Realistischer Energiemix für Deutschland
Wie erschließt man mit möglichst umweltfreundlichen Methoden neue Schiefergaslagerstätten in Deutschland? Florian Barsch berichtet in seinem Gastbeitrag über innovative Technologien und das große Potenzial für den Standort.
Zugegeben, es ist verlockend einfach: Wer energiepolitisch zu denen gehören will, die auf der Höhe der Zeit sind, modern, zukunftsorientiert und dazu noch klima- und umweltbewusst, der setzt nicht auf fossile Rohstoffe, sondern auf erneuerbare Energien wie Wind und Sonne. Klingt gut, greift aber zu kurz. Der Energiebedarf gerade eines Industriestandorts wie Deutschland lässt sich auf absehbare Zeit ohne fossile Rohstoffe nicht decken. Sie machen den Löwenanteil des Energiebedarfs aus und werden das auch in den kommenden Jahren noch tun. Ein moderner Energiemix ist ohne diese klassischen Rohstoffe in den nächsten Jahrzehnten nicht vorstellbar.
Das gilt insbesondere auch für Erdgas. Schon heute ist der Anteil von Erdgas im Energiemix fast zehnmal so groß wie der von Wind und Sonne zusammen. Tendenz: steigend. Warum? Zum Beispiel, weil Erdgas unter den fossilen Rohstoffen unter Klimagesichtspunkten die Nase vorn hat. Obwohl Erdgas bei der Stromerzeugung in Deutschland eine eher untergeordnete Rolle spielt – nur gut zehn Prozent des Stroms werden heute mit Erdgas erzeugt – ist Erdgas im Industriesektor sowie im Wärmemarkt Energieträger Nr. 1: Erdgas dient der heimischen Industrie als wichtiger Rohstoff und jeder zweite Haushalt nutzt Erdgas zum Heizen.
Die Frage ist also nicht, ob Deutschland Erdgas braucht, sondern, wo es herkommt. Unter Klima- und Umweltschutzgesichtspunkten, aber auch aus ökonomischer Sicht spricht eine Menge dafür, sich nicht zu 100 Prozent von Importen aus dem Ausland abhängig zu machen. Die heimische Erdgasproduktion spart schon heute mehrere Millionen Tonnen CO2 gegenüber Importgas ein. Allein die bisherige Erdgasproduktion im eigenen Land hat so viel CO2 eingespart wie sämtliche PKW auf unseren Straßen über einen Zeitraum von drei Jahren emittieren. Heimisches Erdgas steht zudem subventionsfrei zur Verfügung, spült Förderabgaben und Gewerbesteuern in die Länder- und kommunalen Haushalte, stärkt die Versorgungssicherheit und bietet die Chance auf positive Preiseffekte für Industrie und Verbraucher. Da ist es eine gute Nachricht, dass Deutschland über ein großes Potenzial an eigenem Erdgas verfügt. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe schätzt allein das Potenzial im Schiefergestein, also das sogenannte Schiefergas, auf bis zu 2,3 Billionen Kubikmeter. Rein rechnerisch könnte Deutschland allein damit für Jahrzehnte seinen Erdgasbedarf decken. Und das Land ist gut gerüstet, diesen Schatz verantwortlich zu heben: Über Jahrzehnte gewachsenes Know-how, hochqualifizierte Arbeitsplätze, weltweit einmalig hohe Umwelt- und Sicherheitsstandards und vor allem eine Industrie, die nicht nur bereit ist zu investieren, sondern die bereit ist für Innovation, Pioniergeist und technische Weiterentwicklungen.
Das gilt in besonderem Maße für das Schiefergas: Um diese Vorkommen zu nutzen, braucht es das derzeit vieldiskutierte Fracking-Verfahren (genauer: Hydraulic Fracturing). Industrie und Fachbehörden haben damit seit Jahrzehnten Erfahrung, auch hier in Deutschland: Ein Drittel des in Deutschland geförderten Erdgases geht schon heute auf Fracking zurück. Die erste Fracking-Maßnahme wurde in Niedersachsen bereits im Jahr 1961 durchgeführt, bisher kam die Technologie hierzulande im Sandstein über 300-mal für die Erschließung von Erdgasvorkommen zum Einsatz. Umweltschäden hat es dadurch nicht gegeben. Grund, die Hände in den Schoß zu legen? Nein, sicher nicht. Wir haben gerade in den vergangenen Jahren alles daran gesetzt, die Technologie weiter zu verbessern. Das gilt vor allem für die eingesetzte Flüssigkeit in den neu zu erschließenden Schiefergaslagerstätten: Hier stehen nun Rezepturen zur Verfügung, die neben 99,8 Prozent Wasser lediglich noch zwei chemische Zusätze enthalten. Beide sind weder giftig, noch umweltgefährlich oder gesundheitsgefährdend, und beide sind biologisch leicht abbaubar. Damit haben wir eine wichtige Forderung aus Öffentlichkeit und Politik erfüllt. Des Weiteren wird häufig über das Thema Flächenbedarf diskutiert. In diesem Zusammenhang haben wir raumsparende Konzepte entwickelt, so dass die Förderung von Schiefergas nicht mehr Platz beansprucht als die Förderung von herkömmlichem Erdgas. Im Vergleich zu anderen Energieträgern sind Sichtbarkeit und Flächenbedarf für die Erdgasgewinnung ohnedies gering – gerade in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland von elementarer Bedeutung.
Werden solche Weiterentwicklungen in Deutschland honoriert? Sicher bin ich da nicht. Das Land tut sich nun schon seit Jahren schwer mit seiner Schiefergasoption. Studie um Studie wurde erstellt, und alle kommen zu demselben Schluss: Es gibt keinen sachlichen Grund, Fracking zu verbieten. Klar ist auch: Es handelt sich nicht um eine Hochrisikotechnologie. Trotzdem ringt das Land mit neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen, die nicht den Eindruck vermitteln, als würden sie Innovation und Pioniergeist stärken. Die Industrie braucht Planungs- und Rechtssicherheit, aber nicht um jeden Preis. Wer ohne entsprechende wissenschaftliche Basis unzählige Ausschlussgebiete ohne Rücksicht auf den Einzelfall festlegt und einen ganzen Industriezweig mit Prüfungsanforderungen überzieht, wie sie für keinen anderen gelten, der muss (oder will) in Kauf nehmen, dass die Industrie ihre Investitionen, ihr Know-how und ihre Innovationskraft verlagert. Dann ist Deutschland recht bald bei einem der wichtigsten Energieträger seines Energiemixes zu 100 Prozent auf Importe angewiesen. Ist das modern?
Weitere Informationen unter:
www.erdgassuche-in-deutschland.de