Trends in der nachhaltigen Geldanlage

Die TREND-REPORT-Redaktion spricht mit Sascha Görlitz, Geschäftsführer beim Forum Nachhaltige Geldanlagen e.V.  (FNG), über Impact-Investments, nachhaltige Geldanlagen und Investmentstrategien.

 

Interviewpartner: seit Januar 2022 ist Sascha Görlitz Geschäftsführer beim FNG.

Herr Görlitz, welche Trends machen Sie im Kontext nachhaltiger Geldanlagen aus?

Die Umsetzung der EU-Sustainable-Finance Gesetzgebung stellt auch 2023 weiterhin viele Produktanbieter vor immense Herausforderungen. Dabei tragen vor allem die zuletzt häufiger aufkommenden Greenwashing-Vorwürfe gegenüber Finanzprodukten zu einer Verunsicherung bei. Die gegenwärtige Unsicherheit in der Auslegung relevanter Rechtsakte ist sicherlich auch ein Grund für die Umklassifizierung vieler Fonds: in den letzten Monaten wurden eine Reihe von Fonds, die unter Art. 9 berichtet haben, zum Bericht unter Art. 8 umklassifiziert. Währenddessen steigt langsam das Bewusstsein der Branche für die Bedeutung von Biodiversität und die damit verbundenen Ökosystemleistungen – nicht nur im Hinblick auf den Klimawandel, sondern auch bezogen auf die globalen Wirtschaftsleistungen. Bisher berücksichtigen öffentliche und private Finanzströme diesen Umstand noch nicht ausreichend. Weiterhin steigt der Anteil privater Investoren an nachhaltigen Geldanlagen. 2022 zuletzt deutlich, hier konnten wir in unserem jährlichen Marktbericht ein Plus von 230% in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen. Wir sind gespannt wie sich diese Entwicklung fortsetzen wird. Des Weiteren kommen immer mehr neue Instrumente mit einem Nachhaltigkeitsfokus auf den Markt, z.B. Sustainability-Linked-Bonds (SLB), bei denen finanzielle Charakteristiken von einer vorher festgelegten Zielerreichung, etwa dem prozentualen Zubau regenerativer Energien im Vergleich zum Vorjahr, abhängen.

Welche Rolle spielen Impact-Investments im Hinblick auf nachhaltige Geldanlagen und Investmentstrategien?

Zuletzt hat das Thema Wirkung für Anlegende an Bedeutung gewonnen. Bisher gibt es jedoch noch wenig Finanzprodukte, die dieses Interesse widerspiegeln. Daher machen Impact Investments bis dato nur einen kleinen Teil Nachhaltiger Geldanlagen aus. Zudem befindet sich ein Konsens darüber, was als Impact Investment gilt, noch in der Entwicklung. Bisherige Angaben beruhen daher auf Selbsteinschätzungen von Anbieter:innen. Wir vom FNG verstehen darunter, kurz gesagt, Investitionen, die neben einer finanziellen Rendite auch einen positiven Beitrag zur Lösung von ökologischen und/oder sozialen Problemen leisten. Dabei zeichnen sich Impact Investments für uns durch fünf Merkmale aus: die Intentionalität zu einer nachhaltigen Transformation der Wirtschaft beizutragen, die Zusätzlichkeit des positiven Beitrags, welcher signifikant sein soll und glaubhaft dargelegt werden muss sowie die Berücksichtigung negativer Beiträge, die Erläuterung der Wirkungskanäle, die Messbarkeit anhand dargelegter Kriterien und die Transparenz hinsichtlich der Berichterstattung.

ESG vs. Impact Investing: Wie können Anleger eine (wirkliche) nachhaltige Geldanlage finden?

Das ist schwer zu sagen, denn aktuell gibt es mehrere Definitionen von nachhaltigen Investitionen, z.B. auf EU-Ebene in der Offenlegungsverordnung und für „ökologisch nachhaltige Investitionen“ in der Taxonomieverordnung. Daher existiert ein breites Spektrum von Anlagestrategien. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist eine individuelle Auseinandersetzung mit dem Thema unumgänglich, denn es gibt sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber, was eine nachhaltige Geldanlage ausmacht. Daher bleibt es wichtig, die gewählten Strategien der Anbieter nachzuvollziehen und zu prüfen, ob diese mit den eigenen Vorstellungen einhergehen. Gute Orientierung bieten dabei SRI-Siegel, wie z.B. das FNG-Siegel oder das Österreichische Umweltzeichen. Einen Überblick auf Basis einer Selbstauskunft der Anbieter ermöglicht das FNG-Nachhaltigkeitsprofil, mit dem etwa nach präferierten Ausschlüssen der einzelnen ESG-Dimensionen gesucht werden kann. Hat man bereits eine engere Auswahl getroffen, kann bei Artikel 8 oder 9 Produkten gemäß der Offenlegungsverordnung auch der Anhang Vorvertragliche Informationen genutzt werden, um an detaillierte Auskünfte zu gelangen. Daneben kann die EU-Taxonomie Auskunft darüber geben in wie weit die vorgegebenen Ziele der EU verfolgt werden, allerdings ist die Berechnung der Quoten derzeit noch in der Findungsphase. Auch im Bereich Benchmarks stehen mit dem „Climate Transition Benchmark“ & dem „Paris Aligned Benchmark“ nun Orientierungshilfen zur Verfügung.

Welche Rolle spielen in diesem Kontext Impact-Fonds?

Bei Impact Investments im engeren Sinne steht die Entwicklung von Orientierungshilfen erst am Anfang. Hier existiert noch kein Branchenstandard in Form eines Labels. Erste Versuche dazu lassen sich bisher in der UK beobachten. Anlegenden bleibt daher gegenwärtig nichts anderes übrig, als sich mit den in Frage kommenden Fonds auseinanderzusetzen und die verfügbaren Informationen, etwa angesprochene Impact-Reports, zu prüfen und mit den eigenen Vorstellungen abzugleichen. Außerdem kann die Hilfe von Berater:innnen herangezogen werden. Die FNG-Definition von Impact Investments, einschließlich der fünf Impact-Merkmale, kann ebenso bei der Orientierung und Differenzierung helfen.

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse, die aus Ihrer Publikation „Impact in der Praxis“
hervorgegangen sind?

Es hat sich gezeigt, dass auch im Bereich Impact Investments der Markt bereits vielfältige Anlageklassen anbietet. Diese reichen von Aktien-, Renten- und Misch-Fonds, hin zu Immobilien- und Mikrofinanzfonds sowie Private Debt und Private Equity-Produkten. Unsere Untersuchung der Praxisbeispiele hat gezeigt, dass vor allem ökologische und soziale Wirkungsziele verfolgt werden, die sich mehrheitlich nach den SDGs, den Sustainable Development Goals der UN, oder eigens formulierten Transformationszielen richten. Governance-Ziele hingegen wurden nur wenig angestrebt. Es hat sich auch gezeigt, dass als Wirkungskanal bei fast allen Praxisbeispielen Engagement genutzt wird, häufig auch Kapitalallokation. Herausforderungen liegen hierbei vor allem bei der Wirkungsmessung, denn die Taxonomie besitzt noch keine Marktreife. Deswegen nutzen Anbieter:innen meistens die SDGs als internationales Rahmenwerk. Da Wirkung auf unterschiedlichen Ebenen erfolgen kann, ist Transparenz unheimlich wichtig, um dem Vorwurf des Impact-Washings vorzubeugen. Meist geschieht das in Form einer festgelegten Berichterstattung. Transparenz bietet darüber hinaus auch die Chance zum Austausch, insbesondere zur Wirkungsmessung und um Informationsasymmetrien zwischen Finanzmarktteilnehmer:innen abzubauen.

Welche Assetklassen machen Sie noch aus?

Insgesamt findet in immer mehr Anlageklasse eine Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit statt. Für Aktien ist gegenwärtig eine vergleichsweise gute Datengrundlage verfügbar, auch Anleihen und Immobilien bieten mit einheitlichen Rahmenwerken Raum für Orientierung. Mikrofinanzfonds spielen besonders im Impact-Bereich eine große Rolle. Für Assetklassen wie Private Debt oder Private Equity sind ebenfalls Bemühungen ersichtlich, allerdings erschweren die fehlenden Berichterstattungspflichten privater Märkte, verglichen mit gelisteten Unternehmen, eine einheitliche Klassifizierung in der gesamten Breite des Marktes. Auch im Bereich der Alternativen Assets und der Derivate gibt es zunehmend Strategien, die eine Berücksichtigung der Nachhaltigkeit einfordern, auch ohne explizite regulatorische Pflicht. Gerade der Bereich Alternativer Investments, der auch Investitionen in Infrastruktur umfasst, kann ein geeigneter Ort für die gewünschte Wirkungserzielung sein.

Welche Richtlinien gibt es bereits für Impact Investments?

Von Seiten der Produktanbieter wird die Wirkung eines Produkts meist über die SDGs angegeben, aber auch die EU Taxonomie spielt hier ein zunehmende Rolle. Darüber hinaus gibt es z.B. die Operating Principles for Impact Management, welche sich ebenso großer Beliebtheit erfreuen. Ein von Allen anerkanntes Rahmenwerk gibt es im Moment nicht.

Mit welchen Veränderungen muss der Finanzsektor in den nächsten Jahren rechnen?

Da die Umsetzung der EU-Sustainable-Finance Gesetzgebung noch voll im Gange ist, sind aktuell viele Fragen offen. Diese Fragen werden sich aber nach und nach klären. Damit verbunden ist zum Beispiel die Schrittweise Erhöhung der Datenverfügbarkeit mit Inkrafttreten der CSRD und den Delegierten Rechtsakten, die noch zur Taxonomie-Verordnung der EU erwartet werden. Wir befinden uns aktuell in einer Situation, in der die Datengrundlage oft nicht ausreichend ist. Mittelfristig wird sich das ändern und es werden große Mengen an Daten verarbeitet werden können und auch müssen. Mit dem Erlass der Delegierten Rechtsakte zu den Umweltzielen 4 – 6 der Taxonomie-Verordnung werden dann auch Themen wie Biodiversität und Kreislaufwirtschaft an Relevanz für die Real- und Finanzwirtschaft gewinnen. Da aber auch die Überprüfung der Offenlegungsverordnung ansteht, sind neue Regulierungen hier mittelfristig durchaus denkbar, unter anderem auch, um Greenwashing Einhalt zu gebieten.

Nachhaltigkeitspräferenzen: Inwieweit verändert MiFID II die Finanzberatung?

Auch bei der Umsetzung der MiFID II – Änderungen vom 2. August 2022, die Berater:innen dazu verpflichtet die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kund:innen abzufragen, bestehen weiterhin Unsicherheiten. Neben der Befürchtung, dass der Fondsvertrieb unter gegenwärtigen Umständen nicht kostendeckend umgesetzt werden kann, hat sich ein erhöhter Weiterbildungsbedarf in der Beratung ergeben, da einige Berater:innen erstmals mit dem Thema Nachhaltigkeit in Berührung kommen. Erste Studien zeigen, dass die Umsetzung bisher noch nicht ausreichend stattgefunden hat und nicht immer der Abfragepflicht nach MiFID II in der Praxis nachgekommen wird. Wir begrüßen allerdings, dass kürzlich vom Bundesrat entschieden wurde, nun auch Finanzanlagenvermittler:innen und Honorar-Finanzanlagenberater:innen gemäß §34f und §34h der Gewerbeordnung in die Beratungspflicht zu inkludieren. Bislang waren diese von der Pflicht ausgenommen. Damit müssen nun deutschlandweit flächendeckend Nachhaltigkeitspräferenzen von Kund:innen nach MiFID II in Beratungsgesprächen abgefragt werden.

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