Keine digitale Transformation ohne (Weiter-)Bildung

Prof. Dr. Volker Gruhn, Vorstandsvorsitzender der adesso AG, erläutert im Gespräch mit der TREND-REPORT-Redaktion, wie es gelingen kann, mit der digitalen Transformation Schritt zu halten. Der Schlüssel liegt für ihn in den Mitarbeitern und in der Weiterbildung.

Prof. Dr. Volker Gruhn

Wie erlebt ein IT-Unternehmen wie adesso selbst die Digitale Transformation?
Seit ein paar Jahren beobachten wir einen ungeahnten Siegeszug der Informationstechnologie. Quer durch alle Branchen, Unternehmen und Abteilungen verstehen die Verantwortlichen IT-Themen nicht mehr nur als Hilfsmittel, die die Arbeit erleichtern oder Prozesse beschleunigen. Immer häufiger sind Daten und darauf aufbauende Anwendungen die eigentliche Grundlage für die Geschäftsmodelle unserer Kunden. Dieser Bedeutungswandel der IT – raus aus dem Keller und ran in die Schaltstellen im Unternehmen – ist für uns eine der spannendsten Entwicklungen rund um die Digitale Transformation.
Neue Technologien spielen nicht nur in den Prozessen unserer Kunden eine Rolle. Auch wir als IT-Dienstleister prüfen ständig, welche Auswirkungen der Fortschritt auf unsere Abläufe oder Angebote hat. Jüngstes Beispiel ist die zunehmende Bedeutung von Anwendungen, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) beruhen. Wir erkannten schnell, dass wir KI-Anwendungen anders entwickeln müssen als klassische IT-Systeme. Die vorhandenen Daten spielen eine andere Rolle, es ist anderes Fachwissen gefragt. Nicht zuletzt gibt es bei diesen Projekten zu Beginn die Unsicherheit, inwieweit der Einsatz von KI-Technologien überhaupt zum gewünschten Ergebnis führt. Um diesen Besonderheiten gerecht zu werden, haben wir ein speziell auf KI-Projekte angepasstes Vorgehensmodell entwickelt, das sogenannte Building AI-based Systems. 

Spürbar beschleunigt sich dabei das Tempo der unterschiedlichen Technologien. Wie gelingt es Ihnen, Schritt zu halten?
In unserem Claim „business. people. technology.“ steckt die Antwort auf diese Frage. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind der Schlüssel. Wir alle entwickeln mit großer Leidenschaft Software. Wer sich mit diesem Thema beschäftigt, weiß, wie wichtig aktuelles Wissen ist – für jeden Einzelnen, aber auch in Summe für uns als Unternehmen. Einerseits holen wir gezielt neue adessi an Bord, die mit ihren Qualifikationen und Erfahrungen die Palette unseres Know-hows erweitern. Andererseits bieten wir den vorhandenen Kolleginnen und Kollegen Möglichkeiten an, sich fit zu machen. Alleine unser Schulungskatalog 2019 umfasst über 120 Angebote. Wir haben rege Online-Gruppen zu unterschiedlichen Themen, regelmäßig treffen sich die Expertinnen und Experten zum Austausch. Alles in allem setzen wir auf eine Kultur der Neugier: Wir schaffen die Rahmenbedingungen, innerhalb derer jeder und jede sich so entwickeln kann, wie es den eigenen Interessen und Anforderungen aus dem Job entspricht.

Mal eine politische Frage: Wie müsste ein staatliches Bildungssystem eigentlich aussehen, damit der Standort Deutschland in Zukunft den Anschluss behalten kann?
Was uns vorschwebt, ist so etwas wie ein „Digitales Bauhaus“. Eine Universität, an der alle Disziplinen, die wir für die Digitale Transformation brauchen, im wahrsten Sinne des Wortes zusammenarbeiten. Da beschäftigen sich die Studierenden mit Themen wie Maschinellen Lernen, Softwaretechnologie, Gestaltung oder Usability Engineering. Und das an konkreten Werkstücken, sprich Softwareprojekten.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass uns so etwas in den etablierten Studiengängen schwerfällt. Da sind Anpassungen des Lehrplans ein zäher Prozess. 100 Jahre nach Gründung des Bauhauses ist es an der Zeit für eine Revitalisierung dieser bahnbrechenden Ideen – und war im Kontext der Digitalen Transformation.

Mit Ihnen gibt es in Ihrem Haus einen Lehrstuhlinhaber. Hat das die Ausrichtung Ihres Unternehmens im Hinblick auf Bildung und Weiterbildung verändert?
Dank meines Lehrstuhls an der Universität Duisburg-Essen – und natürlich auch über unsere Kontakte zu anderen Professorinnen und Professoren – habe ich ein ganz gutes Bild davon, wie Softwareentwicklung aktuell gelehrt wird. Auf der anderen Seite haben wir bei adesso eine genaue Vorstellung davon, welche Fertigkeiten in IT-Projekten gefragt sind. Es gibt immer wieder Themen, bei denen die Schere zwischen Wirtschaft und Wissenschaft auseinander geht. Auch hier kann Künstliche Intelligenz als Beispiel dienen: Jahrzehntelang spielten KI-Technologien in der Ausbildung kaum eine Rolle. Seit einiger Zeit steht das Thema oben auf den Agenden der Unternehmensentscheider. An den Universitäten werden Lehrstühle geschaffen und Lehrpläne angepasst. Aber es dauert einfach, bis die neuen KI-Fachleute auf dem Arbeitsmarkt sind. Lücken wie diese schließen wir gezielt durch eigene Fortbildungsmaßnahmen, eigene Ausbildungsprogramme, beispielsweise zum Software Architect oder Certified IT-Consultant oder eigenen Netzwerken.
Und das gilt nicht nur für technisches Fachwissen. Erfahrung im Projektmanagement oder sogenannte Soft Skills sind für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entscheidend für den erfolgreichen Start. Gleichzeitig sind das Themen, auf denen in der universitären Ausbildung häufig kein Fokus liegt. Auch hier steuern wir mit eigenen Maßnahmen und Angeboten gegen.

Wie fördern Sie die Fachkräfte von morgen?
Für uns sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die wichtigste Ressource. Deshalb investieren wir viel in Nachwuchsförderung und Weiterbildung. Das fängt bei den Kleinsten an, mit dem Angebot von Workshops für Schülerinnen und Schüler oder der Teilnahme an Girls‘ und Boys‘ Days. Und es geht mit der engen Zusammenarbeit mit Hochschulen und beruflichen Bildungseinrichtungen weiter.
Wir bieten zum Beispiel ein Trainee-Programm an, das Bachelor-Absolventen von Informatikstudiengängen die Möglichkeit gibt, innerhalb von zwölf Monaten zu Technologieexperten, beispielsweise in Bereichen wie Java, Microsoft, Digital Design oder Salesforce, ausgebildet zu werden. Besonderes Augenmerk legen wir bei den Ausbildungsberufen auf das duale Studium, das die akademische Bildung eng mit der betrieblichen Praxis verzahnt. Durch die direkte Einbindung in ein Unternehmen wird eine zielgerichtete Qualifikation gefördert, die häufig dazu führt, dass die Studierenden nach Abschluss direkt in eine Festanstellung bei uns wechseln.
Darüber hinaus liegt uns natürlich auch die zielgerichtete Förderung von Talenten und erfahrenen Mitarbeitenden am Herzen. Wir führen diverse interne Ausbildungsreihen, Zertifizierungsmaßnahmen und Programme durch, um unsere Experten auf fachlicher Ebene oder im Bereich Führung weiterzubilden.
Ein Thema, das uns aktuell unter den Nägeln brennt, ist die Förderung von weiblichen IT-Fachkräften. Momentan sind rund 16 Prozent aller Software Engineers und IT-Consultants bei adesso weiblich. Auch wenn diese Zahl nahezu dem Frauenanteil bei den IT-Fachkräften in Deutschland entspricht – laut BITKOM sind es 17 Prozent – möchten wir diesen Anteil zukünftig kontinuierlich erhöhen und verstärkt Frauen auch in Führungspositionen bringen. Deshalb entwickeln wir zurzeit mit „She for IT“ ein Maßnahmenprogramm, mit dem wir gezielt Frauen adressieren. Die geplanten Aktionen reichen von Schulpatenschaften und direkter Zielgruppenkommunikation an Universitäten und auf Messen über firmeninterne Mentorinnen-Programme und Frauennetzwerke bis hin zu familienfreundlichen Einzelmaßnahmen. Dazu gehört unter anderem das Angebot von Eltern-Kind-Büros an den adesso-Standorten oder der Anspruch auf „Regio-Teilzeit“.

Weitere Informationen unter:
www.adesso.de