Digital Finance

Vertrauen: In einer immer schnelllebigeren Zeit besinnen Banken sich auf eine ihrer Grundtugenden, um am Markt zu bestehen.

Stau und dichter Verkehr können schon ganz schön anstrengend sein. Ist man gar nicht mehr gewohnt, diese gebotene Langsamkeit. Moderne Technologien haben alle alltäglichen Prozesse beschleunigt. Wir erkaufen uns Zeit in Form von Geschirrspülern, Wasch­maschinen und Mikrowellen, Staubsauge- und Rasenmährobotern oder durch einen Breitbandanschluss, Onlineshopping und Expresslieferungen. Noch explizierter wird dies in der immer stärker wachsenden Sharing Economy, wo keine Produkte mehr, sondern nur Zeit mit Produkten erworben wird. Ein Stau erscheint da wie ein Artefakt aus längst vergangener, stehen gebliebener Zeit.

Kein Wunder, dass Zeit somit auch zum treibenden Faktor in der Finanzwelt geworden ist. „In Zeiten, in denen man mit dem Smartphone von unterwegs im Internet einkaufen kann und die Bestellung mitunter sogar am selben Tag noch zu Hause in Empfang nehmen kann, ist es logisch, auch die Vorteile von Online- und mobilen Zahlungslösungen zu nutzen“, meint Christian Schollmeyer, der als Referent beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband die Akzeptanzstrategie sowie die Geschäftsfelder Online- und mobile Zahlverfahren betreut. Kein Wunder also, dass die Zahl der Kartenzahlungen im Handel langsam aber stetig steigt. „So hat sich etwa die Anzahl der girocard-Transaktionen von 1,46 Mrd. im Jahr 2007 zu 3,18 Mrd. im Jahr 2017 mehr als verdoppelt. Zuletzt gab es bei den Transaktionszahlen Rekordzuwächse von 13,1 Prozent im Jahr 2016 im Vergleich zu 2015 und 8,7 Prozent Zuwachs im Jahr 2017 im Vergleich zu 2016. Damit hat der Wandel nochmals deutlich Fahrt aufgenommen“, referiert er. „Ein Treiber dafür ist sicher das kontaktlose Zahlen.“

„Die Kunden nehmen das kontaktlose Bezahlen mit girocard so schnell an, wie keine andere Funktion der girocard jemals zuvor“, verwertet Ingo Limburg, Leiter Marketing und PR girocard bei Euro Kartensysteme, gerne die Vorlage. Obwohl im April erst rund 35 Millionen girocards über die NFC-Funktion verfügten, lag bei den Karten der Sparkassen sowie der Volksbanken Raiffeisenbanken der Anteil der kontaktlosen Zahlungen bereits bei jeweils rund 10 Prozent. Damit hat sich der Anteil der kontaktlosen Transaktionen seit Dezember 2017 verdoppelt. „Und das sogar ohne groß angelegte Werbemaßnahmen der Banken und Sparkassen“, freut er sich über den Paradigmenwechsel vom Stecken zum Auflegen und kündigt gleich den nächsten Schritt in der Evolution des Bezahlens an: „Mit der digitalen girocard, die Kunden mit ihrem NFC-fähigen Android-Smartphone verbinden können, können Kunden durch Auflegen des Smartphones an allen girocard-kontaktlos-Akzeptanzstellen schnell und bequem zahlen.“

Hierzu gehören auch Supermärkte, Oasen der Zeitersparnis, befreien sie uns doch vom Gang zum Bäcker, Metzger oder Obsthändler. Wäre es nicht schön, wenn es auch für die durch FinTechs entstehenden immer vielfältiger werdenden Finanzprodukte eine Art Supermarkt gäbe? Der FinTech-Markt, der ohnehin schon seit einigen Jahren für Wirbel sorgt, hat seit Inkrafttreten der PSD2 zusätzlichen Rückenwind vom Gesetzgeber erhalten. Banken sind jetzt verpflichtet, Drittanbietern Zugang zu Informationen über Kundenkonten zu gewähren, sofern der Kunde dem zustimmt. „Die Bank als Kontoanbieter wird am digitalen Zugang zum Kunden austauschbar. Damit intensiviert sich der Wettbewerb an der Kundenschnittstelle“, schildert Oliver Dlugosch von NDGIT die Drohkulisse für etablierte Geldhäuser. Dass die deutschen Banken, wenn sich nichts ändert, Marktanteile verlieren, prophezeit auch Christian Brüseke, General Manager Dach von Avoka Technologies. Ein Grund: „Die deutschen Banken sind nach wie vor nicht in der Lage und nicht willens, den Kunden in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten zu stellen.“ Dabei sind Open-Bank-Szenarien die Kehrseite der PSD2. Banken können zu einer Plattform werden, Open-APIBanken zu Supermärkten für Finanzprodukte machen. Bei diesem Ansatz unterstützt NDGIT die Banken. Wollen wir den Supermarkt-Vergleich aufrechterhalten, so fungiert das Unternehmen als Großhandel der besten FinTech-Funktionen. „APIs unserer Partner-FinTechs kann man innerhalb weniger Stunden anbinden, dank standardisierter Schnittstellen, Dokumentationen und Testumgebungen“, betont Dlugosch auch hier die Geschwindigkeit. Auf dem API-Marktplatz fin­den sich die verschiedensten Services – vom Finanz-Scoring bis zur Vorsorge-Analyse, von der Video-Legitimierung bis zur Robo-Advisory – um nur einige der Möglichkeiten aufzuzählen.

Deutsche Banken sind nicht in der Lage, den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen.

„Wir sind definitiv kein Roboadvisor“, betont Dr. Christian Jasperneite, CIO von M.M.Warburg & Co. Die Rede ist dabei vom Warburg Navigator, der Ende letzten Jahres an den Start ging. „Wir glauben hier an einen hybriden Ansatz, der den Berater einschließt, um gemeinsam mit dem Kunden die richtigen Schlüsse zu ziehen“, ergänzt ihn sein Kollege Jan Kühne, seines Zeichens Leiter Digital beim auf eine lange Tradition zurückblickenden Vermögensverwalter. Das Angebot wird gemeinsam mit einem Berliner FinTech umgesetzt. „Elinvar steuert die Technologiekompetenz bei, wir bringen unsere Asset-Management-Kompetenz ein“, begründet er die Zusammenarbeit. Ein Begriff, der in Zusammenhang mit FinTechs und einer kurzen Time-to-Market immer wieder fällt, ist Agilität, die auch hier „selbstverständlicher Teil der Projektarbeit war“.

Nicht nur der Faktor Zeit

Die erfolgreichen Internetunternehmen haben es vorgemacht: Verständliche Benutzerführung, verlässliche Prozesse, wiederholte Anwendungen, alltäglicher Gebrauch – nur so fasst der Nutzer Vertrauen. „Sicherlich genießen Banken hier einen gewissen Vertrauensvorschuss, da dies eine der Grundtugenden ist – Stichwort Bankgeheimnis – die Kunden mit Banken verbinden“, meint Kühne. Sie stehen jetzt vor der schwierigen Aufgabe, das lang gewachsene Verhältnis in digitale Angebote zu überführen. „Für Banken im Bereich der digitalen Vermögensverwaltung bedeutet dies, dass sich ihre Angebote an der User Experience messen lassen müssen, die der Nutzer aus anderen Bereichen kennt und erwartet“, führt Kühne hierzu aus. „Die Sicherheit der Daten und der Schutz vor fremdem Zugriff ist eine weitere Grundvoraussetzung.“

Ingo Limburg kündigt das kontaklose Bezahlen per App über ein NFC-fähiges Smartphone an.

Ingo Limburg kündigt das kontaklose Bezahlen per App über ein NFC-fähiges Smartphone an.

„Dass ein System sicher ist, setzen die Kunden bei allem, was von der eigenen Bank oder Sparkasse kommt, schlicht voraus“, ist auch Ingo Limburg von Euro Kartensysteme überzeugt. Christian Schollmeyer vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband erhärtet diese Aussagen und zitiert hierzu aus einer aktuellen Studie: „Laut GfK haben 90 Prozent der Kunden großes oder sehr großes Vertrauen in die Bezahlverfahren der Banken und Sparkassen.“ Er ist der Ansicht, dass sich dies auch in der Nutzung der Kontaktlos-Technologie niederschlägt, und Ingo Limburg geht sogar so weit, es als eine „Grundvoraussetzung“ zu betiteln. Um das gewachsene Vertrauen auch bei der Payment-Lösung mit dem Smartphone nicht zu gefährden, soll auch hier ab 25 Euro wie gewohnt eine PIN eingegeben werden, die im girocard-System lediglich verschlüsselt übertragen wird.

Klaus-Peter Bruns, Vorstands­vorsitzender der Fiducia & GAD IT AG, möchte sich diesen Vertrauensbonus mit einem für Banken eher unkonventionellen Geschäftsmodell zunutze machen. Mit GenoSharing.com soll es Kunden erleichtert werden, selten benötigte Waren und Güter mit anderen Menschen in der Region über eine Plattform gemeinschaftlich zu nutzen. „Gerade Leihen und Verleihen setzt gegenseitiges Vertrauen voraus“, erläutert er. Auf einer digitalen Plattform, wo man sich in der Regel (noch) nicht persönlich kennt, ist dieses allerdings nicht vorhanden. Hier treten die VR-Banken als Vertrauensbroker in Erscheinung und machen auf lokaler Ebene „den Weg frei für die urgenossenschaftliche Idee des kollektiven Ko-Konsums“.

Stau und dichter Verkehr können schon ganz schön anstrengend sein. Vor allem als Mitglied der wachsenden Sharing Economy, wo keine Produkte, sondern nur Zeit mit Produkten erworben wird. Ein Stau erscheint da wie ein Artefakt aus längst vergangener, stehen gebliebener Zeit. Doch allem Anschein zum Trotz läuft sie kostbar weiter.

von Andreas Fuhrich

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