Der beste Zeitpunkt mit KI zu starten ist jetzt!

2024 ist das Jahr der Umsetzung von KI. Aber wie nutze ich KI optimal für mein Business? Der Experte und Vordenker Maximilian Vogel erklärt im Interview, welche Chancen KI und ML heute bieten. Und gibt Tipps, wie Unternehmen das Potenzial richtig nutzen, um massive Effizienzgewinne zu erzielen.

 

Herr Vogel, wie kann ich das Potenzial von KI und ML nutzen, im Hinblick auf Effizienzsteigerung und Automatisierung?

KI kann Prozesse in Sales, Logistik, Finanzen oder Marketing weit über 50 % automatisieren, also Effizienzsteigerungen von deutlich über 100 % erreichen. Eine multidimensionale KI besteht aus einzelnen AI-Workern, die komplexe Aufgaben lösen können – also z. B. einen Versicherungsfall von der Einreichung bis zur Regulierung zu bearbeiten. Ein AI-Worker kann einen Task über viele Einzeltätigkeiten und viele Tage hinweg verfolgen: Mails lesen, Schadensbilder bewerten, Informationen aus Datenbanken besorgen und Rückfragen an involvierte Parteien stellen.

Wie setze ich das in die Praxis um? 2023 war das Jahr des Redens über KI. International ist 2024 das Jahr der Umsetzung. In Deutschland verlieren wir uns oft noch in Grundsatzfragestellungen und die alten Kann-ich-, Darf-ich-Diskussionen, anstatt KI zu entwickeln, empirisch zu verproben und aus Ergebnissen zu lernen. Ich empfehle, einen Bereich mit großem Automatisierungspotential zu identifizieren und direkt – alleine oder mit einem Partner – in ein kleines Umsetzungsprojekt zu starten, das bei Erfolg ausgebaut werden kann.

Maximilian Vogel: „Ich empfehle, einen Bereich mit großem Automatisierungspotential zu identifizieren und direkt – alleine oder mit einem Partner – in ein kleines Umsetzungsprojekt zu starten.“

Wie sollten Unternehmen und Manager hier vorgehen?

Ganz einfach:
1. Think Business: Das heißt, eine KI-getriebene Plattform von der Aufgabe, vom Prozess, von Effizienzeffekten heraus zu denken – und nicht von der Technologie her.

2. Start small: Also mit einem Proof of Concept starten, der zu einer Beta ausgebaut werden kann und dann zu einem produktiven System.

3. Vendor lock-in vermeiden: Egal wie gut ein Anbieter ist – die KI-Lösung des Unternehmens sollte so gebaut werden, dass sie diesem gehört. Sie sollte nicht so tief in die Modelle oder Hosting-Lösung des Anbieters integriert sein, dass ein späterer Wechsel sehr schwierig oder unmöglich ist.

Welche KI/ML-Projekte lagen und liegen Ihnen am Herzen?

Ein Herzensprojekt für mich war die Unterstützung von BMW bei der Entwicklung des CarExperts, einer KI-getriebenen Assistentenlösung im Auto, die in der Lage ist, auf Basis von sogenannter Retrieval Augmented Generation die Fragen des Fahrers zu beantworten und mit ihm natürlichsprachliche Konversation zu betreiben.

Ein weiteres Projekt, das wir gemeinsam mit einigen großartigen Partnern realisiert haben: Ein AI-Worker verwaltet Marken, bewertet Konflikte und verteidigt die Marken gegen konkurrierende Markeneinträge. Der AI-Worker führt hier keine Handlangertätigkeit aus, sondern macht eine Arbeit, für die intensive markenrechtliche Vorbildung erforderlich ist. Und tatsächlich hat sich gezeigt: Auch das funktioniert mit KI!

Herr Vogel, welches Mindset sollte ich für das erste Projekt mitbringen und was sollte ich vermeiden?

Alle reden über KI, aber falsche Vorstellungen und Ängste verhindern noch den systematischen Einsatz in vielen Unternehmen. Nahezu jeder hat inzwischen die unglaublichen Fähigkeiten generativer KI-Systeme ausprobiert. In den meisten Unternehmen nutzen Mitarbeiter Plattformen wie ChatGPT – erlaubt oder heimlich – auch für berufliche Tätigkeiten. Dennoch verhindern oft alte Denkmuster einen produktiven Umgang mit neuen Technologien: Wir wissen immer ganz genau, was man nicht darf, was man nicht soll, was problematisch ist und verwenden das als Ausrede dafür, erst einmal nichts zu tun: Datenschutz, sogenannte Halluzinationen oder Bias der Modelle, Qualität und Struktur der unternehmenseigenen Daten. In Wirklichkeit sind diese Fragestellungen für die meisten Business-Anwendungen lösbar bzw. bereits gelöst. Das Wichtigste für ein produktives KI-Projekt ist nicht tiefes Fachwissen im Bereich machine learning – das kann man sich dazu holen – sondern eine Vision, was man erreichen will. Offenheit. Die Bereitschaft, Dinge auszuprobieren; zu lernen; und schnell umzusteuern, wenn sich neue technologische Möglichkeiten bieten oder etwas nicht funktioniert.

OK, und wie starte ich jetzt?

Starten Sie klein, aber so schnell wie möglich – in einem großen Feld, in dem sie später skalieren können, aber mit einer überschaubaren ersten Fragestellung. Gehen Sie bei Erfolg in eine Beta und skalieren sie das Vorhaben dann. Verzetteln Sie sich nicht in umfangreiche Strategieausarbeitung in Bezug auf Technologien, Anwendungsbereiche, Vendoren – die KI-Landschaft ändert sich schneller, als Sie Ihre Folien gerade ziehen können. Verfolgen Sie dennoch ambitionierte Visionen – aber aus einer Business-Sicht. Etwa „Ich möchte im Salesbereich 90 % der kleineren Angebotsanfragen komplett automatisiert bearbeiten lassen, meine Teams sollen nur noch die großen, komplexen und werthaltigen Anfragen manuell bearbeiten.“ Suchen Sie sich Umsetzungspartner – intern oder extern – die ihre Vision teilen.Verbinden Sie – aber nicht gleich am Anfang – die KI-Plattform über Schnittstellen mit Ihren existierenden Systemen. KI kann nicht jeden Edge Case gut bearbeiten – schaffen Sie eine Schnittstelle zu menschlichen Teams für schwer lösbare Fragestellungen.

Inwieweit können Sie Unternehmen bei der Entwicklung neuer ML & KI Strategien und Lösungen unterstützen?

Wir unterstützen seit fünf Jahren Großunternehmen und große Mittelständler bei der Entwicklung KI-getriebener Lösungen. Das sind einerseits Conversational AI Systeme, die auf Basis von generativer KI mit Nutzern kommunizieren können. Auf der anderen Seite sind es Automatisierungslösungen auf Basis multidimensionaler KI, also AI-Worker, die einen großen Task teilweise über Tage und viele Interaktionsschritte fallabschließend bearbeiten können.

Wir unterstützen unsere Kunden und Partner hauptsächlich in der Konzeption der Lösung, der Modell- und Framework-Auswahl, der Entwicklung, dem Prompt Engineering, der Anbindung an Schnittstellen und in MLOps und technischem Betrieb der Lösung. Für Fragestellungen der Hardwareintegration haben wir Partner.

Gibt es aktuelle Beispiele?

Neben den beiden oben genannten vielleicht noch zwei: Wir entwickeln für das Startup Adele eine KI-getriebene Lösung, die ältere und pflegebedürftige Patienten betreut. Und wir bauen aktuell für ein großes Road-Logistikunternehmen eine multidimensionale Worker-AI, die auf Kundenanfragen eigenständig Angebote erstellt.

Was bedeutet KI/ML und nachhaltige Entwicklung für Sie?
Welche Bedeutung haben die neuen Technologien Rund um KI/ML im Hinblick auf die nachhaltige Entwicklung von Unternehmen und Gesellschaft?

Für eine Green AI müssen wir einerseits den riesigen Fußabdruck der Modelle in Training und Inferenz verringern. Kleinere, effizientere Modelle sind hier eine Lösung. Auf der anderen Seite kann uns KI massiv dabei unterstützen, Ressourcen effizienter zu nutzen: Licht oder Heizung nur anzuschalten, wenn sie gebraucht wird, Sekundärrohstoffe zu trennen, etc.

Inwieweit werden die neuen Technologien unsere Wirtschaft und unseren Standort verändern?

Die generative KI und hier vor allem die multidimensionalen Worker werden weltweit zu massiven Effizienzgewinnen auch im Bereich der intellektuell anspruchsvollen Tätigkeiten führen. Die Mehrzahl der Firmen in Deutschland ist im Moment noch zögerlich – aber es gibt auch hier eine Reihe von Unternehmen, die das Thema ernsthaft, visionär und aggressiv angehen. Leider kann die EU im Bereich der Basistechnologien für AI wie AI-Modelle oder KI-Chips kaum mit den USA oder Ostasien konkurrieren. Und leider verlieren wir weiter den Anschluss: Unsere Kapitalmärkte gerade für Technologieunternehmen sind unterentwickelt und wir machen IT-Unternehmen durch immer neue Regelungen – oft sicherlich gut gemeint – das Leben schwer. Ein aktuelles Beispiel ist der EU AI Act, der es in einigen Anwendungsbereichen deutlich komplizierter macht, KI in Europa auf den Markt zu bringen. Wir müssen uns entscheiden, ob wir vorne mitspielen wollen oder ob wir Hochtechnologie einfach weitgehend aus Übersee beziehen wollen. Wenn wir wieder mitspielen wollen, müssen wir schnell und grundlegend umsteuern, ein bisschen Forschungsförderung hier und da wird das Bild nicht ändern.

https://big-picture.com/ki

 

CC BY-ND 4.0 DE

https://creativecommons.org/licenses/by-nd/4.0/deed.de#

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