Künstliche Intelligenz (KI): Erwartungen vs. Realität

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In futuristischen Filmen und den Nachrichten sehen wir sie mal als Risiko für unsere persönliche Privatsphäre, mal als Rettung der Menschheit: Künstliche Intelligenz (KI) hat bereits Einzug in den Alltag genommen, beispielsweise durch Produkte und Dienstleistungen wie Spracherkennung, intelligente Assistenten oder Suchempfehlungen. Gastautor Dr. I.P. Park, President & Chief Technology Officer bei LG Electronics, beschreibt die Potenziale und vor allem den richtigen Einsatz in der Praxis.

Nachrichten und die Popkultur beeinflussen die öffentliche Wahrnehmung von Künstlicher Intelligenz enorm. Oft zeigen sie jedoch ein viel höheres Niveau der Technologie als es derzeit möglich ist. So erhöhen sie die Erwartungen der Gesellschaft an KI und beeinflussen gleichzeitig die Wertvorstellungen der Menschen: Die Technologie kann dabei – je nach Ethik und Werten ihrer Entwickler und Anwender – entweder einen Vorteil bringen, indem sie bei der Lösung unterschiedlichster Probleme hilft oder ein Risiko darstellen, welches beispielsweise Arbeitsplätze gefährdet. Durch Science-Fiction-Filme wie Iron Man und Ex Machina sind die Ansprüche an Künstliche Intelligenz extrem hoch. Sie zeigen sie auf oder über menschlichem Niveau. Das kann manchmal in der Realität zu Verwunderung über den tatsächlichen Stand von KI führen. Nichtsdestotrotz wird Künstliche Intelligenz aktuell bereits erfolgreich in Produkten und Dienstleistungen angewendet.

Welche KI-Anwendungsszenarien werden aktuell in der Praxis eingesetzt?

Ob zur Verarbeitung von Kundenfeedback, zur Prüfung und Zuordnung von Rechnungen und anderen Dokumenten oder durch „lernfähige“ Staubsaugerroboter, die dank KI in der Lage sind, ihr Reinigungsergebnis zu verbessern: In vielen Produkten ist Künstliche Intelligenz bereits heute im Einsatz, ohne, dass es Nutzern bewusst ist. Waschmaschinen erkennen beispielsweise die Menge der Wäsche und stimmen Wasser, Waschmittel und Energie selbstständig darauf ab, um Ressourcen zu schonen. Die optimalen Einstellungen für das Fotografieren mit dem Smartphone wählt ebenfalls die Künstliche Intelligenz aus. Sie ermittelt aus tausenden Referenzbildern automatisch die passenden Einstellungen.

Vernetzte Geräte informieren über den aktuellen Programmstatus und versenden Benachrichtigungen und Informationen für ihre Wartung und den anfallenden Service. KI ermöglichen bereits Geräte, die bis zu einem gewissen Grad mitdenken und ihren Nutzern praktische Tipps und Vorschläge geben, um den Alltag weiter zu erleichtern, effizienter und sicherer zu gestalten.

Die Vernetzung von Elektrogeräten nimmt dabei als einer der wichtigsten Trends besonders schnell zu. KI ermöglicht immer vielseitigere und leistungsfähigere Produkte mit erhöhter Funktionalität und Effizienz und steigert Komfort und Benutzerfreundlichkeit. Vernetzte Geräte beispielsweise tauschen Informationen untereinander aus, erfassen persönliche Gewohnheiten und machen darauf basierend Optimierungsvorschläge. Ihre Nutzer sparen Zeit und Ressourcen und erhalten durch passende Apps Tipps zum Energiesparen, für die Wäsche oder die Ernährung.

Auch im Heimkino findet KI bereits Anwendung. Sie sorgt beispielsweise im Hintergrund für optimierte Sound-Einstellungen für Musik und verschiedene Film-Genres. Mit Hilfe einer stetig wachsenden Datenbank optimiert die KI permanent das Klangbild und passt es an die aktuelle Szene an. Dazu analysiert die Künstliche Intelligenz das Programm während der Wiedergabe und ändert den Klangfokus von Dialogen über Umgebungsgeräusche bis zur Hintergrundmusik. So kann sie sogar räumlichen Surround Sound erzeugen, wo keiner ist.

Können KI-Systeme intelligente, nachvollziehbare Entscheidungen treffen?

Aktuell ist der Begriff „intelligent“ allerdings noch etwas irreführend. Die derzeitige Methode entspricht eher der „Automatisierung“. Wissenschaftler, Maschinen und Geräte sammeln Daten für die Technologieentwicklung im Labor, übersetzen sie in feste Regeln und wenden sie auf Produkte und Dienstleistungen an. Daten, die im Alltag gesammelt werden, können sich jedoch stark von den im Labor erhobenen Daten unterscheiden. Das überfordert regelbasierte Maschinen, die auf bereits vorhandenen Daten aufbauen. Zunächst sind die Maschinen „adaptiv“, sie sammeln verschiedene Daten von realen Nutzern. Auf dieser Grundlage lernen sie neu oder kontinuierlich, die Leistung zu erhalten oder zu verbessern. Derzeit verbirgt sich also noch „Deep Learning“ hinter der adaptiven Technologie – also eine spezielle Methode der Informationsverarbeitung, die neuronale Netze nutzt, um größere Datensätze zu analysieren. In Zukunft soll es sich zum sogenannten „Deep Understanding“ weiterentwickeln: die Maschinen verstehen anhand der Daten, in welcher Situation sich ein Nutzer befindet. Durch kontinuierliches Lernen können sie dann vorhersagen, welche Absichten der Nutzer verfolgt und entsprechend reagieren. Diese Entwicklung wird allerdings noch Zeit benötigen.

Ohne Daten keine Künstliche Intelligenz

Eine Künstliche Intelligenz kann in dem Gebiet, für das sie entwickelt wurde, unter Umständen effizienter arbeiten als der Mensch – aber auch nur in diesem Gebiet. Denn eine KI ist keine Allround-Lösung, sondern in der Regel eine intelligente Anwendung für jeweils ein konkretes Problem. Mit einer Künstlichen Intelligenz können also lediglich einzelne Fähigkeiten simuliert werden, jedoch nicht vollständige menschliche Intelligenz. Gewisse Vorgänge und Eigenschaften sind darüber hinaus bis jetzt auch gar nicht automatisierbar.

Hinzu kommt, dass eine Künstliche Intelligenz nur durch entsprechend große Datensätze „intelligent“ sein kann. Um den Algorithmus einer KI auf einen bestimmten Anwendungsfall zu trainieren, sind riesige Mengen an Trainingsdaten erforderlich. Nur so kann er auf jede potenzielle Situation eine passende Reaktion erlernen. Die Daten müssen hierzu nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ entsprechend hochwertig sein. Sonst kann es zu Rückschlüssen kommen, die zwar formal richtig sein mögen, aber praktisch unpassend sind. Ein Mensch hingegen kann in allen Situationen individuell abwägen, welche Reaktion die passende ist. Maschinen müssen also durch Trainingsdaten auf jede mögliche Situation entsprechend vorbereitet werden. Es stehen jedoch nicht zu jeder Problemstellung die benötigten Daten zur Verfügung.

Kann Künstliche Intelligenz den Menschen in bestimmten Bereichen ersetzen?

Künstliche Intelligenz wird den Alltag definitiv nachhaltig verändern. Das sehen wir bereits am Beispiel der digitalen Transformation, die sich rasant weiterentwickelt und unseren Alltag bereits jetzt nachhaltig verändert hat. KI können im Arbeitsalltag durchaus sich wiederholende, langweilige oder einfache Aufgaben übernehmen, um Menschen zu entlasten. So werden sicher neue Arbeitsweisen und neue Berufsbilder entstehen. Aber die eigentliche Rolle der KI besteht eher in der Zusammenarbeit mit dem Menschen als in dessen Ersatz. KI kann beispielsweise Arbeitern dabei helfen, im Voraus zu planen, um möglichst effizient vorzugehen. Sie kann Fehler erkennen, die ein Mensch aufgrund von Müdigkeit übersehen hätte und effizientere Lösungen für neue Situationen finden. Mit künstlicher Intelligenz könnten in naher Zukunft sogar Menschenleben gerettet werden. Ein Beispiel dafür sind KI-basierte Autotechnologien, die mithilfe einer Innenraumkamera im Fahrzeug für die Sicherheit von Fahrern und Passagieren sorgen. Hochleistungskameras und KI können dabei Fahrfehler – die häufigste Ursache für Verkehrsunfälle und den Verlust von Menschenleben – verhindern oder durch Fahreridentifizierung und Spoof-Detection unbefugten Fahrern den Zugang zum Fahrzeug verwehren. Einen Menschen komplett zu ersetzen, wird wohl nicht möglich sein. KI wird unser Leben aber sicher noch verändern und in vielen Situationen erleichtern.

Über den Autor

Dr. I.P. Park ist eine erfahrene Führungskraft mit einem tiefen und breiten Verständnis moderner Technologien, welches er in Positionen bei weltweit führenden Unternehmen wie HARMAN, Samsung und Panasonic erworben hat.

Seit seinem Wechsel zu LG Electronics im Jahr 2017 gilt Dr. Park im ExecRank als einer der weltweit besten Chief Technology Officers. Besonders für seine Leistungen bei der Leitung von F&E-Teams zur Förderung von Innovationen in den Bereichen Künstliche Intelligenz (KI), Cloud Computing, IoT und Benutzererfahrung in Bezug auf vernetzte Autos, mobile Geräte, Smart-TVs und Audiosysteme wird er geschätzt.

Dr. Parks oberste Priorität bei LG ist es, KI als Hauptwachstumsmotor des Unternehmens voranzutreiben. Dabei konzentriert er sich auf sich selbst weiterentwickelnde Produkte, eine nahtlose Benutzeroberfläche, offene Plattformen und arbeitet mit namhaften globalen Partnern zusammen, um Kunden immer wieder aufs Neue mit bahnbrechenden Technologien zu begeistern.

Dr. Park erwarb einen B.S. in Informatik an der Seoul National University und seinen M.S. und Ph.D. in Informatik an der Columbia University.


Mehr Informationen unter:
www.lg.de