Smarte Grundversorgung

von Michael Lücke und Marko Jeftic

Die Grundversorgung mit Waren des täglichen Bedarfs ist durch das Ladensterben in vielen ländlichen und städtischen Gebieten in Gefahr. CrowdMyRegion und LOUISE, zwei vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderte Forschungsprojekte, entwickeln smarte Services, mit denen die Grundversorgung gesichert wird ­– selbst in Pandemie-bedingten Lockdown-Zeiten.

Zu den Stärken digitaler Technologien gehört, dass sie Vernetzungen ermöglichen, von denen alle Beteiligten profitieren können. Zwei Beispiele dafür bieten die im Technologieprogramm Smart Service Welten BMWi-geförderten Projekte CrowdMyRegion und LOUISE. Beide adressieren ein Problem, das sowohl den ländlichen Raum betrifft als auch viele Innenstädte: Immer mehr Ladengeschäfte schließen, wodurch die Wege für tägliche Besorgungen länger und umständlicher werden. In ländlichen Gebieten schließen viele Ladengeschäfte, da ihnen durch den Wegzug junger Menschen Kunden fehlen. In den Städten haben Ladengeschäfte vor allem mit dem der Konkurrenz des Onlinehandels sowie mit einer Verdichtung des Einzelhandels auf immer weniger Handelsketten zu kämpfen. Gab es 2002 noch rund 420.000 Einzelhandelsunternehmen, waren es 2018 nicht einmal mehr 340.000[1].

Die Nöte des Einzelhandels lassen sich mit weiteren Zahlen belegen: Im Jahr 2000 flossen noch 38 Prozent des privaten Konsums in den Einzelhandel. 2019 war der Anteil auf 32 Prozent gefallen. Durch die Coronavirus-Epidemie wird der Anteil weiter sinken, zumal der Online-Handel zu den Gewinnern der Krise gehört. Zu erwarten ist daher, dass der Einzelhandel auch in den kommenden Jahren nicht in mehr neue Flächen oder gar neue Ladengeschäfte investieren wird. Wie schon in den vergangenen zehn Jahren dürften die bestimmenden Themen im Einzelhandel auch künftig der Ausbau von E-Business sowie der Attraktivitätsverlust der Innenstädte sein.

Was aber können Ladengeschäfte und betroffene Gemeinden tun? Einem populären Bild zufolge gleicht die Digitalisierung einer Zahncreme, die sich nicht mehr in die Tube zurückdrücken lässt. Am sinnvollsten ist es somit, die Digitalisierung zu nutzen, um mit ihrer Hilfe die Versorgung im ländlichen Raum zu verbessern und durch digitale Services die Attraktivität der Angebote in den Innenstädten zu steigern. Eben solche Lösungen entstehen in den Projekten CrowdMyRegion und LOUISE.

CrowdMyRegion – das Mitbringnetzwerk

Im Projekt CrowdMyRegion wurde ein App-basiertes Mitbringnetzwerk entwickelt, das ganz auf den ländlichen Raum zugeschnitten ist. Es beruht auf der Idee, dass es ökologischer, ökonomischer und auch sozialer ist, Waren mitzubringen, statt sie auszuliefern. Gerade im ländlichen Raum sind viele Pendler sowie Gewerbetreibende mit freien Ladekapazitäten unterwegs. CrowdMyRegion macht diese Kapazitäten nutzbar. Das dafür entwickelte System besteht aus einem Online-Portal, dessen Dienste bequem per App abrufbar sind.

Geschäfte aus der Region können sich auf dem Online-Portal registrieren und Waren aus ihrem Sortiment auf dem Online-Marktplatz platzieren. Händler werden dabei mit einem Einrichtungsassistenten unterstützt. Kunden haben die Möglichkeit, über die Eingabe ihrer Postleitzahl rasch zu sehen, welche Anbieter aus ihrer Region bereits teilnehmen. Mit der von CrowdMyRegion entwickelten Marktfee.app können sie die gewünschten Waren online bestellen und bargeldlos bezahlen. Die App erlaubt es den Kunden zu wählen, ob sie die Waren zu einem bestimmten Zeitpunkt selbst abholen möchten bzw. ob ein Freund oder Bekannter sie abholt. Zudem besteht die Möglichkeit, sich die Bestellung von einem Fahrer mitbringen zu lassen, der ohnehin die Strecke fährt. Die Fahrer haben sich dafür vorab registriert und erhalten eine entsprechende Anfrage.

Hier geht es zum Video des Projekts…

Die bislang gemachten Erfahrungen zeigen, dass mit Marktfee.app von CrowdMyRegion vor allem kleinere Händler gestärkt werden, die durch den Mitbringdienst ihren Kundenkreis erweitern können. Zudem profitieren vor allem all jene von dem smarten Service, die nicht täglich selbst in umliegende Orte fahren können, weil sie beispielsweise kein eigenes Auto haben oder aufgrund von Alter und Krankheit nicht mehr selbst fahren. Da die Waren bargeldlos bezahlt und kontaktfrei abgestellt werden können, ist Marktfee.app auch ein gutes Instrument, um die Grundversorgung sicherzustellen und zugleich der Ausbreitung des Coronavirus vorzubeugen.

LOUISE – smarte Lieferservices für den lokalen Handel

Auf die veränderten Bedingungen unter Corona eingestellt, hat sich auch das BMWi-geförderte Projekt LOUISE. Es bietet den COVID-19-Risikogruppen einen Einkaufsservice an und ermöglicht ihnen so, zu Hause zu bleiben. Ab einem Bestellwert von etwa 30 Euro können unter einer Telefon-Hotline Waren der Grundversorgung (Lebensmittel, Hygiene- und Putzartikel) bestellt und kontaktfrei geliefert werden. Eingebettet ist dieser Service in das Logistik-Netzwerk für den Handel in der Modellstadt Bottrop, das das Projekt LOUISE aufbaut. Kern des Netzwerks ist eine Plattform, die private Haushalte, stationäre Einzelhändler und Dienstleister sowie Logistikanbieter miteinander verknüpft.

Geschäfte in Bottrop können ihre Waren und Dienstleistungen über die Plattform anbieten. Die Kunden erhalten so die Möglichkeit, diese Angebote jederzeit online zu bestellen. Der Clou von LOUISE sind die zahlreichen Wahlmöglichkeiten der Lieferung. So wurden unter anderem in verschiedenen Stadtteilen an Orten wie Tankstellen oder Kiosken „LOUISE-Points“ geschaffen, an denen Lieferungen abgeholt werden können. Rund um die Uhr geöffnet sind die LOUISE-Paketschränke am Bottroper Hauptbahnhof und am Eigener Markt.

LOUISE bietet sich aber auch für Dienstleistungen an. Wer beispielsweise einen Schuh reparieren möchte, sucht sich über die Plattform einen entsprechenden Anbieter heraus. Der Schuh muss jedoch nicht selbst ins Geschäft gebracht werden, das erledigt ein Abholservice. Ist der Schuh repariert, kann er über den Service auch wieder zurückgebracht werden. Durch die zusätzlichen, digital gestützten Lieferservices werden Handel und Dienstleistung in Bottrop gestärkt und so die Attraktivität der Innenstadt erhalten und verbessert.

Über die Autoren

Diplom-Logistiker Michael Lücke ist Senior Engineer mit Schwerpunkt Supply Chain Operations am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML, das Teil des Projektverbunds von LOUISE ist. Marko Jeftic, Wirtschaftsingenieur mit Fokus auf Entrepreneurship, ist Geschäftsführer der ciconia Software GmbH aus dem Konsortium des Projekts CrowdMyRegion. Die Projekte LOUISE und CrowdMyRegion werden im Rahmen des Technologieprogramms Smart Service Welten vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert.

Weitere Informationen unter:
https://www.digitale-technologien.de/DT/Redaktion/DE/Textbausteine/SmartServiceWeltenMarginalspalten/Wohnen_Leben/SSWII_Projekt_crowdmyregion_Video.html

[1] Quelle: Statista, https://de.statista.com/themen/136/einzelhandel-in-deutschland/, fußend auf Angaben des Statistischen Bundesamtes – auch die weiteren Zahlen sind von dort entnommen