Markenerlebnisse an allen Touchpoints

Trend Report im Gespräch mit Herrn Heiko Wilknitz, COO und Mitbegründer von ARITHNEA und Herrn Stefan Maack, Unit Manager Kreation bei ARITHNEA über Markenerlebnisse und Customer Experience im digitalen Zeitalter.

 

Herr Wilknitz, welche Möglichkeiten hält die Digitalisierung vor, um den Kunden besser kennenzulernen?

Eine Grundlage ist das veränderte Kunden-beziehungsweise Kommunikationsverhalten über die verschiedenen digitalen Kanäle. Das heißt, der Kunde von heute gibt viel mehr Informationen über sich selbst preis, seien es Bewegungsdaten oder indem er Soziale Medien nutzt. Zudem hat die Leistungsfähigkeit der Analysewerkzeuge massiv zugenommen, Stichwort BigData oder Data Driven Marketing.

Die entscheidende Frage ist jedoch: WER will WANN WAS und in WELCHER Form?
Aus den Antworten auf diese Frage und aus der Auswertung der erhobenen Daten ergibt sich ein enormes Potenzial hinsichtlich der Personalisierung und Optimierung der Kundenansprache. Dabei können der jeweilige Kanal und Kommunikationsweg mit eingebacht werden – zum Beispiel durch Bonusprogramme mit Cross-Channel-Ansatz  oder Community Building wie „Kunden helfen Kunden“.

Speziell durch die Verknüpfung der verschiedenen Informationen aus den unterschiedlichen Kanälen und deren Zusammenspiel kann der Kunde ganzheitlich abgeholt werden. Ein enormes Potenzial birgt darüber hinaus auch das Angebot zusätzlicher Leistungen und Services rund um das eigentliche Produkt. Unternehmen sollten die Kundenbeziehung ganzheitlich und strategisch angehen, so dass nach dem Kauf des Produktes die Kundenansprache nicht beendet ist, sondern der Kauf den Beginn einer längeren Kundenbeziehung darstellt.

Heiko Wilknitz, COO und Mitbegründer von ARITHNEA

 

Herr Maack, inwieweit lassen Location-based-Services die reale und virtuelle Welt verschmelzen?

Location-based Services bilden eine Schnittstelle zwischen der realen und der virtuellen Welt. Was interessiert mich? Wo finde ich es – jetzt?! Über mein Endgerät wird die reale Welt in meiner direkten Umgebung transparenter. Anders herum kann ein Online-Händler den Kunden nach seinem „Bummel“ nochmal spezifisch auf Produkte ansprechen, zum Beispiel auf jene, die ihn zuvor interessiert haben. Dabei darf der Mehrwert für den Nutzer nicht vergessen werden: Location-based Services bergen nämlich auch das Risiko, den Nutzer zu verprellen, etwa dann, wenn er mit zu vielen oder mit Nachrichten adressiert wird, die ihn nicht interessieren. Die Technik darf kein Selbstzweck sein, sondern sie muss dem Menschen dienen. Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen und dies anhand der Angebote und Services auch merken,
Stichwort „Customer Centricity“.

Welche Customer Experience kann mit solchen Angeboten generiert werden?

Im Idealfall lässt sich mit einer durchdachten Customer Experience eine ganzheitliche, kontinuierliche und wertschöpfende Markenerfahrung für den Kunden generieren. Das wichtigste dabei ist, dieZielgruppe beziehungsweise den Kunden genau zu kennen, um eine positive Wahrnehmung zu erwirken. Das Standardprogramm reicht dafür schon lange nicht mehr. Das Geheimnis liegt darin, den Kunden konsequent in den Mittelpunkt seines Handelns zu stellen.

Herr Wilknitz, was raten Sie heute dem stationären und dem Online-Handel, um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen?

Der Ausgangspunkt ist es, seine Kunden genau zu kennen und die Personalisierung zu leben. Das heißt, eine Analyse der Daten ist elementar, um gezielt passende Maßnahmen abzuleiten. Für den stationären Handel birgt die Digitalisierung natürlich Risiken, aber gleichzeitig auch enorme Chancen. Die Konkurrenz aus dem Online-Handel ist aus Sicht der reinen Bedarfsversorgung für den stationären Handel eine enorme Bedrohung und wahrscheinlich langfristig auch der Sieger. Man nehme hier nur die Entwicklung von Dash-Buttons oder von virtuellen Assistenten, die den „Standardeinkauf“ erledigen können. Auf der anderen Seite kann der stationäre Handel Produkte erlebbar machen und Services bieten, die online nur schwer abzubilden sind.

In Ladengeschäften können echte Erlebnisse geschaffen, Einkaufen zum Event unter Freunden und vor allem die Haptik hervor gehoben werden. Die Zauberformel heißt hier individuelle Beratung und Service. Durch den Einsatz moderner Technologien wie z.B. Tablets im Verkaufsraum bekommt der Verkäufer Zugriff auf weitergehende Kundeninformationen, zum Beispiel die Kaufhistorie, und kann so entsprechend den Vorlieben des Kunden diesen optimal beraten und persönliche Empfehlungen aus dem Gespräch direkt ableiten. So können Verkäufer in dem Moment nicht nur die Konfektionsgröße und die bevorzugte Farbe erfragen, sondern zusätzlich eine persönliche Stilberatung bieten, die auf den individuellen Farb- und Figurtyp des Kunden und seine Wünsche eingeht.
Ein weiteres Beispiel ist etwa, den Kunden vor Ort in 3D zu vermessen und dadurch direkt zu passenden Produktempfehlungen am Point of Sale zu leiten.

Auf der anderen Seite wird das Thema Markenerlebnisse auch online eine immer größere Rolle spielen. Es gibt heute schon Möglichkeiten, sein eigenes Bild hochzuladen, um das Aussehen von Kleidern, Frisuren oder Brillen individuell zu testen.
Gewinnen werden die Händler, die beides, Digitalisierung und Personalisierung, optimal miteinander verknüpfen.

Deshalb ist ein perfektes Zusammenspiel beider Welten für mich das Erfolgsrezept bei der Digitalisierung von morgen.

Herr Maack, wie kann die Wunschvorstellung „eine individuelle Betreuung am Point of Sale“ wahr werden?

Um eine tatsächlich individuelle Betreuung zu schaffen, bedarf es der Bereitstellung von individuellen Informationen an das Fachpersonal am Point of Sale. Es geht um ein silofreies, ganzheitliches digitales Ökosystem. Der Verkäufer, egal ob real oder als Avatar, ist dabei umfassend über die Präferenzen und Bedürfnisse des Kunden informiert. Die Schnittstellen, die im Unternehmen und zwischen Unternehmen in dieser Customer Journey herrschen, zum Beispiel Partnerprogramme und Informationsvernetzung, sollten für den Kunden nicht spürbar sein. Wichtig ist dabei auch, dass der Kunde eine ehrliche Beratung erfährt. Es wird künftig nicht mehr um das Verkaufen um jeden Preis gehen, sondern vielmehr um Loyalität, um Ehrlichkeit und Wertschätzung.

Stefan Maack, Business Unit Manager Kreation bei ARITHNEA

 

Wie sieht die optimale E-Commerce-Handelsplattform der Zukunft Ihrer Meinung nach aus?

Ich denke, das ist eine Frage, mit deren Antwort man promovieren könnte. Ich persönlich denke, die Zukunft liegt überwiegend in der Vernetzung von Daten und Systemen, und zwar bereichs- und unternehmensübergreifend. Sie liegt in der Veränderung der Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine.
Bei ARITHNEA leben wir das heute schon, indem wir Technik und User Experience optimal aufeinander abstimmen und die User Experience als Vermittler zwischen Mensch und Technik fungiert. Damit bringen wir Marken und Märkte in optimalen Einklang.

Stellen Sie sich mal vor, Sie als Verbraucher entscheiden sich für eine E-Commerce-Plattform und willigen ein, dass der Anbieter ganzheitlich Zugriff auf ihre Daten hat. Desweiteren stellen Sie sich vor, dass diese Plattform ebenfalls noch in Verbindung zu beispielsweise Ihren smarten Home-Devices und Wearables steht. Das System kennt auch ihre Umwelt, ihre Freunde und Familie. Mit den gelernten Präferenzen und Ihrer Shopping-Vergangenheit kann die Plattform echten Mehrwert schaffen. Ich stelle mir das so vor, dass meine Plattform mich kennt, wie damals mein Einzelhändler um die Ecke, der schon wusste, was ich brauche, wenn ich zur Tür herein komme. Oder besser noch: der die Tüte schon gepackt hat und sagt „Bitte schön. Heute ist doch ihr Hochzeitstag, ich habe die Zutaten für ein einfaches und sehr leckeres Menü schon zusammengepackt. Das Rezept liegt auch bei und der Babysitter ist ebenfalls schon gebucht.“

Herr Wilknitz, inwiefern sollten die Geschäftsprozesse End-to-End gestaltet und damit gebaut werden?

Um ein nachhaltiges Einkaufserlebnis und Kundenzufriedenheit zu gewährleisten, ist eine durchgängige Prozessabbildung absolut notwendig. Bei ARITHNEA fangen wir tatsächlich bei der Marke an, also ganz „vorne“, und bringen diese in Einklang mit Markt und Mensch. Daraus entwickeln wir eine störungsfreie, ganzheitliche Customer Journey, mit dem Kunden im Mittelpunkt. Unsere Herangehensweise und Prämisse ist es, für eine End-to-End-Lösung das Marketing, den Vertrieb, den Service und die IT bei unseren Kunden an einen Tisch zu bekommen.
Diese Herangehensweise bilden wir auch in unserer eigenen Organisationsstruktur ab. Denn die Kunden werden in Zukunft Fragen wie der nach der Verfügbarkeit, nach der Logistik oder der Same-Day-Delivery nicht mehr interessieren. Sie setzen es einfach voraus. Und wenn es bei einem Anbieter nicht funktioniert oder das Einkaufserlebnis entlang der Customer Journey gestört wird, sind die Kunden weg. Viele Dinge, die heute als innovativ gelten, sind morgen schon „Hygienefaktoren“.

„Eine Marke muss sich sehr nah am Kunden orientiert digitalisieren.“

Welche Bedeutung haben Omni-Channel-Modelle für den Handel?

Wenn Omni-Channel-Modelle eine transparente und lückenlose Customer Journey unterstützen, die auch zu ihren Kunden passt, dann steckt in solchen Modellen sehr viel Power. Dabei muss sehr genau analysiert werden, welcher Kanal zu welchem Kunden passt und welchen Mehrwert er in punkto Konversion oder Kundenbindung liefern kann. Eine Marke muss sich sehr nah am Kunden orientiert digitalisieren.
Ein Gießkannenprinzip ist einfach nicht mehr angebracht. Es kann sogar schaden, denn es verdeckt den Fokus und kostet immenses Budget.

Welches Change-Management ist in den Unternehmen dafür notwendig?

Digitalisierung fängt mit dem Abbau von Silos und der Vernetzung innerhalb des Unternehmens an. Wichtig ist dabei, alle Stakeholder auf dem Weg mitzunehmen. Nach unserer Meinung darf die Digitalisierung nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden, sondern muss ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur sein.

Plädieren Sie in diesem Kontext für den Neubau auf der „grünen Wiese“, um den neu zu bildenden Strukturen genügend Raum zu geben? Wie lange dauert dieser?

Diese Frage muss von Fall zu Fall beantwortet werden. Sie hängt von den Zielen und der bereits stattgefundenen Digitalisierung des Unternehmens ab. Manchmal müssen wir erst einmal mit der Vernetzung der Stakeholder, der Erarbeitung einer digitalen Strategie und dem Abbau von Datensilos anfangen, also ganz grundlegend.
In der Folge steht dann der Aufbau von ganzheitlichen Prozessen. Unserer Meinung nach ist Digitalisierung keine Frage der Dauer, sondern eine Frage der Haltung und, ob man diesen Weg tatsächlich ernsthaft mit allen Konsequenzen gehen will.

Wie wichtig ist das agile Projektteam, um die klassischen Projektlaufzeiten zu verkürzen?

Unter dem Gesichtspunkt der„Time-to-Market“ ist Agilität unabdingbar. Zudem erlaubt Agilität auch Flexibilität. Denn Digitalisierung ist kein Ziel, sondern ein Weg.

Wie nehmen Sie Ihre Kunden und deren Mitarbeiter mit ins Boot?

Hier geht es um Vertrauen und die Beteiligung aller im Unternehmen relevanten Stakeholder. Dabei darf Digitalisierung nicht top-down stattfinden, sondern muss auch die Basis, die Mitarbeiter aller Ebenen, einbeziehen. Wir sehen uns nicht nur als Dienstleister auf dem Wege der Digitalisierung, sondern als Partner! Wir machen nicht einfach nur ein Projekt und sind dann wieder weg! Gerade in der Anfangsphase ist es sehr wichtig, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und ein gemeinsames Verständnis für einen erfolgreichen Weg zu finden.

„Mit dem sogenannten Brand Canvas bringen wir Mensch, Markt und Marke für unsere Kunden in Einklang.“

Herr Maack, wieviel Kreativität braucht man heute, um die Möglichkeiten der Digitalisierung im Handel anzuwenden und zu nutzen?

Ich würde sagen eine Menge. Allerdings wird Kreativität allein nicht reichen.
Im Kern kommt es auf den Nutzerfokus an, auf die viel zitierte Customer Centricity.
Bei ARITHNEA verbinden wir Kreativität mit Technologie, um Customer Objectives mit Business Objectives in Einklang zu bringen. Das können Sie nur erreichen, wenn sie sehr breit aufgestellt sind und die Technik genauso verstehen wie den Markt, den Kunden und die Marke.
Wir haben dafür ein eigenes Modell entwickelt: Mit dem sogenannten Brand Canvas bringen wir Mensch, Markt und Marke für unsere Kunden in Einklang und können diesen Einklang auch technisch sehr zielstrebig umsetzen. Ich denke, das Geheimnis des Erfolgs liegt in einer konsequenten Partnerschaft und sehr viel gegenseitigem Vertrauen zwischen Agentur und Kunde.

Wie werden heute Marken digital erlebbar?

Marken müssen heute sehr genau definiert sein und ihr Versprechen auch ganzheitlich einlösen. Wir entwickeln dafür eine medienneutrale Markenidee, die wir dann in den einzelnen, relevanten Kanälen für die Marke umsetzen. Im Rahmen der „User Experience Journey“ entwickeln wir so eine stringente Markenerfahrung. Das „Erlebnis Marke“ muss sich an allen relevanten Touchpoints genauso widerspiegeln wie bei der Anwendung des Produkts oder der Dienstleistung selbst. Wir nutzen dabei alle Facetten der digitalen Kommunikation bis hin zum Corporate Design.

Inwieweit wird künstliche Intelligenz den Handel revolutionieren?

Künstliche Intelligenz ist ein Wort, das ich nicht mag. Ich bin davon überzeugt, dass wir hier eher von reaktiver Intelligenz reden sollten. Denn bis heute können Maschinen nur reaktiv agieren, das heißt, sie brauchen eine Aufgabe und Daten. Daraus erzeugen sie eine Aktion.
Der Mensch kann antizipieren und agieren, noch bevor ein Fall X eintritt. Was im Hinblick auf den Handel die Zukunft stark beeinflussen wird, ist die Veränderung der Schnittstelle „Mensch und Maschine“. Weniger Bildschirm und Tastatur, dafür mehr Sprache, Location-based Targeting und Antizipation

 

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Weiterführende Informationen und einen Live-Mitschnitt des Gesprächs:

ARITHNEA

 

 

Aufmacher / Lizenz / Quelle

By Beyondadvertising (Own work) [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons

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