Qwant vs. Google – warum wir uns so ungern umgewöhnen
Im Schatten von Google sind inzwischen ernst zu nehmende Konkurrenten auf dem Suchmaschinenmarkt herangewachsen – teils mit klaren Argumenten wie verbessertem Datenschutz oder europäischen Wurzeln. Eine Studie des Google-Wettbewerbers Qwant zeigt: Die Deutschen liebäugeln generell mit einem Wechsel. Dennoch fällt es vielen noch schwer, sich von alten Gewohnheiten zu trennen. Eine Spurensuche.
Eine Minute, 60 Sekunden, das ist nicht lang. Trotzdem werden in dieser kurzen Zeit über 4 Millionen Suchanfragen weltweit allein über den Branchenprimus Google gestartet. Die Welt sucht (und findet) immer mehr, die Menschen „googeln“ zu allem, was ihnen über den Weg läuft.
Auch in Deutschland dominiert das kalifornische Unternehmen den Markt der Suchanbieter derzeit klar: 9 von 10 Suchanfragen werden über die Suchplattform des Konzerns Alphabet abgewickelt, zu dem auch YouTube, Google-Mail, der Kartendienst Google Maps, das Betriebssystem Android und unzählige andere Dienste gehören. Das Googeln also, so sei es verkürzt, ist recht bequem. Man bekommt alles aus einer Hand, die Suchmaschine schlägt bestimmte Dinge sogar schon bei der Eingabe vor und am Ende erhalten Nutzer direkte Links zu den anderen Seiten des Konzerns. Das macht die Suche zu einer angenehmen Reise mit vordefinierten Stops.
Allerdings führen die rasant steigende Zahl von Suchen und die Konzentration auf einen Plattforminhaber auch zu einem immer mulmigeren Gefühl: Wem vertraue ich denn meine Daten da an? Was passiert mit meinen Fragen und Wünschen, die ich jeden Tag, jede Stunde in die Suchmaschine meines Vertrauens eingebe und auf „Suchen“ drücke?
Denn im Grunde ist den Nutzern eines klar: Die oberflächlich betrachtet kostenfreien Dienste haben einen hohen Preis: Viele Daten werden ausgewertet, weiter verarbeitet und zu Werbezwecken eingesetzt.
Das Endergebnis sind personalisierte Angebote, zwar bequem und treffgenau, nicht selten aber zum Nachteil der Kunden. Außerdem befördert diese Art der Fortführung von Suchanfragen ein Phänomen unserer digitalisierten Gesellschaft: Man erhält immer mehr von dem, was man bereits gut findet – und immer weniger von dem, was man nicht mag oder noch gar nicht kennt. Willkommen in der Welt der Filterblasen.
„Wir müssen wieder damit beginnen, uns die ganze Welt anzuschauen statt eines Ausschnittes“ sagt Eric Léandri. Der Franzose steht im Konferenzraume eines Co-Working Spaces in Berlin und redet sich in Rage, während er über Datenschutz, die deutschen User und ihre Suchgewohnheiten spricht. „Viele verhalten sich im Web ganz anders als auf der Straße – nicht weil sie es nicht wollen, sondern weil sie es nie anders erlebt haben. Wir bieten ab sofort einen anderen Weg.“
Der sieht so aus: Wer auf www.qwant.de seine Suche startet, erhält stets dieselben Suchergebnisse wie alle anderen – ungefiltert und ohne dass dabei personenbezogene Daten erhoben werden. Qwant setzt nur einmalig einen Cookie für die einzelne Suchanfrage, danach: Nichts weiter. Finanzieren wollen sich die Franzosen dennoch mit Werbung, allerdings nur den klassischen Anzeigen, die passend zum Suchbegriff eingespielt werden, so Léandri: „Mit diesem Konzept ist auch Google groß geworden – und für uns ist die Beschränkung auf klassische Ads vollkommen ausreichend. Wir sind nicht gierig, wir wollen einen Gewinn für alle schaffen.“
Die Voraussetzungen dafür sind durchaus gegeben: Qwant ist ein rein europäisches Unternehmen mit Büros in Paris, Mailand und inzwischen auch Berlin. Es hat sich dem europäischen Datenschutz verschrieben und sich selbst strenge Regeln auferlegt (siehe Firmenvideo). Dazu erstellt Qwant einen eigenen Such-Index und hebt sich von vielen anderen Anbietern ab, die lediglich eine verschlüsselte Suchmaske über bestehende Dienste wie Google legen. Auch damit schafft Qwant einen Pluspunkt und sorgt für ein ausgewogeneres Web. Im Grunde sind also alle Grundlagen geschaffen, um ernsthaft in Konkurrenz zu den US-Anbietern zu gehen.
Warum aber wechseln die Nutzer nicht in Scharen zu Qwant oder auch anderen Google-Alternativen? Um das herauszufinden fragte Qwant direkt bei den Nutzern nach: Zusammen mit dem Marktforschungsinstitut GfK befragte Qwant 500 User zu ihrem Web-Verhalten – mit überraschenden Ergebnissen:
54 % der Nutzer wollen ihre persönlichen Daten nicht mit Onlineunternehmen teilen. Sie sprechen sich somit gegen den Datenmissbrauch durch die Akteure im Internet aus. 74 % würden auch eine andere Suchmaschine nutzen, um sich und ihre persönlichen Daten besser schützen zu können – ideale Voraussetzungen für Qwant und Co. also. Andererseits möchten 55 % der Nutzer auf ihre Wünsche und Bedürfnisse vorgefilterte und maßgeschneiderte Angebote erhalten. Das geht aber nur durch Cookies – und natürlich wird auch der Informationsfluss dann beeinflusst. Dass das Eine nicht ohne das Andere funktioniert, erscheint paradox und leuchtet vielen der Befragten (noch) nicht ein. (GfK eBUS, „Datenschutz im Internet“, Juni/Juli 2017, n=500 Männer und Frauen ab 14 Jahre )
Die Deutschen müssen sich bewusstmachen, dass sie für ihr Handeln im Internet zuallererst selbst verantwortlich sind. Da hilft auch kein europäischer Schutzmechanismus, wie ihn die EU mit der neuen ePrivacy Richtlinie vorhat (siehe Golem.de vom 10.10.) – denn wenn Nutzer nicht ausreichend aufgeklärt sind und alle Cookie-Fragen kategorisch bejahen um ihre Ruhe zu haben, dann helfen auch die strengsten Anforderungen an Werber nicht.
In Deutschland ist deshalb Nico Bödeker (Bild) als Manager für Qwant angetreten, um bei der Aufklärung und dem Kurswechsel der Nutzer mitzuwirken: : „Die Deutschen möchten sich auch im Internet sicher fühlen und ihre Daten besser schützen. Doch ihnen fehlt es momentan an Wissen und Kenntnis, was konkret man tun kann. Da möchte Qwant ansetzen, über mögliche Schutzmechanismen aufklären und die digitale Welt nachhaltiger gestalten.“Mit Erklärvideos auf YouTube und dem Auftritt in sozialen Netzwerken arbeitet Qwant seit Kurzem an einem besseren Verständnis für das Web und seinen Mechanismen.
„Wenn wir alles richtig machen und die Nutzer erreichen, brauchen wir nicht auf EU Regularien zu warten. Die Nutzer und ihre überlegten Entscheidungen für mehr Privatsphäre sind der Schlüssel zu einem besseren Web.“ Jetzt müssen die User davon nur noch erfahren.
Hier gibt’s das Positionspapier „Der gläserne Internetnutzer“ von Qwant zum Download:
Los geht`s!
Qwant
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