Digitalisierung als Treiber der Mission: Mitarbeiter

von Doris Albiez

Bereits zum dritten Mal innerhalb weniger Jahrzehnte verändert die IT nun unsere Arbeitswelt. Als Ende der 60er-Jahre zum ersten Mal IT-Systeme, sie hießen damals noch „EDV“, auf breiter Front eingeführt wurden, betraf das nur große Unternehmen. Der gewaltige Umbruch ist fast schon vergessen, und dass davor Banken die Konten noch weitgehend von Hand verwalteten, dass Einwohnermeldeämter mit riesigen Karteikästen arbeiteten, ist kaum noch vorstellbar. Die Arbeit in Banken, Versicherungen und Behörden veränderte sich, und der grün leuchtende Bildschirm eines Großrechner-Terminals wurde an vielen Arbeitsplätzen unverzichtbar. Damals verschwanden die „Kontoristen“ aus den Büros, neue Berufsbilder entstanden: „Programmierer“ oder – schon wieder fast vergessen – „Datentypistin“.

Ein zweiter Umbruch der Arbeitswelt erfolgte mit den Arbeitsplatzrechnern Anfang der 80er-Jahre. Jetzt übernahmen PCs viele manuelle Arbeitsprozesse in Unternehmen aller Größenordnungen bis zu Arztpraxen und Kanzleien. Wieder verschwanden ganze Berufsbilder – die Schreibkraft ebenso wie das hoch angesehene Handwerk des Schriftsetzers. Zugleich entstanden neue Berufe. Man konnte nun Netzwerkadministrator, EDV-Kaufmann oder Medizininformatiker werden. Doch die IT veränderte innerhalb weniger Jahre auch nahezu alle Berufe: Ob Ärzte, Buchhalter, Piloten, Musiker, Bäcker, Vertreter oder Designer, früher oder später bekamen es alle mit dem PC zu tun.

Derzeit stehen wir am Anfang einer dritten Umwälzung der Arbeitswelt durch IT-Technologien. Diesmal werden die Veränderungen noch tiefgreifender sein. Die Digitalisierung vernetzt intelligente Systeme umfassend und grenzenlos; der ständige Zugang zu Informationen aus aller Welt und eine universelle Kommunikationsfähigkeit revolutionieren sämtliche Arbeitsprozesse. Sie werden flexibler, weil sie nicht mehr an bestimmte Orte und Zeiten gebunden sind und die nötigen digitalen Ressourcen überall zur Verfügung stehen, sei es auf mobilen Geräten oder in der Cloud. Das hat natürlich erhebliche Auswirkungen auf die jeweiligen Arbeitsplätze und damit auf die Mitarbeiter, die dabei nicht auf der Strecke bleiben dürfen.

Arbeitsprozesse

Doch die aktuellen Veränderungen unterscheiden sich erheblich von den früheren. Der durch die Digitalisierung initiierte Wandel ist umfassender, weil er alle Branchen und alle Berufsgruppen betrifft: Banken und Versicherungen, Handel, Industrie, Medien oder Gesundheitswesen. Vor allem aber sind alle Ebenen betroffen: Intelligente Tools, vernetzte, selbstlernende Systeme oder „künstliche Intelligenz“ können Arbeitsprozesse auf breiter Front automatisieren und effizienter organisieren. Wurde zum Beispiel die ehemalige Schreibkraft weitgehend durch Angestellte mit Textverarbeitungssystemen ersetzt, so geht die Digitalisierung nun noch einen Schritt weiter: Sie automatisiert durch selbstlernende Systeme das Erstellen des Contents selbst. Software-Roboter schreiben dann beispielsweise Börsennachrichten.
Es werden also nicht mehr wie bisher nur Routinetätigkeiten automatisiert, sondern auch qualitativ hochwertigere Aufgaben von „Wissensarbeitern“, zum Beispiel von Lehrern, Bankangestellten oder Anwälten. Der Unterschied der Digitalisierung zu den früheren Phasen ist deutlich: Der Arzt nutzt nicht mehr nur eine Arzt-Software zu Verwaltung von Patientendaten, er wird bei der Diagnose von intelligenten Systemen unterstützt und in manchen Fällen können solche Systeme Aufgaben auch ganz übernehmen.

Arbeitsplätze

Diese Entwicklungen führen dazu, dass sich die Arbeitsplätze erheblich verändern. Wie der Arbeitsplatz der Zukunft genau aussieht, lässt sich heute noch kaum abschätzen, und die Mehrzahl der Berufe, in denen wir in fünf oder zehn Jahren arbeiten werden, sind heute noch gar nicht bekannt. Wissensmanager, Produktionstechnologe oder IoT-Planer könnten solche Berufe sein. Darauf müssen sich nicht nur die Arbeitnehmer selbst einstellen, sondern auch die Unternehmen; beide Seiten müssen hier umdenken und können nicht erwarten, dass sich bisheriges einfach fortschreiben lässt.

Zugleich schafft die Digitalisierung auch neue Modelle des Arbeitens. Herkömmliche Arbeitsstrukturen lösen sich langsam auf oder werden zurückgedrängt. Immer häufiger arbeiten Mitarbeiter in virtuellen Teams, die unabhängig von festen Orten für Projekte aus wechselnden Mitgliedern zusammengestellt werden. Fachkräfte arbeiten im Homeoffice, von unterwegs aus oder flexibel als Freelancer mal für dieses, mal für jenes Unternehmen.

Arbeitnehmer

Was für Mitarbeiter wirklich wichtig ist…

Arbeitsplätze sind aber nicht abstrakte Entitäten, sondern bedeuten immer auch Mitarbeiter. Sie sind von der Digitalisierung ganz persönlich massiv betroffen. Mühevoll erworbenes Wissen wird überflüssig, langjährige Erfahrung obsolet – neues Wissen ist verlangt und entsteht nicht von selbst. Der enorme Anpassungsaufwand bringt unvermeidlich auch Reibungen. Für den Erfolg der Digitalisierung wird es nicht zuletzt darauf ankommen, wie Unternehmen diese Anpassungen bewältigen. Sie müssen dem Mitarbeiter Anerkennung und Wertschätzung vermitteln. Vom Wissen, von der Kreativität, aber auch von der Motivation der Beschäftigten hängt ab, ob das alles tatsächlich so funktionieren wird, wie es sich die Strategen der Digitalisierung vorstellen. Unternehmen müssen daher eine „Mission Mitarbeiter“ starten und ihr Verhältnis zu Mitarbeitern neu definieren. So hat Dell im Plan 2020, in dem die Position des Unternehmens in Umwelt und Gesellschaft festgehalten wurde, den Mitarbeitern viel Raum eingeräumt und spezielle Förderprogramme aufgesetzt. Der Arbeitsplatz der Zukunft braucht ein attraktives Arbeitsumfeld, in dem die Teammitglieder ihr Potenzial entfalten und ihre persönlichen Ziele erreichen können.

Eines der bemerkenswertesten Resultate der aktuellen Studie zur „Future Workforce“, die Dell und Intel erstellt haben, ist der hohe Wert von 89 Prozent, der sich in Deutschland für die Zufriedenheit mit dem aktuellen Job ergab. Dieser außerordentliche Motivationsfaktor muss in den Umwälzungen der Digitalisierung erhalten bleiben. Ein motiviertes Team war immer schon ein Wettbewerbsvorteil – in der Digitalisierung ist es eine Voraussetzung, ohne die Unternehmen ein derart anspruchsvolles Konzept nicht realisieren können.

Future-Workforce-Studie

Ob und wie weit die Mitarbeiter für diesen Prozess bereit sind, ist für einen erfolgreichen Transformationsprozess entscheidend. Die Future-Workforce-Studie zeigt, dass die Mitarbeiter bei der künftigen Entwicklung der Arbeitswelt der Technologie eine wichtige Rolle zumessen: In Deutschland erwartet sich davon eine deutliche Mehrheit mehr Produktivität – soweit es sich um konkrete Anwendungen handelt: So erreichen schnelleres Internet (63%), moderne Geräte (63%) und besseres Messaging (51%) hohe Zustimmung, während die Möglichkeiten der Produktivitätssteigerung etwa durch künstliche Intelligenz (38%) weniger vorteilhaft gesehen werden. Von einer ablehnenden Haltung gegenüber neuen Technologien kann bei den Mitarbeitern jedenfalls keine Rede sein.
Die mit der Digitalisierung verbundene Neuorganisation der Arbeitswelt ist bei den Beschäftigten noch nicht durchgängig angekommen. Auf die Frage, wo sie am besten arbeiten können, nennt mehr als die Hälfte das traditionelle Büro, nur 14 Prozent nennen das Homeoffice und ebenso viele geteilte Arbeitsräume („Shared Office Space“).

Mitarbeiter bevorzugen den persönlichen Kontakt

Eine zentrale Rolle spielen für die Beschäftigten der Studie zufolge die sozialen Aspekte des Arbeitsumfelds: persönlicher Kontakt und direkter Austausch mit Kollegen ist wichtiger als die eingesetzte Technologie. Nicht zuletzt davon hängen die hohen Werte für die Zufriedenheit mit dem aktuellen Job ab, die wiederum eine Voraussetzung für Motivation und hohe Produktivität ist. Es wird in der digitalen Transformation wesentlich darauf ankommen, dieses Zufriedenheitsniveau der Mitarbeiter auch über die anstehenden Veränderungen hinweg zu erhalten und im Zuge einer „Mission Mitarbeiter“ ein attraktives und interessantes Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem alle Teammitglieder ihr Potenzial entfalten können.

Beitrag veröffentlicht im Dez. 2016 im Handbuch Digitalisierung

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