Daten sind das Zahlungsmittel für eine smarte Mobilität
Ohne Datenerfassung gibt es keine Smart Mobility. Trotzdem braucht es für ein intelligentes Mobilitäts-Ökosystem nicht unbedingt den „gläsernen Bürger“.
Die Liebe der Deutschen zum Automobil ist ungebremst: Rund 47,7 Millionen Pkws sind hierzulande angemeldet. Im Durchschnitt wird ein Auto nur eine Stunde am Tag gefahren, steht also 23 Stunden am Tag herum und nimmt dabei viel Platz weg. Gleichzeitig leiden die Pendler in großen Städten unter dichtem Verkehr. Wer beispielsweise in Hamburg Auto fährt, muss laut Analyse des Kartierungsdienstleisters Tomtom rund ein Drittel der Fahrzeit extra für Stau und Wartezeiten einplanen.
Diese Zahlen zeigen, wie dringend die Städte neue Mobilitätslösungen benötigen. Es geht um die Frage, wie man immer mehr Menschen schnell und möglichst ressourcenschonend durch die Citys dieser Welt bringt. Die Antwort darauf – Smart Mobility – ist allerdings weit mehr als ein Hybridbus zum Flughafen oder eine Parking-App, es geht um ein rundum vernetztes Transportsystem.
„Ganz ehrlich – warum sollte man in einem sicheren Umfeld als Verbraucher seine Daten nicht teilen,
Kai Grunwitz
wenn dafür im Gegenzug etwa die Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln umsonst ist?“
Gerade in größeren Städten gibt es eine Vielzahl von Verkehrsmitteln für die persönliche Mobilität: den öffentlichen Personennahverkehr mit U-Bahnen, Straßenbahnen und Bussen, das eigene Fahrzeug, Taxis und Carsharing, aber auch Leihräder, Cargo-Bikes oder E-Scooter für die letzte Meile. Werden diese unterschiedlichen Verkehrsmittel anbieterübergreifend und intelligent miteinander verknüpft inklusive durchgängiger Bezahlsysteme, wird mit einem Klick die effizienteste, bequemste, sicherste und umweltschonendste Route angezeigt. Und sie lässt sich auch buchen, ohne dass ein Konto bei jedem einzelnen Anbieter notwendig ist. Algorithmen lassen dabei die aktuelle Verkehrssituationen per Echtzeit in die Berechnung einfließen, ebenso wie beispielsweise die Parkplatzsituation am Zielort.
Grundvoraussetzung ist eine datengetriebene Plattform, die standardisiert und interoperabel allen Beteiligten offensteht und Themen wie digitale Resilienz, Systemsicherheit, Datenschutz by Design und rechtlich-regulatorische Rahmenbedingungen bereits von vornherein berücksichtigt. Gleichzeitig gilt es, die „digitale Kluft“ zwischen Stadt und Land zu überwinden: Bereits erprobte, erfolgreiche Infrastrukturen und Anwendungen müssen in der Fläche umgesetzt werden, damit nicht jede Kommune das Rad für sich neu erfinden muss.
Fakt ist, ohne Datenerfassung gibt es keine Smart Mobility. Trotzdem braucht es für ein intelligentes Mobilitäts-Ökosystem nicht unbedingt den „gläsernen Bürger“. Auf der Basis von aggregierten, anonymisierten Bewegungsdaten können die Infrastrukturplanung von Städten und Gemeinden sowie alle begleitenden Services entscheidend verbessert werden. Zudem können mit digitalen Lösungen, wie Blockchain-basierten Data Wallets und „vergesslichen” IT-Systemen, individualisierte Angebote entwickelt werden, ohne dass sensible Kundendaten an Mobilitätsdienstleister übergehen oder gar persistent bei ihnen gespeichert werden.
Natürlich stellt sich die Frage, wer die Hoheit über die gewonnenen Daten hat, wie, von wem und gegebenenfalls zu welchem Preis diese genutzt werden dürfen, wie die lokale Wirtschaft und neue Geschäftsmodelle dadurch gefördert werden können oder auch wie der Bürger selbst über eigene datenbasierte Marktplätze Geld erwirtschaften kann. Mit Bewegungsdaten können beispielsweise Händler zielgerichteter auf Kunden zugehen. Wer weiß, wie häufig Konsumenten aus einer bestimmten Region in seine Gegend kommen, kann sein Sortiment aufgrund dieser Daten neu justieren, Werbung sehr viel zielgenauer ausspielen oder einen Partner mit ergänzendem Angebot mit an Bord holen.
Kommunen können dank dieser Transparenz Verkehrsflüsse intelligent steuern und die Stadtentwicklung unterstützen. Und ganz ehrlich – warum sollte man in einem sicheren Umfeld als Verbraucher seine Daten nicht teilen, wenn dafür im Gegenzug etwa die Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln umsonst ist? Den Städten und Gemeinden ermöglicht ein entsprechender Daten-Pool die Finanzierung solcher Angebote.
„Soll Mobilität smart gestaltet werden, bedarf es auf jeden Fall ganzheitlicher Konzeptionen.“
Soll Mobilität smart gestaltet werden, bedarf es auf jeden Fall ganzheitlicher Konzeptionen. „Smart City“ ist der Begriff für Städte, die unter intelligentem und nachhaltigem Einsatz von Kommunikations- und Informationstechnologie ein effizientes und komfortables Lebensumfeld schaffen. Hier stehen eine gesunde Wirtschaft, der Mensch mit seinen Bedürfnissen und eine nachhaltig intakte Umwelt im Mittelpunkt.
Wie das aussehen kann, zeigt beispielsweise der japanische Industriegigant Toyota – auch in Zusammenarbeit mit NTT – mit der Woven City. In diesem gewissermaßen lebenden Testlabor werden Zukunftstrends wie autonomes Fahren und Warentransport über unterirdische Tunnel, ein umweltfreundliches Energiemanagement durch Brennstoffzellen, die aus Wasserstoff Strom erzeugen, und smarte Häuser, die mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz und Robotik das Leben der Bewohner erleichtern, auf ihre Alltagstauglichkeit erprobt. Spatenstich ist 2021, zu Beginn sollen 2.000 Menschen in die Woven City einziehen.
Schon heute weiß man, eine konsequent umgesetzte Smart-Mobility-Strategie unterstützt die Nachhaltigkeitsziele der UN: Die Staatengemeinschaft hat sich zum Ziel gesetzt, die Umweltbelastung durch schädliche CO2-Emissionen zu reduzieren und die Lebensqualität jedes Einzelnen spürbar zu verbessern.
Autor:
Kai Grunwitz, Geschäftsführer der NTT Ltd. in Deutschland
Aufmacherbild / Quelle / Lizenz
Bild von Gerd Altmann auf Pixabay