Digitale Transformation

Mit neuen Geschäftsmodellen Herausforderungen begegnen

Der erste „Moon­shot“ ist durch eine Rede von John F. Kennedy initiiert worden: „Wir wollen uns der Aufgabe stellen, in diesem Jahrzehnt zum Mond zu fliegen und die anderen Dinge zu tun, nicht weil sie leicht sind, sondern weil sie schwer sind.“ Angetrieben durch seine Vision wurden neue Unternehmen gegründet, Innovationen freigesetzt und neue Kooperationen geschlossen.

Genau aus diesem Prinzip entspringt das „Moonshot Thinking“. „Es ist eine Methode, die Führungskräfte dabei unterstützt, sich in interdisziplinären Teams großen Herausforderungen zu stellen und neue Visionen zu konzipieren, die begeistern und den Kompass für Innovationen generieren“, berichtet der Futurist Harald Neidhardt. Er ist Herausgeber des Fachbuchs „Moonshots for Europe“, das die Mission des Futur / io Institutes beschreibt. Ein motivierender Denk­ansatz für KMU und mittelständische Unternehmen im Hinblick auf neue Geschäftsmodelle und die digitale Transformation.

„Die Digitalisierung hat unsere Welt nachhaltig verändert und stellt neue Bildungsanforderungen.“

Prof. Dr. Ronny Fürst von der AKAD University

Um die Herausforderungen zu meistern, ist wie immer die digitale Bildung das ausschlaggebende Moment. Die Digitalisierung hat unsere Welt nachhaltig verändert und stellt neue Bildungsanforderungen. Digitale Kom­petenz verbindet Wissen und Können, um neue durch die Digitalisierung beeinflusste und entstehende Probleme erfolgreich zu lösen. „Da der Mensch zum Schlüsselfaktor der digitalen Transformation wird, erhält auch die digitale Bildung einen zentralen Stellenwert.

Deutschlands Bildungspolitik hat diese Ausrichtung in der Vergangenheit vernachlässigt und nun extremen und akuten Nachholbedarf“, erklärte uns Prof. Dr. Fürst von der AKAD University im persönlichen Gespräch. Ohne Bürger und Mitarbeiter mit einer ausreichenden digitalen Allgemeinbildung lässt sich die digitale Transformation nicht erfolgreich gestalten. „Eine geringe digitale Allgemeinbildung der Mehrheiten wird auch zur Handbremse bei der Nutzung neuer Technologien wie zum Beispiel der der künstlichen Intelligenz“, fügt Prof. Dr. Fürst noch hinzu. Außerdem wird die Lücke zwischen vorhandenen und erforderlichen digitalen Basis-, Führungs- und Fachkompetenzen eher größer statt kleiner. So kann sich die Unternehmensführung in der strategischen Personalentwicklung nicht mehr allein auf die Schulen und Hochschulen verlassen, sondern muss jetzt aktiv und parallel Verantwortung für die Weiterbildung „on the job“ der aktuellen Belegschaft übernehmen.

Den KMU, die bereits ihren digitalen Reifegrad erhöht haben, fällt es zunehmend leichter, innovative Tools wie zum Beispiel Low-Code-Plattformen zum Einsatz zu bringen. Selfservice ist angesagter denn je. Der Begriff Low-Code-Plattform beschreibt eine Entwicklungsumgebung für Software, die den Entwicklungsprozess unter Verwendung visueller Applikationsdesigner und anderer grafischer Modellierungsmethoden ermöglicht, anstatt sie mithilfe klassischer textbasierter Programmiertechniken herzustellen. Mit der Technologie werden Unternehmen in die Lage versetzt, auch ohne Programmiersprachen und -kenntnisse Applikationen zu entwerfen und an die eigenen Bedürfnisse anzupassen.

Der digitale Reifegrad

„Digitale Champions“ als Ziel-Profil haben sowohl einen hohen Reifegrad in Digital Leadership als auch bei der Digital Readiness. (Quelle: AKAD University, Prof. Dr. Ronny Alexander Fürst)

Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels können Wettbewerbsvorteile generiert werden. „Unsere Studie zu Low-Code-Development zeigt, dass es so gut wie keine Wirtschaftsbereiche gibt, die nicht von Low Code profitieren können. 150 Business- und IT-Entscheider wurden befragt, wie sie sich die Zukunft ihrer Unternehmensprozesse vorstellen. Die ganz große Mehrheit hat erkannt, dass die Vorteile von Low Code nicht von der Hand zu weisen sind“, gab uns Katrin Beuthner, Geschäftsführerin von United Planet im Gespräch zu bedenken. Ein großes Plus von Low Code ist zudem die Möglichkeit, flexibel auf neue Anforderungen zu reagieren und Bestehendes unkompliziert anzupassen. „So bietet Low Code die Möglichkeit, die Digitalisierung selbst in die Hand zu nehmen und Lösungen im eigenen Haus zu finden, anstatt auf Outsourcing zu setzen und damit die Kontrolle abzugeben“, betont Katrin Beuthner im Hintergrundgespräch mit unserer Redaktion.

Power von Start-ups nutzen

Um die digitale Transformation in den Griff zu bekommen, sollten etablierte Unternehmen die Power und damit Innovationskraft von Start-ups nutzen. Voraussetzung dafür ist eine Unternehmens- und Innovationskultur des Vertrauens und der Offenheit. Open Innovation oder Open Management sind Begriffe, die in diesem Kontext oft zu hören sind. Es gilt also, neue Geschäftsmodelle zu entdecken, umzusetzen und zu monetarisieren. Um neue Geschäftsmodelle zu generieren, stehen z. B. Company Builder als Dienstleister zur Verfügung. Diese kooperieren mit etablierten Unternehmen, um sie mit maßgeschneiderten neuen Firmenmodellen fit für den digitalen Wandel zu machen. Als etablierte Alternative zum Company Builder stehen auch noch Innovation Hubs, Accelerators und Venture Capitalists zur Verfügung. Das Ziel der genannten Institutionen ist, schneller, systematischer und mit höherer Erfolgschance zu innovieren – von der Ideenentwicklung bis zur Kapitalisierung. Doch der Markt und die Angebote ändern sich schnell. Um eine ordentliche Übersicht zu bekommen, sollten die richtigen Berater hinzugezogen werden.

Katrin Beuthner verdeutlicht die entscheidenden Vorteile
von Low-Code-Plattformen
im Zeitalter der Digitalisierung!
Agilität: In Zukunft Low-Code-Plattformen
Thomas Kahabka und Holger Schlaps erläutern,
wie sich KI-Lösungen effizient in den
Unternehmens­alltag integrieren lassen.
Erfolgreich zur KI

Werkzeuge für den Menschen

Die neuen Technologien rund um Machine Learning (ML) und Deep Learning, also um künstliche Intelligenz (KI), bieten zudem neue Möglichkeiten als Basis für neue Geschäftsmodelle. Die vergangenen Jahre haben enorme Invest­itionen in die KI-Funktionen der Cloud­plattformen mit sich gebracht. Zu den Cloud-ML-Plattformen gehören zum Beispiel Azure Machine Learning, AWS Machine Learning oder Google Machine Learning. Mit diesen Anbietern können Unternehmen ein „Machine Learning Model“ mithilfe proprietärer Tech­­nologien nutzen. Auch mit bekannten Frameworks wie Tensor Flow oder PyTorch können Data Scien­tists ihre ML-Modelle eigentlich recht einfach erstellen und trainieren. Für den produktiven Betrieb oder die Weiterverwendung mit anderen Anwendungen kommen aber Probleme auf die Data Scientists zu.

Helfen wird hier das neue quelloffene ONNX-For­mat (Open Neural Network Exchange). Das herstellerunabhängige Standardaustauschformat für Machine-Learning-Modelle betreut unter anderem die Linux Foundation. Ziel ist es, binnen kurzer Zeit einen Standard zum Austausch von ML-Modellen zu etablieren. Aber wie nähert man sich nun dem Thema KI für das eigene Unternehmen? „Für Unternehmen ist es relevant, zu hinterfragen, was mit KI erreicht werden soll. Gerade auch unter Berücksichtigung unseres aktuellen Zeitalters der schwachen KI. Denn grundsätzlich sind die neuen Technologien Werkzeuge für Menschen. Das Bild, dass die KI den Menschen ersetzt, sehen wir nicht“, erklärte uns dazu Thomas Kahabka, Geschäftsführer der Sulzer GmbH.

„Weniger ist anfangs mehr. Mit kleinen Projekten können erste Lernerfahrungen gesammelt werden. Unterstützt wird dies im Unternehmen durch eine agile Ausrichtung. Dies fördert die Lern­be­reit­schaft und befähigt jeden Mitarbeiter, sich selbst weiterzuentwickeln, auch im Hinblick auf ein KI-Grundverständnis“, fügt Thomas Kahab­ka im Gespräch mit der Redaktion noch hinzu. Auch die IoT-Technologien bringen neue Geschäftsmodelle hervor. Am Beispiel von Predictive-Maintenance-Lösungen kann das gut nachvollzogen werden. Viele Unternehmen erkennen noch nicht das Potenzial von IoT – und verzichten damit auf neue Einnahmequellen. Wer zu seinen Produkten keinen digitalen Service anbietet, sollte schleunigst umdenken. Ein physisches „Ding“ wird mit einigen IT-Elementen wie Sensoren, Aktoren und Internetverbindungen oder cloud­­basierter Datenanalyse so verschmolzen, dass daraus neue Business-Ideen entstehen und Neugeschäft generiert wird.

„Die Überwachung der Betriebsmittel einer Anlage auf Grundlage einer vollständigen digitalen Erfassung der Produktion, das sogenannte Plant Asset Management, ist Grundlage der Smart Factory“.

Christian Sallach von Wago

So viel steht fest: Digitalisierung, Industrie 4.0 und das Internet der Dinge werden die Produktionsprozesse weltweit nachhaltig verändern. „So lassen sich zum Beispiel Wartung und Instandhaltung von Anlagen mithilfe von künstlicher Intelligenz optimieren. Die Überwachung der Betriebsmittel einer Anlage auf Grundlage einer vollständigen digitalen Erfassung der Produktion, das sogenannte ‚Plant Asset Ma­nagement‘, ist Grundlage der Smart Factory“, erklärte uns Christian Sallach, Chief Digital Officer bei Wago Kontakttechnik.

Das Unternehmen hat zum Beispiel eine IoT-Box entwickelt, die als Basis im Kontext einer vernetzten Produktion zum Einsatz kommen kann. „Daten werden gesammelt, erfasst, visualisiert und ausgewertet. Die komplett vorgefertigte Lösung lässt sich mit minimalem Aufwand nachträglich ohne Produktionsstopp an bestehende Maschinen und Anlagen andocken. Dank der offenen Automatisierungstechnik ist die IoT-Box universell einsetzbar und optimal geeignet, um unter anderem Ströme, Spannungen, Produktionszyklen und Anlagenzustände zu erfassen“, betonte Christian Sallach in diesem Kontext.

Warum das EaaS-Vertriebsmodell für Unternehmen
eine Wunderwaffe für die digitale Zukunft ist,
erläutert Josef Brunner im Interview.
Wunderwaffe für die digitale Zukunft
Digitale Transformation nicht ohne IT-Sicherheit;
Thomas Brandstaetter
erläutert zeitgemäße Kryptokonzepte
Zeitgemäße Kryptokonzepte

EaaS-Modelle einsetzen

Eine zeitgemäße Antwort für die di­gitale Zukunft von Industrie und Produktion sind EaaS-Modelle. „Equip­ment as a Service“ (EaaS) bietet die Mög­lichkeit, moderne Produktionsanlagen und Hardware kostengünstig und nur bei Bedarf zu mieten. Oft ist eine eigene Anschaffung nicht notwendig. Die Abrechnung erfolgt entweder auf Nutzungsbasis (Pay per Use) oder auf Basis von Ergebnissen (Pay per Outcome).

„Für den Endkunden, den Nut­zer, hat dieses Konzept einige extrem vielversprechende Elemente. Zuerst gibt es keine langfristige Verbindlichkeit, die auf den Bilanzen berücksichtig werden muss (das ist ein großer Unterschied zu Leasing). Zum Zweiten orientiert sich die Bezahlung über ein Pay-per-Use-Modell an der eigenen Auslastung. Somit ist auch der Cashflow positiv und der Hersteller trägt das Risiko. Auslastungsspitzen und -täler haben somit keinen direkten oder indirekten Cashflow-Nachteil“, betonte Josef Brunner, CEO bei relayr.

Brunner fügt noch hinzu: „Da wir oftmals als Finanzierungspartner auftreten und unsere Kostenstruktur an den Erfolg des Projektes gekoppelt ist, sind wir hier wahre Partner und sitzen sprichwörtlich mit unseren Kunden im selben Boot.“ Viele Herausforderungen müssen jedoch noch im Kontext der IT-Sicherheit gemeistert werden und so bringt die Digitalisierung dennoch viele Gefahren mit sich. Alle Geräte im IoT und im IIoT bleiben weiterhin ein wichtiges Angriffsziel von Cyberkriminellen. Dabei steigt die Zahl schädlicher Bots immer mehr an. Thingbots zum Beispiel sind Schadprogramme, die Hacker nutzen, um IoT-Geräte zu übernehmen und in ihre eigenen Botnetze einzubauen. Durch die neuen Technologien rund um die künstliche Intelligenz sind weiter Gefahrenpotenziale vorprogrammiert.

Der Cybersecurity-Experte Thomas Brand­t­staetter erklärte uns abschließend dazu: „Im Bereich Cyberkriminalität werden KI-Technologien zur Entwicklung intelligenterer Schadsoftware angewendet, um polymorphe Viren zu erstellen, bei denen sich während der Laufzeit sowohl Code als auch An­griffs­­verhalten dynamisch verändern können. Bisherige Sicherheitsmaßnahmen sind in diesem Fall nicht mehr wirksam. Als Gegenmaßnahme werden KI-Technologien zur Prävention und Verteidigung auch an der Front der Security Operation Center eingesetzt.“

Bernhard Haselbauer