KI-Szenarien für DMS
Der Weg zu smarteren Geschäftsprozessen
Seit den 1970er Jahren treiben Unternehmen die Digitalisierung ihrer Prozesse voran. Was ist heute anders? Die Antwort lautet: Künstliche Intelligenz. Auch im Dokumentenmanagement führt kein Weg mehr an der KI vorbei.
Laut einer Studie des Bitkom e.V. hat der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Unternehmen innerhalb eines Jahres deutlich zugenommen – von 9 Prozent auf 15 Prozent. Was früher oft als Hype abgetan wurde, hält mittlerweile Einzug in den Markt für Dokumentenmanagementsysteme (DMS). KI-Modelle sind jedoch nur so gut wie die Daten, mit denen sie trainiert werden. Woher also „gute“ Daten nehmen?
Archiv als Datengoldmine
In den mit dem DMS verbundenen Archiven, die traditionell der langfristigen Aufbewahrung und Verwaltung von Dokumenten dienen, schlummern große Informationsmengen. Archivsysteme erweisen sich jedoch zunehmend als wertvolle Ressource für Generative AI (GenAI) und Large Language Models (LLMs). Denn die Daten liegen dort kuratiert, strukturiert, konsolidiert und mit Metadaten angereichert. Außerdem liefern DMS-Archive im Gegensatz zu ERP-Systemen zusätzlich historische Daten, die prädiktive Analysen und Vorhersagen ermöglichen. Einmal integriert in das DMS, automatisieren die KI-Funktionen das Extrahieren, Verknüpfen und Analysieren von Daten, beschleunigen die Prozesse und verbessern die Effizienz. Alles vollkommen selbstständig und mit immensen Tempo.
Damit eröffnen sich für das DMS interessante KI-Szenarien:
Szenario #1: Enterprise Search
In vielen Unternehmen existiert ein Labyrinth aus den unterschiedlichsten Anwendungen. Der Workplace Relevance Report zeigt, dass sowohl Mitarbeitende als auch Führungskräfte häufig von der Fülle an verstreuten Datenquellen überfordert sind. Hierbei hilft die Enterprise Search. Sie ermöglicht Unternehmen schon seit Jahren, relevante Informationen aus verschiedenen Datenquellen zentral zu durchsuchen und schnell zu finden. Die KI innerhalb der Enterprise Search ebnet nun den Weg durch das Datenmeer, um Informationsschätze noch schneller sichtbar zu machen.
Als zentrale KI-Technologien gelten vor allem die Large Language Models (LLMs), die auf großen Textdatensätzen trainiert werden. Angereichert mit Fachdaten und firmenspezifischen Informationen ermöglichen sie spezifische Anwendungen im Unternehmensumfeld. GenAI verwendet die LLMs, um Inhalte auf Basis probabilistischer Verfahren, also auf Wahrscheinlichkeiten basierend, zu generieren. Für präzisere und aktuellere Ergebnisse ergänzt Retrieval Augmented Generation (RAG) die LLMs mit einer externen, domänenspezifischen Datenquelle. Der Einsatz von LLMs und RAG sorgt also für einen enormen Innovationsschub in der Enterprise Search. Mitarbeitende können Informationen jetzt einfach per Chatbot abrufen.
Szenario #2: Automatisierte Datenpflege
Die Suche nach Informationen ist das eine. Die Verwaltung der wachsenden Datenmenge eine andere. In der Regel gestaltet sich die Aufgabe als zeitintensiv, teuer und anfällig für Fehler. Moderne KI-gestützte Systeme können Abhilfe schaffen, indem sie Dokumente automatisch auslesen und die darin enthaltenen Informationen direkt in das DMS einpflegen. Mit einem einzigen Klick auf vorkonfigurierte Prompts wie „Fülle die Mappe aus“ gestalten sich diese Prozesse künftig noch effizienter. Metadaten lassen sich mit Hilfe von KI ebenfalls in Sekunden klassifizieren, ergänzen und aktualisieren.
Ein konkretes Beispiel hierfür bietet der Procure-to-Pay-Prozess (P2P): Früher scannten Mitarbeitende der Buchhaltung Rechnungen manuell, glichen sie mit Bestellanforderungen ab und buchten sie automatisiert. Lediglich im Ausnahmefall mussten die Mitarbeitenden manuell ran. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz und dynamischen Dashboards wird die Erkennung von Positionsdaten noch umfassender automatisiert und verbessert. Darüber hinaus identifiziert die KI Datenausreißer und hilft Zusammenhänge sowie unverbundene Prozessschritte aufzudecken.
Szenario #3: Chatbot für den Kundenservice
Nicht nur für die Mitarbeitenden werden zeitintensive Prozesse deutlich angenehmer, auch im Kundenservice greift KI den Beschäftigten unter die Arme. Laut einer Studie des National Bureau of Economic Research (2023) konnte der Einsatz von KI in einem Unternehmen mit 5.000 Kundendienstmitarbeitern die Problemlösungskompetenz um 14 Prozent pro Stunde steigern und die Bearbeitungszeit um 9 Prozent reduzieren.
Ganz vorne mit dabei: Chatbots. Durch den Einsatz von LLMs entstehen hoch qualifizierte virtuelle Assistenten. Sie unterstützen Unternehmen bei der Bearbeitung von Kundenfragen und bieten eine effiziente Alternative zu traditionellen First-Level-Kanälen. Das Ergebnis ist ein intelligenter Chatbot, der in Zukunft alle Kundenfragen präzise beantwortet und den Kundensupport optimal unterstützt.
Szenario #4: Chatbots im Lieferantenmanagement
Auch im Lieferantenmanagement können sich LLMs zu fleißigen Helfern entwickeln. Schon vor dem Einsatz von KI hatten Unternehmen mit Self-Service-Portalen eine effiziente Möglichkeit, den Einkauf zu entlasten und aufwändige Aufgaben zu automatisieren. Zulieferer haben dadurch die Möglichkeit, eigenständig Informationen zu Leistungen, Preisen und Konditionen im Onboarding-Prozess zu hinterlegen und Compliance-Formulare sowie Fragebögen online auszufüllen.
Um Anfragen jedoch rund um die Uhr, in jeder Sprache und weltweit zu beantworten, sind KI-Chatbots innerhalb eines Self-Service-Portals nun eine effektive Ergänzung. Sie interagieren mittels natürlicher Sprache (Natural Language Processing) mit den Lieferanten. Zudem können sie Standardfragen zum Status von Bestellungen und Lieferungen abwickeln und ermöglichen so eine noch effizientere Kommunikation.
Szenario #5: E-Mail Kommunikations-Assistent
Die Anzahl der pro Tag versendeten E-Mails ist zwischen 2017 und 2023 um 29 Prozent gestiegen.
Was wäre also, wenn die KI in der Lage wäre, sich um lästige E-Mails zu kümmern? LLM basierte KI-Funktionen helfen fehlerfreie Texte zu verfassen und Schreiben zu standardisieren. Das betrifft zum Beispiel das automatische E-Mail-Follow up, um Kollegen oder Vorgesetzen an die noch nicht freigegebene Rechnung zu erinnern. In der Kommunikation mit Partnern und Lieferanten lassen sich dann zudem Ablehnungsschreiben, Zahlungserinnerungen und Bestellbestätigungen einheitlich und mit einem Prompt-Klick verfassen und abschicken.
Im kommenden Jahr wird eine neue Form von KI – Agentic AI – stark an Bedeutung gewinnen. Anders als die bisherigen, rein reaktive GenAI ist Agentic AI in der Lage, aktiv und adaptiv zu handeln. Statt also lediglich den E-Mail-Text zu verfassen, antwortet der Kommunikations-Assistent dann tatsächlich selbständig auf Nachrichten von Partnern und Kollegen. Agentic AI-Systeme sind bereits am Markt noch gibt es aber wichtige Fragen hinsichtlich der Kontrolle und Steuerung zu klären.
Die Produktivitätsspirale von Künstlicher Intelligenz hat erst begonnen. Die KI-Integration im Dokumentenmanagement hat das Potenzial, die Arbeit im Unternehmen, mit Kunden und Partnern nachhaltig zu verändern. Unternehmen sollten jedoch sorgfältig abwägen, wie und wo sie KI einsetzen, um den Nutzen zu maximieren und gleichzeitig ethische und regulatorische Aspekte zu berücksichtigen.
——————————————————————————————————————————————–
Trend Report im Interview zum Thema KI und DMS mit Andreas Zipser, CEO easy software AG
Herr Zipser, Künstliche Intelligenz ist seit über zwei Jahren DER Trend schlechthin. Wie weit ist easy software beim Thema KI?
Bei easy bieten wir nun seit über 30 Jahren Lösungen an, mit denen Unternehmen ihre Geschäftsprozesse digitalisieren und effektiver gestalten können. KI hat das Potential, dem DMS einen ordentlichen Produktivitätsschub zu verpassen. Von einem Trend zu sprechen, reicht da meiner Meinung nach nicht mehr aus. Gleichzeitig sehen wir aber natürlich auch die Herausforderungen bei unseren Kunden. Nicht jeder kann und will von heute auf morgen auf KI umstellen. Die Integration in bestehende Systeme muss funktionieren und Investitionen müssen sich rechnen. Für easy ist es daher wichtig, Kunden sinnvoll mitzunehmen und machbare Wege zu bieten, um KI im DMS einzusetzen. Das haben wir bei der Cloud so gemacht und das haben wir bei der KI ebenfalls vor.
Was ist konkret geplant? Wo findet sich KI bereits in den Produkten von easy software wieder?
Wir haben für easy dms ein umfangreiches nativ integrierbares AI Toolkit entwickelt, das Anwendern eine ganze Reihe von KI-basierten Services zur Verfügung stellt. Das LLM von OpenAI ist dabei als Standard in unserer DMS-Lösung eingestellt. Kunden können jedoch ebenso auf andere führende KI-Modelle (z. B. Anthropic, Google Gemini, Mistral AI, Google Vertex AI) zugreifen. Übersetzungsdienste wie DeepL, GoogleTranslate oder Libretranslate sind außerdem direkt in easy dms integriert. Das macht den Einstieg in die KI im Dokumentenmanagement sehr einfach und erleichtert ohne große Umstände die tägliche Arbeit erheblich. Metadaten zu einer Rechnung lassen sich innerhalb von Sekunden auslesen, mit einem Klick auf den Übersetzungsbutton werden Dokumente in die von Lieferanten gewünschte Sprache übertragen und der Copilot hilft Dokumente zu vergleichen oder mit Metadaten anzureichern. Die Möglichkeiten sind in diesem Bereich noch lange nicht ausgeschöpft und easy arbeitet kontinuierlich am Ausbau der KI-Services.
Welche Trends sehen Sie neben KI für das DMS im Jahr 2025?
Ich denke, die Cloud wird uns und unsere Kunden weiter stark beschäftigen. Längst nicht jeder ist vollständig in die Cloud gezogen und auch im DMS sind hybride Ansätze gefragt, die den realen Gegebenheiten in Unternehmen entsprechen. Datenschutz und Cybersecurity bleiben beim Umgang mit Dokumenten und Daten weiterhin Priorität und gewinnen mit der EU-Richtlinie NIS2 in 2025 deutlich an Schärfe. Überhaupt bringt das neue Jahr neue Compliance-Vorgaben. Nach der E-Rechnungspflicht steht Ende 2025 zum Beispiel das Entgeltabrechnungspflicht auf der Agenda. Bei all diesen Themen ist easy aber dank seiner langjährigen Erfahrungen sehr gut aufgestellt und wir freuen uns darauf, das DMS zukunftsfähig zu machen.
Über den Autor:
Andreas Zipser ist seit März 2021 Vorstandsvorsitzender der easy. Zuvor verantwortete er für den globalen Softwarehersteller Sage Group plc, als Executive Vice President und Managing Director Central Europe, das Geschäft in Deutschland, Österreich, Schweiz und Polen. Unter anderem leitete er auch die Einführung der Sage Business Cloud in Zentraleuropa. Der diplomierte Wirtschaftsmathematiker arbeitete in den letzten 25 Jahren außerdem in der Geschäftsführung für die CAS Software AG, in leitenden Positionen u.a. für SAS-Institute sowie als Partner zweier Unternehmensberatungsgesellschaften.
Weitere Infos unter:
easy software AG
Quellen Bilder:
- Headerbild (Quelle: Pixabay/ Tung Nguyen; CC0-Lizenz)
- Autorenfoto (Quelle: Andreas Zipser)