Nur Wandel bedeutet langfristigen Erfolg

Führungskräfte stehen aktuell vor der gewaltigen Aufgabe ihr Unternehmen in derzeitig hoch-dynamischen und krisenbelasteten Märkten in eine neue Zeit zu führen. Dabei ist es nicht ausreichend, sich nur an neue Gegebenheiten anzupassen. Bei der Gestaltung einer zukunftsfähigen Unternehmung ist die Fokussierung auf die entscheidenden Wettbewerbsfaktoren erforderlich: Innovation und Transformation.

Wandel ist Beständigkeit. Die digitale Transformation ermöglicht diesen. Quelle: © greenbutterfly – stock.adobe.com

Bestehende Geschäftsmodelle, Organisationsstrukturen und Führungsverhalten müssen unter Berücksichtigung der fortschreitenden Digitalisierung, dem Wandel zur Nachhaltigkeit oder der akuten Corona-Pandemie hinterfragt werden. Doch was sind Transformationsfähigkeiten im Unternehmen und wie gelingt der Return on Transformation in Zeiten des Wandels? Mit Dieser Frage beschäftigten sich internationale Vertreter*innen aus Industrie und Forschung auf dem Aachener Business Transformation Summit des FIR e. V. an der RWTH Aachen. In spannenden, praxisnahen Keynotes und Podiumsdiskussionen erörterten sie mit den Teilnehmer*innen die verschiedenen Perspektiven und Erfolgsdimensionen der Transformation.
In einer Studie des FIR e. V. an der RWTH Aachen wurden 560 Führungskräfte weltweit nach den Herausforderungen für das erfolgreiche Gelingen einer Transformation gefragt. Ein wesentlicher Faktor ist das Technologie- und Strategiewissen der Führungspersonen. Vor einiger Zeit war dies noch der Aufbau des „Internet of Things“. Heute bedarf es jedoch eines umfangreicheren Verständnisses über die Auswirkungen und Potentiale der „Economy of Things“ und ihrer neuen digitalen Wertschöpfungslogiken. Sie bieten nicht nur ein besonders hohes Potential für neue Geschäftsmodelle, sondern adressieren auch die bestehenden Folgen der Industrialisierung: Aufbau von Überkapazitäten, etwa Büroplätze oder Werkzeugmaschinen, und Überproduktion, z. B. von Kleidung oder Fahrzeugen.

Als Konsequenz des bisherigen Fokus auf Economies of Scale steigen Ressourcenverbrauch und Emissionen. Gerade angesichts der globalen Verpflichtung zur nachhaltigen Wertschöpfung kann die „Economy of Things“ einen großen Beitrag leisten. Die Vernetzung und Selbststeuerung der Produktion ermöglicht beispielsweise den Übergang von der Massenproduktion zu einer nachfrageorientierten Fertigung. Howard Heppelmann, Vice President und General Manager, Smart Connected Operations bei PTC, zeigt dazu eindrucksvoll die Potentiale für den Abbau von Überkapazitäten auf. Nutzerpräferenzen sind durch die Digitalisierung zudem einfacher zu erfassen. Dies schafft gleichzeitig die Basis für eine bedarfsgerechte Anpassung von Produkten – und zwar über den gesamten Lebenszyklus hinweg.

Die große Chance für eine erfolgreiche Neuausrichtung sieht Prof. Schuh, Direktor des FIR e. V. an der RWTH Aachen, in der Implementierung eines neuen, auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Zielsystems. Verändert sich das Formalziel, z. B. der Produktivität, durch die Berücksichtigung von ESG-Faktoren, kann eine Transformation zum nachhaltigen Wirtschaften mit Hilfe der Digitalisierung gelingen. Es eröffnet sich damit ein klares Ziel für den Wirtschaftsraum, die einzelnen Unternehmen, deren Investoren und Führungskräfte.

Als Präsident & CEO bei Imperial Tobacco Canada greift Ralf Wittenberg im Rahmen der erfolgreichen Transformation seines Unternehmens, schon jetzt auf ein derartiges Zielsystem mit auf Nachhaltigkeit ausgerichteten KPI’s zurück. Der übergeordnete Unternehmenszweck, der so genannte Purpose, nimmt hierbei eine weitere wesentliche Rolle ein. Die Beantwortung der Frage nach der Existenzberechtigung eines Unternehmens kann sowohl bei Mitarbeitern als auch bei externen Stakeholdern identitätsstiftend wirken. Der Einfluss eines klar definierten und gelebten Unternehmenszwecks wurde auf dem Aachener Business Transformation Summit näher diskutiert und spiegelt sich unter anderem in der erhöhten Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter. Speziell bei größeren Transformationen bietet der Purpose einen Anker im Umbruch. Es wird ein Raum für Veränderung geschaffen, der Innovationen zulässt und Mitarbeiter motiviert, diese hinsichtlich des gemeinsamen Zwecks zu verfolgen. Microsoft hat dies im Zuge der vergangenen Transformation als Fähigkeit des Unternehmens aufgebaut, um nachfolgende Veränderungen frühzeitig und gemeinsam mit den Mitarbeitern anzugehen. Alexander Uelsberg, Senior HR Manager bei Microsoft Deutschland, beschrieb hierzu die neuen Führungsprinzipien, die – immer abgeleitet vom höheren Ziel – eine Balance zwischen Vertrauen und klaren Zielen fokussieren. Diese Art der Unterstützung beim autonomen und sinnstiftenden Handeln der Mitarbeiter konnte auch Prof. Stich, Geschäftsführer des FIR e. V. an der RWTH Aachen, bestätigen. Gerade in den Veränderungen durch die aktuelle Corona-Pandemie sind Führungskräfte notwendig, die, eine auf Vertrauen basierende Kultur entwickeln; ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem Mitarbeiter die Möglichkeit haben, sich selbst zu steuern, tägliches Lernen als selbstverständlich ansehen und ein übergeordnetes Ziel in den Mittelpunkt jeder Handlung stellen. Speziell durch den derzeitigen Generationenwechsel wird dies stark begünstigt.

Die kontinuierliche Verfolgung des übergeordneten Unternehmenszwecks mit gleichzeitiger Anpassung an technologische und gesellschaftliche Trends, fördert die Langlebigkeit eines Unternehmens. Maßgeblich ist hier u. a. die Fähigkeit organisationaler Ambidextrie, also die zeitgleiche Optimierung von Bestehendem und die Erforschung von Neuem. Die hohe Unsicherheit auf der Seite der Exploration sieht Marc Schlichtner, Principle Key Expert, Portfolio Management Digital Health bei Siemens Healthineers, für viele, Unternehmen als große Hürde bei der Bereitschaft transformative Impulse zuzulassen. Häufig werden daher für viele innovative Ideen erst keine Business Cases vorgewiesen. Mit einer Vielzahl unterschiedlicher Ansätze erforscht Siemens Healthineers trotzdem gänzlich neue Lösungen und schafft so langfristig kundenzentrierte Ideen. Ein besonderes Beispiel ist der „T-Club“ –eine Gemeinschaft kreativer Fachleute, mit dem Ziel über den Tellerrand des Unternehmens zu schauen und neue, teilweise radikale Impulse ins Unternehmen zu tragen. Entscheidend ist dabei, dass der Kundennutzen im Fokus aller Ideen steht unterstrich auch Greg Larkin, CEO bei Punks & Pinstripes & Autor des Buches “This Might Get Me Fired”, in seinem inspirierenden Abschlussvortrag. Der Einblick von Dr. Frank Voßloh, Geschäftsführer bei Viessmann Deutschland, zeigte die Vielfalt an Ansätzen, die bei Viessmann gelebt werden, um innovative Lebensräume für zukünftige Generationen zu kreieren. Diese umfassen beispielsweise Arbeits- und Meeting-Räume, Co-Creation-Plattformen mit Kunden sowie diverse Venture-Aktivitäten um Ideenkultur zu leben und Trends und Kundenbedürfnisse gemeinsam zu adressieren.

Auf dem Business Transformation Summit des FIR an der RWTH Aachen nimmt Nachhaltigkeit einen großen Stellenwert ein. Quelle: FIR e.V. an der RWTH Aachen

Die Ausrichtung der Organisation auf den Kundennutzen wird durch die Veränderung bestehender Organisationsstrukturen erleichtert. Das Aufbrechen bestehender Silos alter Projektorganisationen durch eine konsequente Agilisierung ermöglicht kurze Reaktionszeiten bei einer hohen Qualität der Leistungen für den Kunden. Doch gerade bei bestehenden Strukturen ist hier eine Veränderung schwer umzusetzen. Stefan Bleck, Gründer von meryts, zeigte dazu eine schrittweise Transformation auf, welche die Bausteine der Business- und Enabling-Tribes sowie eines Center of Excellence partiell aufbaut und etabliert. Pranjal Kothari, CDO und Mitglied des Vorstands der Sparkasse Bremen, unterstrich die Vorteile am Beispiel des eigenen Unternehmens mit eindrücklichen positiven Erfahrungswerten. Der Weg von einer klassischen Organisation hin zu einer Netzwerkorganisation führte nicht zur Steigerung des Kundennutzen, sondern unterstützte auch die Begeisterung der Mitarbeiter und sorgte für ein stärkeres Miteinander. Dr. Stefan Schwarz, Partner Business Consulting, und Mareike Wysocki, Account Managerin Deutsche Telekom bei Teradata, hoben dies noch einmal hervor und betonten abermals die Notwendigkeit des ständigen Wandels, um die Veränderung ihrer Kunden zu ermöglichen.

Neben der unternehmensinternen Veränderung wird zur Maximierung des Kundennutzens zudem die Transformationsfähigkeit zur Gestaltung eigener Ecosysteme immer relevanter. Die Steigerung von Nutzererlebnissen erfordert das Zusammenarbeiten diverser, teilweise branchenunabhängiger Unternehmen untereinander und mit dem Nutzer selbst, um digitale Geschäftsmodelle erfolgreich zu nutzen. Prof. Dr. Ulrich Hermann, CEO bei Next e.GO Mobile, beschrieb den Wandel der Mobilität von „Ownership“ zu „Usership“. Dazu werden bei Next e.GO Mobile zunächst die eigenen Fahrzeuge nachhaltig und bedarfsspezifisch produziert, um anschließend über ein Subscriptions-Modell vertrieben und im Bedarfsfall zur Kontrolle des Fahrzeugrestwerts erneuert zu werden. Dieser Wertschöpfungskreis ist nur über Kollaborationen mit diversen Partnern und einer ausreichenden Informationsbasis über das Fahrzeug möglich. Der Mobilitätsanbieter SIXT transformiert sich derweil zu einem Plattform-Ecosystem. Zur Flexibilisierung der Mobilität werden zusätzlich zu den eigenen Dienstleistungen weitere Mobilitätsanbieter integriert angeboten. Nico Gabriel, COO bei SIXT, resümiert, dass dies erst der Anfang einer Transformation zur Gestaltung eines neuen Mobilitäts-Ecosystems ist, das konfigurierbar im ständigen Wandel den Kundenbedarf adressiert.

Abschließend bleibt festzustellen, dass sich Transformationsfähigkeiten in Unternehmen durch technische und gesellschaftliche Trends entwickelt haben und vielfältig existieren. Der Aachener Business-Transformation-Summit am FIR gewährte mit unterschiedlichen Sichtweisen aus der Industrie praxisrelevante Einblicke in verschiedene Themen und Aufgabenstellungen als Treiber der Transformation, etwa die Bedeutung eines übergeordneten Zwecks für die Mitarbeitermotivation, neues Führungsverhalten oder die Gestaltungsfähigkeit von Ecosystemen. Dabei kann der „Return on Transformation anfangs nicht immer ermittelt werden, aber. „ohne Transformation gibt es kein Return“, brachte Dr. Ömer Sahin Ganiyusufoglu, ehemaliger Consultant des Vorsitzenden bei der Shenyang Machine Tool Group, auf den Punkt.

Schon jetzt darf man sich auf den nächsten Aachener Business Transformation Summit 03. Februar 2022 freuen. Das FIR lädt herzlich dazu ein, die Wenden der Wirtschaft durch die Transformation unserer Unternehmen zu gestalten.

Autor:
Ruben Conrad
Bereichsleiter Business Transformation
FIR e. V. an der RWTH Aachen