Evolution in der Logistik
Auch ohne autonome LKW gehören die großen deutschen Logistikunternehmen Deutsche Post / DHL, DB Schenker und Dachser ebenso wie das in deutschem Mehrheitsbesitz stehende Schweizer Unternehmen Kühne + Nagel zu den Weltmarktführern in der Logistik. Ob das so bleibt, wird sich vor allem dadurch entscheiden, wie innovativ die Unternehmen mit den Herausforderungen der digitalen Revolution umgehen. Prof. Michael ten Hompel, einer der einflussreichsten deutschen Logistikwissenschaftler, mahnt seit geraumer Zeit eine Führungsposition Deutschlands in der Entwicklung von Logistiksoftware an. „Wir müssen Software so produzieren wie Autos“, sagt der Leiter des Fraunhofer Institutes für Materialfluss und Logistik.
Logistik-Stühle mit IT-Bezug
In diese Richtung stößt auch die Bundesvereinigung Logistik. In ihrem Positionspapier „Logistik und IT“ fordert die BVL, 100 neue Logistikstühle mit IT-Bezug zu schaffen. „Die Mitglieder der BVL nannten im Januar 2015 die Digitalisierung mehrheitlich als wichtigstes strategisches Thema des Wirtschaftsbereichs Logistik“, begründet Vorstandsvorsitzender Dr. Klinkner. So war es auch kein Wunder, dass sich das Thema Digitalisierung wie ein roter Faden durch die Weltleitmesse transport logistic zog, die Anfang Mai in München stattfand. Zu den Highlights zählten Software-Lösungen zur Optimierung ganzer Logistik-Netzwerke – aber auch der Mittelstand fand passende Lösungen. Dank Software aus der Cloud sinkt die Investitionsschwelle.
„Durch Smartphones und Apps ist es heute möglich, den LKW in IT-Systeme zu integrieren“, sagte Jens Meier, Vorsitzender der Geschäftsführung der Hamburg Port Authority. Am konsequentesten betrieb in München jedoch DB Schenker die Digitalisierung. Auf dem Messestand des Konzernlogistikers fand sich praktisch kein Papier. Das Unternehmen setzte voll auf digitale Information. Der größte Bremsklotz für die Logistikwirtschaft ist hingegen höchst materiell. Die Qualität der Verkehrsinfrastruktur lässt nach vielen Jahren der Unterfinanzierung immer mehr nach. Erste Sperrungen wichtiger Autobahnbrücken für den LKW-Verkehr haben die Branche aufgeschreckt. „Um den Rückstand zu beseitigen und Erhaltung plus Wachstum meistern zu können, müssen die Ausgaben für die Infrastruktur verdoppelt werden“, fordert BVL-Vorstandsvorsitzender Prof. Raimund Klinkner. Doch trotz PKW-Maut und Ausweitung der LKW-Maut auf Bundesstraße und leichte LKW ist eine solche Aufstockung der Investitionsmittel nicht in Sicht. Doch auch in diesem Punkt können digitale Systeme weiterhelfen. „Entscheidend ist eine intelligente Verkehrssteuerung, um die bestehenden Verkehrswege besser auszulasten“, sagt Axel Backof, Sales Director DACH/EE beim Telematik-Spezialisten TomTom. „Denn wenn Fahrer im Stau stehen, sinkt die Produktivität.“ Zur Verkehrslenkung können von den Behörden installierte Verkehrsbeeinflussungsanlagen eingesetzt werden – aber auch Telematiklösungen wie das von TomTom angebotene Webfleet. Aufgrund einer dynamischen Navigation, in die aktuelle Verkehrsinformationen einfließen, werden Stauzeiten und Umwegfahrten reduziert. Das optimiert den Fahrzeugeinsatz und verbessert die Kosten-Umwelt-Bilanz der Fahrzeugflotte.
Entlastung bei den Kosten können Transportunternehmer und LKW-Spediteure gut brauchen. Denn auf den europäischen Transportmärkten tobt ein erbitterter Preiskampf.
Studie europäischer Stückgutnetze
Die Studie zeigt, dass neben negativen Trends, wie Preisdruck oder Ladungsdiebstähle, auch positive Trends wirken, wie zum Beispiel die Globalisierung. Chancen räumen die Transportexperten auch den Betreibern eines paneuropäischen High-Quality-Stückgutnetzes ein, das sich in puncto Zuverlässigkeit und Dienstleistungsstandards klar von den Low-Cost-Anbietern absetzt. Infos unter Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS: thoralf.dietz@iis.fraunhofer.de
Das gilt nicht nur für den Komplett- und Teilladungsmarkt, der als Standarddienstleistung von Natur aus preissensibel ist, sondern auch für europäische Stückgutnetze. „Die Fahrzeuge werden in den Ländern mit den niedrigsten Steuern und Versicherungsprämien zugelassen, die Fahrer kommen aus Niedriglohnländern wie Rumänien und Bulgarien“, beschreibt eine zur transport logistic vorgestellte Studie der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS) das Dilemma. Folge: Wer mit deutschen Lohn- und Kostenstrukturen antritt, hat in grenzüberschreitenden Transporten kaum noch eine Chance. „Die in diesem Feld aktiven Logistikdienstleister sind gezwungen, ihr Geschäftsmodell zu überdenken“, schreiben die Verfasser der Studie, Martin Schwemmer, Christian Kille und Christian Reichenauer.
Als Option nennt die Studie, die reine Transportdienstleistung mit margenstärkeren Mehrwertleistungen anzureichern. Chancen räumen die Transportexperten auch den Betreibern eines paneuropäischen High-Quality-Stückgutnetzes ein, das sich in puncto Zuverlässigkeit und Dienstleistungsstandards klar von den Low-Cost-Anbietern absetzt. Solche Modelle sind gerade in Industriezweigen mit hohen Logistikanforderungen eine echte Alternative für Stückgutspediteure.