Zukunft des Computer Aided Engineering
eCl@ss 11.0: Neue Version formt die Zukunft des Computer Aided Engineering
Offene Produktdatenstandards sind Voraussetzung, damit Industrie 4.0 in die Realität umgesetzt werden kann. Insbesondere der eCl@ss-Standard hat sich in den letzten Jahren etabliert. Mit der nun veröffentlichten Version 11.0 hat er seine bislang größte Weiterentwicklung erfahren. Doch welche Neuerungen gibt es und welche Vorteile bieten sie konkret für das Computer Aided Engineering (CAE)?
Die Weiterentwicklung von eCl@ss ist ein kontinuierlicher Prozess. Jährlich wird eine neue Version des Standards veröffentlicht. Die neue Version 11.0 stellt insofern eine Besonderheit dar, als dass sie die umfangreichsten Neuerungen seit dem Launch der ersten Version beinhaltet.
Vor allem an zwei Beispielen wird deutlich, warum eCl@ss 11.0 weitreichende Vorteile für das CAE bietet: Die Möglichkeit zur funktionalen Beschreibung von Produkten sowie die hinzugekommenen Engineering-Daten für Schutzparameter. Beide Neuerungen entlasten Konstrukteure bei der Planung von Schaltanlagen. Wie sie sich im Einzelnen darstellen und wie Anwender hiervon profitieren können, ist im Folgenden beschrieben.
Unser Autor
Stefan Mülhens ist Mitgründer und Geschäftsführer des Softwareherstellers AmpereSoft aus Bonn. Das Unternehmen wurde 2007 gegründet und ist auf die Entwicklung von Engineering-Tools und die Pflege von Stammdaten spezialisiert. Zuvor war Mülhens als Software-Architekt und IT-Projektleiter tätig. Neben seiner Tätigkeit bei AmpereSoft unterstützt er aktiv Weiterentwicklung und Verbreitung von Standards für Produktdaten (eCl@ss Advanced) und Engineering-Daten (AutomationML).
Reduzierter Aufwand: Schutzparameter mit eCl@ss beschreiben
Die Beschreibung der Schutzparameter gehört zu den unverzichtbaren Informationen, wenn die Netzberechnung einer Schaltanlage durchzuführen ist, und um den Netzschutz durch Selektivität zu gewährleisten.
Zur softwaregestützten Netzberechnung etwa sind zahlreiche feingranulare technische Informationen in digitaler Form nötig. Diese zu recherchieren und für die entsprechenden Tools aufzubereiten, bedeutet einen enormen manuellen Aufwand – erst recht, wenn die Daten ursprünglich aus Katalogen oder anderen Unterlagen stammen und zunächst digitalisiert werden müssen. Eine Automatisierung der Prozesse ist auf diese Weise nicht möglich.
Engineering-Daten sind äußerst vielfältig und komplex. Sie standardisiert zu beschreiben, ist eine große Herausforderung. Denn: Die Daten variieren aufgrund von technischen Abhängigkeiten oder ergeben sich aus normativen Anforderungen von Typenprüfberichten. Ihre Darstellung erfolgt in der Regel als Graphen, weshalb sie nicht in einer flachen Merkmalsstruktur beschrieben werden können und von den Produktherstellern bislang individuell bereitgestellt werden.
Abbildung von mehrdimensionalen Datenstrukturen
Mithilfe von eCl@ss können Schutzparameter nun spezifisch und detailliert beschrieben werden – und zwar sprachneutral, maschinenlesbar, branchenunabhängig und eindeutig. Die dynamische Abbildbarkeit von mehrdimensionalen Datenstrukturen ist ein Alleinstellungsmerkmal des Produktdatenstandards. Dazu werden Strukturelemente wie Block, Aspekt, Kardinalität und Polymorphismus zur Unterteilung von Informationen verwendet.
Im Block werden zusammengehörige Merkmale unter einem bestimmten Namen gesammelt. Die Merkmale in Blöcke einzuteilen, dient der besseren Übersichtlichkeit. Würden sie auf einer einzigen Ebene aufgelistet, würde dies eine lange, aus Merkmalen bestehende, Kette ergeben, die gar noch wächst, sobald neue Merkmale hinzugefügt würden. Außerdem können Blöcke an verschiedenen Stellen wiederverwendet werden. Um einen Block zu erstellen, müssen Anwender ein sogenanntes Referenzmerkmal bilden.
Aspekt, Kardinalität und Polymorphismus
Unter einem Aspekt versteht man die Sammlung von thematisch zusammengehörigen Merkmalen und Blöcken. Ein Beispiel hierfür ist der Aspekt „CAx Anschlüsse und Funktionen“, in dem detaillierte Informationen wie Art, Position und verwendbare Leiterquerschnitte beschrieben sind, sowie die Funktionen eines Produkts, um eine möglichst schnelle Verwendung im Engineering und eine automatisierte Fertigung zu ermöglichen.
Die einzelnen Blöcke können je nach Bedarf vervielfacht werden. Diese weitere Möglichkeit, die Merkmale einer Klasse zu ordnen, nennt man Kardinalität. Angenommen, eine Produktionsstraße ist mit sechs identischen Greifarmen bestückt, deren Merkmale in einem Block zusammengefasst sind. In diesem Fall reicht es aus, das Referenzmerkmal „Anzahl der Greifarme“ auf „6“ zu stellen: Der entsprechende Block würde in diesem Fall sechsmal aufgerufen.
Polymorphismus – die „Mehrgestaltigkeit“ – bietet in eCl@ss die Möglichkeit, zur Beschreibung unterschiedliche Blöcke anzuwenden und das in Abhängigkeit von einem speziellen Merkmalswert. So werden zum Beispiel für Anschlüsse in elektrischer, pneumatischer oder optischer Ausführung jeweils spezifisch zusammengestellte Merkmale (Blöcke) verwendet.
Funktionen können beschrieben werden
Die Möglichkeit zur funktionalen Beschreibung von Produkten ist die zweite wichtige Neuerung, die eCl@ss 11.0 für das CAE mit sich bringt. Denn bei der Schaltplanerstellung spielen nicht nur die physischen Größen der Komponenten eine Rolle. Unter Zuhilfenahme einer entsprechenden Software lassen sich aus den neu in eCl@ss enthaltenen Funktionsbeschreibungen wichtige Vorteile erzielen, insbesondere in Bezug auf die Zeitersparnis bei der Schaltplanerstellung. So ermöglicht etwa das AmpereSoft ToolSystem in Verbindung mit eCl@ss 11.0 die automatisierte Generierung von Schaltsymbolen, die anschließend unkompliziert in den Schaltplan eingefügt werden können. Dies gilt sowohl für genormte als auch für nicht genormte Funktionen. Bislang mussten die Konstrukteure diese Symbole teilweise aufwendig selbst erstellen, denn von Herstellerseite besteht allein aus Gründen der Wirtschaftlichkeit häufig keine Möglichkeit, alle benötigten Symbole für alle CAE-Systeme im Markt mit auszuliefern.
Meilenstein auf dem Weg zu Industrie 4.0
Schon die vorangegangenen Versionen von eCl@ss waren wichtige Schritte auf dem Weg zur Industrie 4.0. Das jetzt veröffentlichte Release geht darüber hinaus und stellt einen echten Meilenstein dar. Die noch detailliertere Beschreibung der Produktdaten ermöglicht einen entsprechend detaillierten Engineering-Prozess.
Weitere Infos: www.amperesoft.net
Bildquelle Beitrag
AmpereSoft GmbH/eCl@ss e. V.
Aufmacherbild / Quelle / Lizenz
Bild von Aneta Esz auf Pixabay