Gastbeitrag

Verwaltungsroutine war gestern. Wer heute als Recruiter erfolgreich sein will, muss als Business-Versteher agieren. Dies setzt eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Fachbereichen voraus.

Stellen ausschreiben, Bewerbungen auswerten, Kandidaten einladen, an Vorstellungsrunden teilnehmen und das Onboarding neuer Mitarbeiter begleiten: Bislang war die Rolle der Recruiter auf administrative, eher passiv-abwartende Aufgaben im Auftrag der Fachbereiche beschränkt. Der steigende Fachkräftemangel jedoch verlangt von den Arbeitgebern, sich aktiv am Bewerbermarkt zu positionieren und für eine positive Candidate Experience – gute Bewerbererlebnisse – zu sorgen. Den Recruitern kommt in diesem Prozess eine Schlüsselstellung zu: Sie müssen als Brückenbauer zwischen intern und extern wirken, die die inhaltlichen und kulturellen Anforderungen der Fachabteilungen aus dem Effeff verstehen und gezielt nach außen kommunizieren.

Überzeugungsarbeit für neues Recruiting Mindset

Dazu sind mehrere Schritte erforderlich. Zunächst müssen die Recruiter ihre Fachkollegen vom neuen Recruiting Mindset überzeugen und zu einem intensiven laufenden Informationsaustausch motivieren. Denn auch die Anforderer haben es längst erfahren: Die Zeiten, in denen für jede Vakanz unter mehreren interessanten Bewerberinnen und Bewerbern gewählt werden konnte, sind vorbei. Um potenzielle Interessenten auf sich aufmerksam zu machen, müssen die Fachbereiche und Recruiter gemeinsam die konkreten Stelleninhalte und Alleinstellungsmerkmale definieren, die ihr Unternehmen im Vergleich zu anderen Arbeitgebern zu bieten hat. Außerdem sollten klare Aussagen über die Ziele der Teams erarbeitet werden, in denen offene Stellen zu besetzen sind. Statt mit Allgemeinplätzen wie „gute Karrierechancen“ zu werben, zeichnen die Unternehmen damit konkrete Entwicklungspfade für potenzielle Neueinsteiger auf.

Ohne aktive Mitarbeit der Fachbereiche läuft auch im Content Recruiting nichts, einem der zukunftsträchtigsten neuen Ansätze zur Personalgewinnung. Für Content Recruiting stellen die Fachbereiche den Recruitern hochwertige Inhalte zu spannenden Projekten, Technologien, Methoden und Forschungsthemen zur Verfügung. Diese Inhalte werden in ansprechende Formate, wie Blog Posts, Infografiken, White Paper, Studien, Experteninterviews und Gewinnspiele, verpackt und auf verschiedenen einschlägigen Kommunikationskanälen verbreitet. Damit profilieren sich die Unternehmen als Experten, Innovatoren und Trendsetter und können sich wesentlich mehr Aufmerksamkeit auf dem Bewerbermarkt sichern, als wenn sie ihre Leistungen als Arbeitgeber in den Vordergrund stellen würden.

„Recruiter müssen ihre Fachkollegen vom neuen Recruiting Mindset überzeugen und zu einem intensiven laufenden Informationsaustausch motivieren.“

Frank Rechsteiner

Gastautor:
Frank Rechsteiner, Inhaber Hype Group

Begleitung zu Kundenterminen vor Ort

Für die Recruiter wiederum empfiehlt es sich, für einen gewissen Zeitraum direkt in den Fachabteilungen mitzuarbeiten. Denn dies ist für sie die beste Gelegenheit, hautnah mitzuerleben, welchen Werten und Normen ihr Unternehmen im Umgang mit seinen Mitarbeitern, Partnern und Kunden verpflichtet ist. Darüber hinaus sollten sie ihre Fach- und Vertriebskollegen bei Kundenterminen vor Ort begleiten, um ein umfassendes Bild vom Alltagsgeschäft und von der Bandbreite ihres Produkt- und Serviceangebots zu gewinnen. Sie entwickeln damit ein sicheres Gespür von der Marktposition ihres Unternehmens. Recruiter, die sich zudem regelmäßig mit den Führungskräften austauschen, haben den Vorteil, über Trends und Neuigkeiten im Unternehmen auf dem Laufenden zu sein. Denn sie erfahren dabei Insider-Details, die im Vorstellungsgespräch dazu dienen, den Kandidaten den individuellen Unternehmens-Spirit zu vermitteln.

Verkürzung der Bewerbungsprozesse erforderlich

Verbindliche Vereinbarungen zwischen Recruitern und Fachbereichen sind auch unverzichtbar, wenn es um die Verkürzung der Bewerbungsprozesse geht. Generell sollten zwischen der ersten Kontaktaufnahme mit einem Kandidaten und dem Vertragsabschluss nicht mehr als drei Wochen vergehen. Ansonsten droht die Gefahr, dass Bewerber abspringen, da die meisten heute unter mehreren attraktiven Jobangeboten wählen können. Für die Recruiter empfiehlt es sich, die Anforderer auf feste Feedback-Fristen zu verpflichten. So sollte für eine erste Rückmeldung auf eingegangene Bewerbungen höchstens zwei Werktage benötigt werden, während die Vorstellungsrunden nach spätestens acht Werktagen starten sollten. Dies gelingt umso besser, wenn fixe Recruiting Days – etwa jeden Freitag – vereinbart werden. Möglicherweise genügt zur Entscheidungsfindung auch ein einziges Bewerbungsgespräch („The big Date“), das allerdings sehr gut vorbereitet werden muss.

Unternehmen tun gut daran, für „The big Date“ einen Standardprozess zu etablieren. So sollten für ein Bewerbungsgespräch insgesamt vier Stunden anberaumt werden, in denen jeder Kandidat nacheinander von vier verschiedenen Gesprächspartnern interviewt wird – angefangen beim HR-Manager über den Abteilungsleiter und künftigen Kollegen bis hin zum Geschäftsführer. Sind die Gesprächspartner mit dem Bewerber zufrieden und wollen künftig mit ihm arbeiten, sollte schon gleich nach dem Vorstellungsgespräch eine definitive Entscheidung fallen und innerhalb von zwölf Stunden ein entsprechender Arbeitsvertrag erstellt werden. Diesen Kontrakt erhält der Kandidat vorab per E-Mail und parallel dazu per Post. Praxiserfahrungen zeigen, dass Unternehmen ihre Abschlussquoten mit „The big Date“ deutlich steigern können. Denn die Kandidaten fühlen sich durch diesen kurzen und ehrlichen Prozess außerordentlich wertgeschätzt.

Rollenspezifischer Online-Workshop

Frank Rechsteiner hat seine Empfehlungen für Recruiter und Sourcer in einem rollenspezifischen Online-Workshop gebündelt.

Hier erfahren interessierte Spezialisten für die Personalsuche, mit welchen Maßnahmen sich die neuen Herausforderungen im Recruiting meistern lassen:
https://neue-recruitingmodelle.com/courses/workshop-fuer-recruiter/

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Bild von Sebastian Šoška auf Pixabay