Vernetzte Mobilität
Für die Mobilität der Zukunft benötigen wir Kundenzentrierung und müssen in vernetzten, zusammenhängenden Mobilitätssystemen denken.
Unter Mobilität wird schon lange nicht mehr die reine Bewegung von Menschen und Gütern von A nach B verstanden. Die Nutzer können mittlerweile aus einer Vielzahl von „Geräten“ und Services zur Erfüllung ihres Bewegungsdrangs wählen. Dabei legen sie immer mehr Wert auf nachhaltige Mobilitätskonzepte, die einen Mehrwert bringen und dabei möglichst auch noch umweltfreundlich sind.
Ein wichtiger Aspekt des neuen, nachhaltigen Mobilitätsgedankens ist die Vernetzung. Und dies meint nicht zwangsläufig nur die Kommunikationsnetze. Notwendig ist beispielsweise auch ein flächendeckendes Netz an Stromtankstellen, soll die Elektromobilität endlich zum Erfolgsmodell werden. Oder Wasserstoff-Tankstellen für Brennstoffzellenautos.
„Ohne Vernetzung bleibt die Mobilität auf der Strecke“, heißt daher aus gutem Grund auch eine der zentralen Aussagen der Zukunftsstudie „Mobilität.Erfüllung.System. Zur Zukunft der Mobilität 2025+“ des Münchner Kreises. Für sie wurde ein vernetztes „Mobilitätserfüllungssystem“ untersucht, um aufzuzeigen, „wie wir den zukünftigen Bedarf an Mobilität erfüllen können“. Hiernach werden „die größten Anforderungen an die Mobilität der Zukunft die Kundenzentrierung sowie die Notwendigkeit, in einem vernetzten, zusammenhängenden Mobilitätssystem zu denken“, sein. Zusatznutzen werden künftig die Wahl des Transportmittels stark beeinflussen.
Zuerst werden die großen Städte die Herausforderungen merken. Schon heute stellen Umweltverschmutzung, Abgase und Staus die Stadtoberen vor Probleme. Wie gut deutsche Städte auf die digitale Mobilität vorbereitet sind, untersuchte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zusammen mit PricewaterhouseCoopers (PwC) für eine Verkehrsstudie in den 25 größten Städten Deutschlands. Sie stellten fest, dass aktuell eher Automobilkonzerne, IT-Unternehmen oder neue Mobilitätsdienstleister die treibenden Akteure sind. Die Städte selbst sind bisher noch nicht gestaltend aktiv, obgleich sie die Bedeutung autonomer Fahrzeuge für die Stadtentwicklung erkannt haben („Autonomes Fahren kann einen wichtigen Beitrag für den ÖPNV und die Entsorgungswirtschaft leisten.“) und es auch schon überzeugende Best Practices gibt. Die Wissenschaftler empfehlen, dass der ÖPNV bei der Lösung der anstehenden Aufgaben eine führende Rolle übernimmt, indem er z. B. Echtzeitdaten nutzt und andere Anbieter z. B. mit Mietfahrrädern oder auch -autos für eine gute Tür-zu-Tür-Mobilität einbindet. Neben dieser Studie begleitet das DLR die digitale Mobilität mit diversen Pilotprojekten. Dazu gehören z. B. der Test der Kommunikation zwischen einem automatisierten Fahrzeug und der Ampel an einer Kreuzung. Oder der sinnvolle Einsatz des Carsharings und von Elektrofahrzeugen, insbesondere in Fuhrparkflotten.
Mit Worten wie „Nutzen statt besitzen“, „Pay per Use“ und „On-Demand-Mobilität“ charakterisiert Claus Grunow, Leiter Markt-, Geschäfts- und Produktentwicklung bei Deutsche Bahn Connect, die Vorstellung seines Unternehmens von der digitalen vernetzten Mobilität der Zukunft. „In einigen Jahren wird die heutige Trennung zwischen Fleet- und Travel-Management nach unserer Überzeugung nicht mehr existieren“, so Grunow. Nicht mehr die Fahrzeuge, sondern die gesamthafte Mobilität der Mitarbeiter im Unternehmen werde dann in den Fokus rücken. „Der Fuhrparkmanager wird dann – quasi als Mobilitätsmanager – ein clever vernetztes Mobilitätsportfolio verwalten und steuern, zu dem neben intelligenten Fuhrparklösungen auch innovative Lösungen wie das Corporate Carsharing und Corporate Bikesharing sowie Bahnreisen gehören, auf die die Mitarbeiter je nach Bedarf zugreifen können“, erklärt er. Zusätzlich mache der Pay-per-Use-Ansatz dienstliche Mobilitätskosten transparent und biete durch die Vernetzung mit dem bundesweit verfügbaren Flinkster-Netzwerk größtmögliche Flexibilität. „Für Verbraucher wird Mobilität bald als Ganzes verfügbar sein“, ist sich Grunow sicher. Verschiedene Verkehrsmittel lassen sich dann über einen einzigen Zugang auswählen und buchen. On-Demand-Mobilität eben.
Diese Entwicklung wird aber nicht spurlos an der Automobilbranche vorbeigehen. Digitalisierung und das Connected Car werden laut der „Connected Car Studie 2016“ von Kienbaum gravierende Auswirkungen haben. „Das Produkt Automobil hat sich in Richtung Elektronik und Softwareanwendung gewandelt“, so ein Fazit der Studie. Die neuen Herausforderer kommen aus dem Silicon Valley und heißen z. B. Apple und Google, das gerade kürzlich eine Partnerschaft mit Volvo einging, um die Kommunikation zwischen Fahrer und Fahrzeug auf Basis des Google-Betriebssystems zu revolutionieren.
Toyota hingegen setzt sein Vertrauen in ein Betriebssystem, das auf einem gemeinsam von Autoherstellern, Zulieferern und Softwarefirmen entwickelten Linux-Code beruht. 2011 wurde die „Automotive Grade Linux “(AGL) genannte Initiative, die mittlerweile 98 Mitglieder zählt, ins Leben gerufen. Ab diesem Sommer will der Autobauer nun in den USA dieses Betriebssystem zum ersten Mal in der Mittelklasse-Limousine Camry einsetzen. Auch Europa und damit Deutschland will man noch dieses Jahr stärker in den Fokus rücken. Von AGL erhofft sich nicht nur Toyota, Kosten sowie Entwicklungszeiten drastisch senken zu können, denn der Linux-Code deckt 70 % des Betriebssystems eines Autos ab. Zudem verspricht man sich über AGL den direkten Zugang zu den Fahrdaten der Nutzer.
Ein Bericht über vernetzte, digitale Mobilität wäre nicht vollständig, würde man nicht auch noch einen Schwenk zu den Drohnen vollziehen. Seit sie nicht mehr nur militärischen Einsätzen vorbehalten sind, starten sie kommerziell durch. Das bestätigt auch das in Hongkong gegründete Unternehmen Yuneec. Seine Schwerpunkte im kommerziellen Bereich liegen auf Sicherheitstechnik, Inspektion, Agrarwirtschaft sowie Vermessung/Kartografie. Beispielhaft in Deutschland ist seine enge Zusammenarbeit mit Feuerwehren und der DLRG bei Lösch- oder Search-and-rescue-Einsätzen, um sich mithilfe der Drohnen einen besseren Überblick über die Umgebung und die Gefahrenlage zu verschaffen.
Digitalisierung, Wertewandel und Urbanisierung bedingen neue, nachhaltige Verkehrskonzepte. Um nicht auf der Strecke zu bleiben, muss eine rasche Wende hin zu vernetzter und agiler Mobilität vollführt werden. Neben dem Vordenken der Konzepte und Strategien müssen diese auch in Pilotprojekten ausprobiert, systematisch analysiert und praxistauglich gemacht werden, wie DLR-Mitarbeiter Fabian Edel in seinem Blog schreibt. Sei es durch den Bau von Prototypen, die Partizipation von Nutzern oder durch vorausschauendes Technologiemanagement. Und das sollte lieber heute als morgen passieren.
von Brigitte Kasper
b.kasper@trendreport.de