Die digitale Transformation erfordert eine neue IT-Organisation
Dominik Neumann, Vice President Digital Transformation bei CGI in Stuttgart, schreibt in seinem Gastbeitrag darüber, dass bimodale IT erst der Anfang für die erfolgreiche digitale Transformation ist.
Die Informationstechnologie ist die treibende Kraft bei der Digitalen Transformation, die für fast alle Unternehmen eine beachtliche Herausforderung ist. Besonders davon betroffen sind die IT-Abteilungen. Bei ihnen ist eine grundlegende Neuausrichtung erforderlich.
Bislang folgen die meisten IT-Organisationen einem der beiden Paradigmen „Plan-Build-Run“ oder mit verkürzter IT-Wertschöpfungskette „Source-Make-Deliver“. Egal ob beim Planen, Erstellen und Betreiben oder beim Beschaffen, Zusammenbauen und Ausliefern einer Lösung folgt die IT immer einem Service-zentrierten Ansatz. Innovation ist auf die Effizienzsteigerung des IT-Service ausgerichtet, das bedeutet, fest definierte Services möglichst kostengünstig zu erbringen. Vielfach ist die IT aktuell weit weg vom Business sowie der Umsetzungsgeschwindigkeit und Flexibilität, wie sie die Fachabteilungen heute benötigen.
In der Zwischenzeit hat in den IT-Abteilungen ein Umdenken eingesetzt und die IT entwickelt sich vom Supporter zum Enabler hin zum Driver des Business. Als Supporter gehörte das Unterstützen und Optimieren der Geschäftsprozesse zur Kernaufgabe der IT-Abteilung. In der neuen Rolle der IT als Driver tritt jedoch viel stärker der CDO in Aktion: Er erwartet von der IT, dass sie als Mitstreiter auf dem Weg zu neuen digitalen Geschäftsmodellen agiert.
Damit die IT in ihrer neuen Rolle erfolgreich sein kann, ist es nun die Aufgabe des CIO die IT-Organisation umzubauen. Laut der CGI Umfrage Global 1000 steht der CIO in der Regel vor drei großen Herausforderungen:
- Hoher Kostendruck: Um den Umbau der IT zu finanzieren, muss die IT zunächst Einsparpotenziale identifizieren, denn selten ist zusätzliches Budget vorhanden, das für den Umbau dringend benötig wird. Zudem steht das operative Business in vielen Branchen unter erheblichem Kostendruck, der sich fast immer auch auf die IT auswirkt.
- Time-to-Market: Features müssen immer schneller zu den Kunden kommen. Amazon, Netflix und Co. machen vor, wie täglich neue Funktionalität live geschaltet werden kann. Diesem Druck kann die klassisch aufgestellte IT aufgrund starrer Organisationen und veralteter Softwarelandschaften oft nicht standhalten.
- Beharrungskräfte verhindern den Umbau: Insbesondere im mittleren Management sind die Beharrungskräfte groß und die Veränderungsbereitschaft, sich auf eine neue Unternehmens- und Führungskultur einzulassen, gering.
Um diesen Herausforderungen der Digitalen Transformation zu begegnen, wird dazu geraten, die IT zunächst bimodal aufzustellen. Gemeint ist damit die Koexistenz zweier kohärenter IT-Arbeitsweisen. Im Mode 1 befasst sich die IT mit den langfristig stabilen, selten geänderten und in ihrem Verhalten vorhersehbaren Kernsystemen. Im Mode 2 arbeitet sie mit experimentellen und agilen Vorgehensweisen und konzentriert sich auf Applikationen an der Kundenschnittstelle: eine IT der zwei Geschwindigkeiten sozusagen.
Damit werden Konzepte aufgegriffen, die davon ausgehen, dass Managemententscheidungen entweder unter Sicherheit oder unter Unsicherheit getroffen werden. Daher werden auch in der IT zwei Modi benötigt – einerseits für die planbare und andererseits für die komplexe und explorative Welt, die nur durch Versuch und Irrtum erschlossen werden kann. In der komplexen Welt kommen neben Ansätzen zur agilen Softwareentwicklung zusätzlich DevOps-Verfahren zum Einsatz. DevOps bedeutet auch: Die IT arbeitet nicht mehr Projekt- und Aktivitäten-bezogen, sondern Produkt- und Ergebnis-bezogen. Ein Team ist damit für den gesamten IT-Lebens- und -Wertschöpfungszyklus einer Lösung verantwortlich – nach dem Motto „You Build It, You Run It“. Die Einführung einer bimodalen IT ist der erste Schritt auf dem Weg zur Umgestaltung der IT-Organisation.
Die IT muss schneller werden
Eine bimodale Organisation der IT greift die Anforderung auf, dass die IT bei der Umsetzung neuer Aufträge schneller werden muss – und dies ohne Abstriche bei der Qualität. Je näher die IT-Systeme am Endkunden ausgerichtet sind und je mehr Berührungspunkte der Endkunde durch IT-Systeme mit dem Unternehmen hat, desto größer werden die Anforderungen an eine schnelle Anpassbarkeit.
Zusätzlich zu einem bimodalen Ansatz ist die Unterscheidung zwischen Systems of Records (SoR) und Systems of Engagements (SoE) verbreitet. Die stabilen Systeme sind die transaktionalen Legacy-Systeme als SoR im Backoffice, die in der Regel mit vierteljährlichen oder halbjährlichen Releasezyklen geplant werden. Die agilen sind die kundenzentrierten SoE; hier finden sich alle Applikationen mit den Kundenkontaktpunkten.
Aktuell gibt es eine nachvollziehbare enge Kopplung zwischen SoR und SoE und diese bremst die IT aus. Will eine IT-Organisation flexibler agieren, müssen beide besser voneinander entkoppelt werden. Da SoR und SoE fachlich auch weiterhin miteinander verzahnt sind, können sie nur technisch getrennt werden. Vereinfacht ausgedrückt besteht die Lösung darin, dass zwischen den SoR und den SoE eine asynchrone auf Events basierende intelligente „Entkopplungsschicht“ eingezogen wird.
Komplexität in den Systems of Records verringern
Dazu bedarf es einiger Vorarbeiten bei den langjährig im Einsatz befindlichen betriebswirtschaftlichen Applikationen. Unternehmen haben diese Standardsoftware um individuelle Funktionalitäten und zusätzliche eigenentwickelte Lösungen erweitert, mit denen sie sich vom Wettbewerb differenzieren. Als Folge entstanden monolithische sowie oft nur noch aufwendig und langwierig zu wartende IT-Systemlandschaften.
Um schneller und flexibler agieren zu können, sollten Unternehmen dazu übergehen, die ursprünglich auf Anforderungen der Fachbereiche erstellten individuellen Funktionalitäten so weit möglich in Microservices zu überführen und sie in einem Services Layer unterzubringen. Anschließend können die Microservices – entkoppelt von den Standard-Applikationen – schnell und problemlos weiterentwickelt werden. Die konsequente „Entschlackung“ der betriebswirtschaftlichen Applikationen und damit der SoR führt zu einer deutlichen Reduktion der Komplexität und ebnet den Weg zur Standardisierung der IT-Infrastruktur. Der entscheidende Punkt dabei: In den fachlich definierten Microservices steckt das eigentliche Know-how der Unternehmen, mit dem sie ihre direkte Wertschöpfung erzielen.
Die IT sinnvoll verschlanken und Kosten vermeiden
Konsequent umgesetzt enthalten Microservices die eigentlichen Business Capabilities, die die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens ausmachen. Das bedeutet auch, dass die in den SoR verbliebenen, nicht wertschöpfenden Standardanwendungen so weit wie möglich ausgelagert werden können. CGI spricht hier vom Transformational Outsourcing.
Bei den wettbewerbsrelevanten Services sollten Unternehmen nach agilen Methoden vorgehen, eine eigene Softwareentwicklung betreiben und damit die Fertigungstiefe erhöhen. Die Entwickler konzentrieren sich in DevOps-Teams vollständig auf die Business Capabilities, mit denen sie die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens sicherstellen und weiter ausbauen.
Während sich aus der alten „Build“-IT eine agile und flexible IT mit hoher Fertigungstiefe entwickelt, entsteht aus der „Run“-IT das Cloud-Services-Management. Bis zu 90% der IT-Systeme werden in Private- und Public-Cloud-Umgebungen verlagert. Damit verlagert sich auch die Kompetenz und Verantwortung der „Run“-IT weg vom Betreiben eines eigenen On-Premise-Rechenzentrums hin zum Management der hybriden Cloud-Umgebungen: Dabei geht es um Vertragsmanagement, Monitoring der vereinbarten SLA, Consulting zur Auswahl passender Cloud-Umgebungen sowie um Belange wie Cyber- & Information-Security, Governance und Compliance.
Business und IT verschmelzen in neuen Wertschöpfungsnetzen
Mittelfristig wird die IT grundlegend umgebaut. Für die geschäftskritischen IT-Funktionalitäten gibt es Produkt-orientierte innovative Teams, die sich um eine schnelle Weiterentwicklung kümmern. Sie können flexibel auf geänderte Markt- und Kundenanforderungen reagieren und zusammen mit der Fachabteilung, in der sie organisatorisch angesiedelt werden, innerhalb kurzer Zeit neue Produkte und Services auf den Markt bringen. IT entsteht in Zukunft da, wo sie gebraucht und eingesetzt wird. Das ist Business-IT-Alignment in Reinkultur.
Neue Geschäftsmodelle brechen klassische Geschäftsprozesse auf. Damit verändert sich im Verlauf der Digitalen Transformation das Business deutlich. Mittelfristig werden die IT-Teams zusammen mit den Fachabteilungen in Einklang mit dem Business neu zusammengesetzt. Bei der Umsetzung der Digitalen Transformation und der Implementierung neuer Geschäftsprozesse und -modelle gewinnen die Fachabteilungen an Gewicht. Wenn die IT Produkt-orientiert aufgestellt ist und Unternehmen im idealen Fall alle nicht direkt die Wettbewerbsfähigkeit betreffenden und fördernden Applikation ausgelagert sind, wird die IT zunehmend mit den Fachabteilungen verschmelzen. Damit existiert dann auch eine völlig neue IT. Das Ziel dabei ist, dass eine dezentrale IT dann zu einem essenziellen Teil neuer Wertschöpfungsnetzwerke wird.
Weitere Informationen unter:
www.cgi.com
Ich wusste nicht, dass zum Cloud-Services-Management eines Unternehmens unter anderem auch das Vertragsmanagement gehört. Mein Onkel arbeitet in der Rechtsabteilung eines großen Unternehmens und beschäftigt sich gerade mit Vertragsmanagement. Er sagt mir immer, dass seine IT-Affinität für seinen Job mindestens so wichtig ist wie seine juristischen Kenntnisse.