Lieferkettengesetz: Chance für eine Modernisierung der Unternehmensführung

Die Sorgfaltspflichten von Unternehmen in der EU werden kontinuierlich ausgeweitet. So sind Organisationen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern nun dazu verpflichtet, zu prüfen, ob Lieferanten und Sublieferanten Menschenrechtsverletzungen begehen. Wer die neuen Vorgaben nicht nur als Pflicht, sondern auch als Chance begreift, kann einen positiven Wandel initiieren. Eine besondere Rolle spielt dabei das Qualitätsmanagement.

Studie: Umsetzung des Lieferkettengesetzes fällt vielen Unternehmen schwer

Unternehmen manövrieren seit Jahren von Krise zu Krise. Erschwerend kommen kontinuierlich neue Gesetzesvorgaben hinzu. War früher vor allem ein finanzielles Reporting erforderlich, so rücken nun ESG-Kriterien immer mehr in den Fokus der Berichtspflichten. Ein Beispiel ist das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten“, kurz LkSG. Es soll den Schutz von Menschenrechten und Umwelt in globalen Lieferketten verbessern – beispielsweise Zwangs- und Kinderarbeit oder Trinkwasserverunreinigungen minimieren.

Was nachvollziehbar und wichtig klingt, ist für viele Unternehmen eine enorme administrative Aufgabe mit hohem Aufwand. Beispielsweise ist der Aufbau eines Risikomanagements erforderlich, um mögliche Gefahren in der Supply Chain überhaupt systematisch analysieren und identifizieren zu können. Laut einer aktuellen Studie von Integrity Next und dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) (Quelle) haben jedoch erst ein Viertel der Unternehmen mit über 3.000 Mitarbeitern ein solches Konstrukt aufgebaut. Beim Versuch, aufgedeckte Menschenrechtsverstöße bei Lieferanten zu beheben, haben 70 Prozent der Befragten offensichtlich erhebliche Probleme. Klaren Handlungsbedarf gibt es auch in Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern, die seit 1. Januar 2024 ebenfalls unter das LkSG fallen. Hier sehen sich erst 22 Prozent gut oder sehr gut aufgestellt, was die wichtigsten Anforderungen des Lieferkettengesetzes betrifft.

Bislang wurden fehlende Bemühungen um Menschenrechte in der Supply Chain noch nicht scharf sanktioniert. Vielmehr verfolgt die zuständige Behörde (BAFA) das Ziel, im Dialog mit betroffenen Unternehmen eine Lösung zur Verbesserung der jeweiligen Situation herbeizuführen. Doch dies könnte sich bald ändern. Denn die kürzlich verabschiedete „Lieferkettenrichtlinie“ aus Brüssel sieht vor, Unternehmen anzuklagen, wenn diese gegen ihre Lieferketten-Sorgfaltspflichten verstoßen. Die Folge könnten dann hohe Bußgelder sein. Somit ist klar: Unternehmen müssen jetzt handeln. Dabei ist in erster Linie die Geschäftsführung in der Pflicht. Ein wichtiger Ansatz kann in diesem Zusammenhang die Modernisierung des Qualitätsmanagements (QM) sein. Dieses beinhaltet die systematische Planung, Steuerung und Optimierung aller Prozesse in einem Unternehmen, um die Kundenzufriedenheit und Einhaltung von Gesetzesvorgaben sicherzustellen.

 

„Um diese neue Anforderung zu erfüllen, muss das Qualitätsmanagement im Unternehmen modernisiert werden. Es reicht nicht mehr aus, ein normgerechtes QM-System aufzubauen, um marktübliche Zertifizierungen zu erlangen.“

Gastautor Lutz Krämer, Bereichsleiter Produkte / Director of Products und Mitglied der Geschäftsführung, bei Babtec.

Mit neuem QM-Mindset gegen Supply-Chain-Risiken

CO2-Emissionen senken, sparsam mit natürlichen Ressourcen umgehen, sozial verantwortlich handeln und die Wahrung von Menschenrechten in globalen Lieferketten sicherstellen: Diese und ähnliche Kriterien nehmen immer stärker Einfluss auf die Kaufentscheidung von Kunden und somit auf die Wettbewerbsposition von Unternehmen. In diesem Zuge verändert sich auch die Definition des Begriffs „Qualität“. Er bezieht sich nicht länger nur auf Aspekte wie Funktionalität, Design und Verarbeitung, sondern schließt ESG-Kriterien ein. ESG steht für die nachhaltige und ethische Praxis von Unternehmen. Qualitativ hochwertig ist ein Produkt demnach nur, wenn es auch umweltverträglich und unter Wahrung der sozial-gesellschaftlichen Verantwortung hergestellt wurde. Natürlich erfordert dies eine Zusammenarbeit mit Lieferanten und Vorlieferanten, die sich an einschlägige Normen halten.

Um diese neue Anforderung zu erfüllen, muss das Qualitätsmanagement im Unternehmen modernisiert werden. Es reicht nicht mehr aus, ein normgerechtes QM-System aufzubauen, um marktübliche Zertifizierungen zu erlangen. Das Ziel sollte es vielmehr sein, Qualitätsmanagement zum festen Bestandteil der Unternehmensführung zu machen. Insbesondere marktführende, zumeist mittelständisch geprägte Unternehmen, aber auch viele Start-Ups machen es vor: Sie richten ihre gesamte Strategie auf Qualität aus. Damit erfüllen sie nicht nur die Kundenbedürfnisse, sondern übertreffen sie oft sogar – auch im Hinblick auf Transparenz und faire Verhältnisse in der Supply Chain.

 

Diese Anpassungen im QM sind notwendig

Um materielle Qualität und ESG-Kriterien gleichermaßen im Qualitätsmanagement zu verankern, ist zunächst eine organisatorische Änderung erforderlich: Das Thema Qualität darf im Organigramm nicht länger als eine Stabsstelle oder Abteilung abgebildet werden. Es sollte ab sofort Führungsaufgabe sein. Konkret heißt das: Oberes Management und Qualitätsmanager benötigen deutlich mehr Nähe zueinander. Sie sollten ein Team bilden, um den neuen Qualitätsgedanken unternehmensweit zu implementieren.

Sobald diese grundlegende Voraussetzung geschaffen wurde, kann Qualität wie ein roter Faden in allen Geschäftsprozessen wirken. So auch im Bereich Beschaffung, der maßgeblich für Lieferketten und die entsprechenden Sorgfaltspflichten verantwortlich ist. Hier geht es in der Praxis vor allem darum, die bestehende Risikoeinschätzung an die neuen Anforderungen des Lieferkettengesetzes anzupassen. Bereits beim Onboarding neuer Zulieferer ist es dann möglich, dessen wirtschaftliches, soziales und umweltbezogenes Handeln zu überprüfen. Gleiches gilt für die genaue Herkunft der Zulieferprodukte. Ebenso wichtig ist ein regelmäßiges Auditieren bestehender Lieferanten. Natürlich sollten sämtliche Aktivitäten gut dokumentiert werden, um im Bedarfsfall Nachweise liefern zu können und eine transparente Berichterstattung zu realisieren.

 

Fazit

Qualität entsteht schon immer entlang der gesamten Lieferkette. Doch der Qualitätsbegriff ist heute ein anderer. Unternehmen müssen bestrebt sein, eine Qualität zu liefern, auf die sie stolz sein können. Zu erreichen ist dies nur, wenn in jedem Glied der Lieferkette faire Bedingungen für Menschen und Umwelt herrschen. Damit dieses Kriterium im gesamten Handeln eines Unternehmens den notwendigen Stellenwert erhält, muss Qualität zur Führungsaufgabe erklärt werden. Ein wichtiger Schritt für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit.

 

Weiterführende Informationen zum Unternehmen

https://www.babtec.de/

 

 

Aufmacherbild / Quelle / Lizenz
Image by Gerd Altmann from Pixabay

 

 

 

 

CC BY-ND 4.0 DE

https://creativecommons.org/licenses/by-nd/4.0/deed.de#

Sie dürfen:

  • Teilen — das Material in jedwedem Format oder Medium vervielfältigen und weiterverbreiten
  • Der Lizenzgeber kann diese Freiheiten nicht widerrufen solange Sie sich an die Lizenzbedingungen halten.
  • Bitte berücksichtigen Sie, dass die im Beitrag enthaltenen Bild- und Mediendateien zusätzliche Urheberrechte enthalten.

Unter den folgenden Bedingungen: