Vier Säulen der Customer Experience
von Kathleen Jaedtke
Die vier Säulen der Customer Experience: So stellen Unternehmen das Kundenerlebnis in den Fokus
Selten war eine Plattitüde so treffend wie diese: Beständig ist nur der Wandel. Dieser Spruch bewahrheitete sich während der Corona-Krise gleich mehr als einmal. Das Jahr 2020 hat ganze Branchen auf den Kopf gestellt, unseren Arbeitsalltag und unser Einkaufsverhalten geändert. Für viele Unternehmen bedeutete das eine Umorientierung von jetzt auf gleich, um die Bedürfnisse ihrer Kundschaft zu erfüllen. „Digital first“ oder sogar „Digital only“ lautete die Aufgabe. Die Wirtschaft hat in den vergangenen vierzehn Monaten mehr Veränderungen erlebt als im letzten Jahrzehnt. Ein Zurück gibt es nicht mehr. Das digitale Kundenerlebnis muss nun im Mittelpunkt stehen. Wie man das umsetzt, erklärt Kathleen Jaedtke, Regional Marketing Lead DACH bei HubSpot.
Customer Experience als Wettbewerbsvorteil
Wir befinden uns mitten im Zeitalter der Kundschaft. Heutzutage können Interessierte an Produktinformationen gelangen, Preise oder Anbieter vergleichen. Der Löwenanteil bei der Kaufentscheidung, ob von Endkonsumenten oder Geschäftskunden, passiert, bevor ein Anbieter angesprochen wird. Dementsprechend haben sich die Erwartungen verändert und Unternehmen müssen mit ihren Produkten und Dienstleistungen neuen Anforderungen genügen. Denn die Kundschaft will sich auf einfache Weise informieren und kaufen, schnell und unkompliziert Kontakt aufnehmen und Hilfestellung bekommen. Dabei sollte uns immer gewahr sein, dass die Klientel, die eine schlechte Erfahrung gemacht hat, einfach zum nächsten Anbieter geht. Die Konkurrenz ist immer nur einen Klick entfernt.
Die Kernkompetenz von Unternehmen in diesem „Zeitalter der Kundschaft“ muss demzufolge in der Customer Experience liegen, also der Wahrnehmung aller Interaktionen mit einem Anbieter aus Kundensicht. Egal, ob es sich dabei um das Produkt handelt, die Website, einen Kontakt mit dem Sales-Team oder der Buchhaltung. Alle Bereiche müssen harmonisch zusammenarbeiten, um ein gelungenes Kundenerlebnis zu schaffen.
Dass Customer Experience den Unterschied macht, sieht man an disruptiven Unternehmen, die ganze Branchen auf den Kopf stellen und sehr erfolgreich sind, eben weil sie ihre Dienstleistungen oder Produkte mithilfe von Technologie im Sinne des Kunden denken. Gute Beispiele sind Netflix, Sephora oder Amazon Web Services. Customer Experience ist heutzutage ein Wettbewerbsvorteil. Kunden sind sogar bereit, für ein Produkt bis zu 16 Prozent mehr auszugeben, wenn sie eine positive Erfahrung mit dem Kauf oder der Nutzung verbinden (PwC, Future of Customer Experience Survey, 2017/2018).
Die Kunden im Fokus: So bauen Unternehmen Customer Experience als Kernkompetenz auf
Customer Experience bedeutet, in hohem Maße auf die Kundschaft zu reagieren. Damit das funktioniert, müssen Unternehmen Strukturen schaffen, um das Kundenerlebnis einfach anzupassen und weiterzuentwickeln. Die Etablierung und Aufrechterhaltung solcher Strukturen ist Kunst und Wissenschaft zugleich.
Der „künstlerische“ Teil ist für jedes Unternehmen einzigartig. Hierbei geht es darum, die Customer Experience in die DNA der Firma zu bringen und in die Unternehmenskultur zu integrieren. Das ist die Grundlage, um das Kundenerlebnis in den Mittelpunkt zu rücken. Die Customer Experience wird Teil der Unternehmenswerte, die alle Mitarbeitenden verinnerlichen. Bei HubSpot haben wir einen Nordstern, der „Solve for the Customer“ heißt. Von diesem Leitsatz aus denken, entwickeln und handeln alle Mitarbeitenden. Wie Firmen die Wahrnehmung und Meinung der Kundschaft ins Unternehmen tragen, kann ganz unterschiedlich sein. Beispiele sind die Vorstellung von Kennzahlen wie Customer Satisfaction Score, Net Promoter Score oder Customer Effort Score oder qualitatives Feedback durch Gesprächsrunden mit Kunden und Kundinnen, um herauszufinden, wo Probleme liegen.
Der „wissenschaftliche“ Teil der Customer Experience ist die interne Umsetzung im Unternehmen, die Methodik und Disziplin erfordert.
Sie basiert auf vier Säulen:
Abgestimmte Teams: Verantwortlichkeiten schaffen
Es ist wichtig, dass alle Teams auf die Customer Experience hinarbeiten und eine zentrale Gruppe von Mitarbeitenden das Kundenerlebnis abteilungsübergreifend denkt und verantwortet. Das kann je nach Organisationsstruktur eines Unternehmens unterschiedlich aussehen, beispielsweise findet sich der oder die Chief Customer Officer mit Köpfen aus Marketing, Sales und Kundensupport zusammen. Die Gruppe sollte Abstimmungen und Zeiträume eng takten, um Verantwortlichkeit zu schaffen.
Abgestimmte Strategie: Kundenorientiert statt funktionsorientiert
In den Abteilungen, die Kundenkontakt haben, meist sind dies Marketing, Sales und Support, ist normalerweise jedes Team auf den Teil des Kundenerlebnisses konzentriert, für den es direkt verantwortlich ist.
Abb. 1: Wer Marketing, Sales und Kundenservice mit dem Ziel einer gelungenen Customer Experience ineinandergreifen lassen will, muss häufig feststellen, dass die unterschiedlichen Abteilungen in Silos arbeiten. Eine neue kundenzentrierte Strategie muss her.
Dieser funktionsorientierte Ansatz ist jedoch konträr zu einer ganzheitlichen Customer Experience. Stattdessen sollten alle Teams gemeinsam an einem Strang ziehen und eine abteilungsübergreifende Strategie für die Customer Experience haben. Um diesen kundenorientierten Ansatz zu etablieren, helfen Operations Manager, die nicht nur Prozesse, Daten und Tools in ihrer Abteilung zum Wohl der Kundschaft einsetzen, sondern auch abteilungsübergreifend zusammenarbeiten (Abb. 2).
Abb. 2: Funktionsorientierte versus kundenorientierte Strategie: Verantwortliche im Bereich Operations müssen für ein besseres Kundenerlebnis abteilungsübergreifend zusammenarbeiten
Abgestimmte Systeme: Prozesse, Tools und Daten synchronisieren und integrieren
Abgestimmte Teams und Strategien sind zum Scheitern verurteilt, wenn es keine abgestimmten Systeme gibt. Denn nur durch benutzerfreundliche Technologie können die Teams eine gelungene Customer Experience überhaupt umsetzen. Prozesse müssen nahtlos ineinandergreifen und automatisiert ablaufen, Tools müssen integriert und Kundendaten konsistent sein. Ein System, wie eine Customer-Relationship-Management(CRM-)Plattform kann einen Eckpfeiler bilden, allerdings nur, wenn alle Abteilungen diese nutzen und Daten einspeisen. Denn davon hängt auch der Automatisierungs- und Personalisierungsgrad der Kundenkommunikation ab. Hier zwei Beispiele: Ein Anruf beim Kundenservice sollte den Inhalt von Marketingbotschaften dynamisch verändern. Eine Ansammlung von Besuchen auf einer Website sollte den Vertriebsansatz und die Priorisierung von Aktivitäten beeinflussen.
Idealerweise sind Systeme flexibel und wachsen mit den Geschäftsanforderungen mit. Egal, ob es um mehr Kundendaten, neue Tools, die Anpassung von Workflows oder neue Marketing-Automatisierungen geht.
Abgestimmte Anreize: Einheitliche Ziele und Kennzahlen einführen
Die letzte Säule der Customer Experience sind die abgestimmten Anreize innerhalb der Abteilungen eines Unternehmens. Oft gibt es Spannungen zwischen den Units, weil die Teams ihre eigenen Ziele und Anreize haben. Ein Beispiel: Sales bekommt Provisionen für Neugeschäft, Customer Success soll Bestandskunden entwickeln. Eine mögliche einheitliche Kennzahl wäre beispielsweise Revenue Retention (Umsatzerhalt). Sie hilft Sales- und Customer-Success-Teams dabei, qualitativ hochwertige, gut passende Kunden zu finden und ihnen beim Wachstum zu helfen. Ein anderer Ansatz, den wir ebenfalls selbst bei HubSpot nutzen, ist den NPS (Net Promoter Score) nicht mehr im Customer-Success-Team zu verankern, sondern im Produktteam. Denn Änderungen am Produkt haben einen direkten Einfluss auf die Weiterempfehlungsrate. Durch einheitliche oder aufeinander aufbauende Ziele und Metriken bleibt der Fokus stets auf die Customer Experience ausgerichtet. Denn Unternehmen sind erfolgreich, wenn ihre Kundschaft es ist.
Fazit
Um ein nahtloses Kundenerlebnis zu schaffen, sollten Unternehmen kurzfristige Strategien hinterfragen, Customer Experience als Kernwert etablieren und in alle Teams bringen. Wichtig ist, abteilungsübergreifendes Denken zu fördern. Was in einem Teil des Kundenerlebnisses passiert, hat direkte Auswirkungen auf andere Bereiche. Unternehmen müssen langfristig agieren, die Zufriedenheit oder den Erfolg der Kundschaft priorisieren und kundenorientiert handeln. Dann werden sie vom Zeitalter der Kundschaft profitieren. <<
Lesen Sie Teil I : Was wollen Kunden wirklich?
Kathleen Jaedtke
Kathleen Jaedtke ist Marketingexpertin, Autorin und Sprecherin. Die Diplom-Volkswirtin leitet als Regional Marketing Lead DACH ein deutschsprachiges Team von Marketern bei der internationalen CRM-Plattform HubSpot. Vor ihrer Tätigkeit bei HubSpot hat sie die Content-Marketing-Aktivitäten für Deutschland, Österreich und die Schweiz bei Zalando geleitet und mehrere internationale SEO-Teams erfolgreich aufgebaut. Seit Mai 2020 ist sie Dozentin im Rahmen der Weiterbildung SEO Manager*in an der Technischen Hochschule Köln.
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