Umsetzung von neuen Geschäftsmodellen und Partnerschaften, die wiederum ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen.“ Eine Jury der Top 100 zeichnete den offenen Innovationsansatz des IT-Unternehmens, die „Agile Sustainable Open Innovation“ (ASOP), besonders aus.
Viele Wege führen zur „Green Economy“: Es wird spannend sein, die weiteren Innovationen, die Verknüpfungen zwischen ihnen und die gesellschaftlichen Veränderungen, die sich damit ergeben, zu verfolgen.
Von Dr. Ralf Magagnoli
r.magagnoli@trendreport.de
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