Digitaler Zehnkampf
Allein schon im E-Commerce herrscht noch Kleinstaaterei: Zwar kaufen 80 Prozent der Deutschen online ein, aber nur 14 Prozent shoppen in anderen EU-Ländern. Und nur sieben Prozent der KMU sind im Auslandsgeschäft tätig. Grund sind rechtliche und administrative Hürden. Unter anderem sollen nach dem Willen der EU Konsumenten digitale Waren und Dienstleistungen durch harmonisierte Vorschriften, etwa im Vertragsrecht und Verbraucherschutz, zugänglicher werden und damit die Wachstumschancen für Unternehmen steigen. Unterbunden werden sollen auch direkt diskriminierende Praktiken wie das Geoblocking. Mit solchen Sperren von Online-Händlern wird Verbrauchern aufgrund ihres Aufenthaltsortes entweder der Zugang zu einer Webseite verwehrt oder sie werden auf eine ihrem Standort entsprechende Seite mit anderen Preisen umgeleitet – die dann gepfeffert sein können. Außerdem soll das Urheberrecht europaweit harmonisiert werden, womit sich neue Chancen für Urheber und Anbieter von Inhalten eröffnen.
Die angestrebte Vereinheitlichung der wichtigsten Verbraucherrechte würde den grenzüberschreitenden Onlinehandel sowohl für Verbraucher als auch für Händler deutlich attraktiver machen, heißt es bei der BITKOM. „Gerade kleinere Online-Händler würden davon profitieren, wenn grundsätzlich das Recht des Händlerlandes gilt“, sagt Kempf. Auch die vorgesehene weitere Harmonisierung des Urheberrechts und eine Anpassung an die Erfordernisse des digitalen Zeitalters begrüßt er: „Die neuen Regeln des Urheberrechts müssen einen fairen Ausgleich schaffen zwischen den Interessen der Rechteinhaber, der digitalen Dienstleister und der Verbraucher.“ Zugleich warnt BITKOM vor der Einführung eines Leistungsschutzrechts auf europäischer Ebene. „Das Leistungsschutzrecht ist nicht nur in Deutschland gescheitert. Es hat sich auch negativ auf viele kleinere Dienstleister und vor allem Start-ups ausgewirkt“, betont Kempf.
Neben diesen wichtigen regulativen Weichenstellungen muss sich aber auch einiges in den Köpfen verändern. „Einige Unternehmen in Deutschland sind bereits gut für die digitale Transformation und Industrie 4.0 aufgestellt, Sorgen muss sich vor allem der Mittelstand machen“, sagt Sabine Bendiek, Geschäftsführerin der EMC Deutschland GmbH. „Das größte Problem ist: Der Mittelstand investiert kontinuierlich zu wenig. In der Breite haben mittelständische Unternehmen heute immer noch große Schwierigkeiten, ihr Geschäftsmodell an die Umwälzungen anzupassen, die durch die digitale Transformation entstehen.“
Bendiek empfiehlt einen Dreischritt: Erstens sollten abteilungsübergreifende Think-Tanks gebildet werden, die Ideen für zukünftige Geschäftsmodelle entwickeln. Zweitens sollten Partner aus der IT-Branche gesucht werden, die über ausreichende Referenzen verfügen. Und drittens rät sie dazu, die Kosten für die IT-Landschaft mit Cloud-Technologien zu senken.
Die so freigesetzten Ressourcen könnten wiederum in die Projekte der Think-Tanks fließen. „Doch vielfach fehlt dem Mittelstand noch die Bereitschaft, Geschäftsmodelle schnell und grundlegend zu verändern: Unternehmen müssen mutiger sein!“, appelliert Bendiek. Mut aufgebracht und mehr Digitalisierung gewagt hat das Unternehmen Sulzer, das für einen deutschen Premiumautomobilhersteller eine moderne Planungsgrundlage geschaffen hat. Nun steht ein digitales und einfach zu bedienendes Werkzeug für die überaus komplexe Montageplanung zur Verfügung. Statt ellenlange Pinnwände mit Karteikarten zu bestücken, die immer wieder umgesteckt und neu gruppiert werden müssen, um Auslastung, Stabilität und Wertschöpfung im Fahrzeugbau zu optimieren, erfolgt dieser Prozess nun übersichtlich und bedienerfreundlich am Bildschirm. Ein Werkzeug, das gerade für den Standort Deutschland mit seiner starken Automobilindustrie wertvoll ist. Ohnehin wandelt sich hier das produzierende Gewerbe stärker als in anderen Ländern. „Insbesondere in Deutschland führt an Industrie 4.0 kein Weg vorbei“, stellt Gerhard Knoch, Vice President ERP EMEA von Infor, fest. Damit die smarte Produktion ein Erfolg wird, kommt es aber darauf an, dass nicht Silo-Lösungen den Markt fragmentieren. „Oberste Prämisse ist Offenheit: Lösungen müssen sich untereinander leicht integrieren lassen, um einen durchgängigen Informationsfluss und Analysen zu ermöglichen“, sagt Knoch. Er setzt daher auf eine standardbasierte Middleware, die offen gestaltet ist, so dass mit ihr Lösungen verschiedener Anbieter problemlos verknüpft werden können.