Banken und digitale Ökosysteme
Was Klaus-Peter Bruns von der Fiducia &GAD unter „digitalen Ökosystemen“ versteht und wie die Bank der Zukunft aussehen könnte, berichtet er im Gespräch mit der TREND-REPORT-Redaktion.
Herr Bruns, was verstehen Sie unter digitalen Ökosystemen?
Als Beispiele digitaler Ökosysteme werden oftmals Airbnb oder Uber genannt. Doch mir erscheint es fraglich, ob diese milliardenschweren Plattformen tatsächlich die neue Ökonomie der digitalen Teilhabe repräsentieren. Zwar resultiert die Wertschöpfung aus einer Kooperation der vielen Millionen Nutzer – die Gewinne aber teilen sich nur wenige. Mit Blick auf Innovation und neue Geschäftsmodelle sehe ich viel größeres Potenzial in solchen Digitalplattformen, deren Stakeholder auch gleichzeitig Shareholder sind. Für mich ist ein digitales Ökosystem also in erster Linie eine Art Genossenschaft 2.0.
Welchen Nutzen verspricht sich Ihre genossenschaftliche FinanzGruppe davon?
In traditionellen Genossenschaften vertraut man einander, weil man sich noch persönlich kennt. Das ist bei Digitalplattformen ohne geografische Begrenzung anders, weshalb Vertrauen auf andere Weise entstehen muss. Für Genossenschaftsbanken, die jeden Kunden durch persönliche Legitimation kennen, bietet sich hier die einmalige Chance, die Rolle eines Vertrauensbrokers für digitale Ökosysteme zu übernehmen. Im Wettbewerb können sie sich somit gleichsam durch digitale Nähe profilieren.
Wie nutzen Sie heute die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz?
Die Fiducia & GAD arbeitet mit IBM als strategischem Technologiepartner im Rahmen eines gemeinsamen Watson-Pilotprojekts eng zusammen. Damit haben wir sozusagen einen heißen Draht zu den Entwicklern von Watson. Das erleichtert unserem Team natürlich das Verständnis der komplexen linguistischen Verarbeitungsschritte des Systems und seiner praktischen Anwendungsmöglichkeiten. Ganz konkret haben wir einen Chatbot für Supportanfragen entwickelt, der auf Watson basiert. Er soll als Customer Advisor für einen effizienteren und qualitativ verbesserten Systemsupport in den von uns betreuten Banken sorgen. Das Feedback unserer Kunden auf die Entwicklung ist sehr positiv. Daher haben wir entschieden, die Lösung zeitnah umzusetzen – eine erste produktive Version ist für Anfang nächsten Jahres geplant. Auf unserer jüngsten Fachmesse im April haben wir neben dem Customer Advisor auch Sarabi vorgestellt. Sarabi verwandelt die VR-BankingApp in einen virtuellen Assistenten. Dabei beschränkt sie sich nicht auf klassische Bankfunktionen, sondern kann zum Beispiel auch Angebote regionaler Einzelhändler integrieren – eine weitere Chance, digitale Nähe zu den Kunden herzustellen. Ich rechne damit, dass KI-Technologien bald auch die Bankberatung revolutionieren.
Arbeiten Ihre Entwicklerteams agil und wieviel Freiraum brauchen sie dazu?
Agile Entwicklungsmethoden sind für die Fiducia & GAD mittlerweile gängige Praxis und komplettieren als Motor für eine rasante App-Entwicklung unsere seit Jahren bewährte Softwareentwicklungsmethodik. Inzwischen haben wir regelmäßige Hackathons, an denen auch Vertreter anderer Unternehmen aus der genossenschaftlichen FinanzGruppe teilnehmen, als wiederkehrendes Event fest etabliert. In unserem neu eingerichteten Innovationslabor arbeiten App-Entwickler gemeinsam mit späteren Anwendern aus den Banken in einer unkonventionellen, kreativitätsfördernden Atmosphäre. Freiraum ist für experimentelle Softwareentwicklung absolut notwendig. Aber es braucht auch Strukturen der Erfolgskontrolle, um die wirklich aussichtsreichen Entwicklungsansätze frühzeitig identifizieren und vorhandene Ressourcen so effektiv wie möglich einsetzen zu können. Genau dafür sorgt bei der Fiducia & GAD ein durchdachtes Innovationsmanagement mit klar definierten Prozessen.
Inwieweit ist das mit einer demokratischen Unternehmenskultur verbunden?
Agilität und Innovationskraft sind ohne eine demokratische Unternehmenskultur nicht zu haben. Unseren Erfahrungen nach sind Offenheit und Transparenz bei der internen Kommunikation entscheidende Erfolgsfaktoren, die es kontinuierlich zu verbessern gilt. Agilität ist in diesem Kontext ein wesentlicher Hebel um Veränderungen zu forcieren. Agile Projekte brauchen – um wirklich erfolgreich zu sein – ein Umfeld mit viel Eigenverantwortung und Selbststeuerung. Dazu braucht es eine Führung, die nicht per Command und Control agiert, sondern über Sinn und Ziele steuert und sich als Unterstützer der Teams sieht. Das bekommt man nicht von heute auf morgen, ist für uns als Unternehmen aber die Zielkultur, die wir fördern wollen und Agilität hilft uns auf diesem Weg.
Wie sieht Ihrer Meinung nach die Bank der Zukunft aus?
Allen Unkenrufen zum Trotz: Die Bankfiliale und besonders der persönliche Kontakt mit dem Berater werden weiterhin einen hohen Stellenwert haben. Das bestätigen auch aktuelle Studien zum Beispiel des Zukunftsinstituts. Demnach ändert sich allerdings das Profil der Banken. Bankfilialen wandeln sich vom „Ort des Geldes“ zum „Ort des Sozialen“. Das heißt: Die erfolgreiche Bank wird sich weiter entwickeln von einem reinen Finanzdienstleister zu einem Partner in allen Lebenslagen – mit individuellen Beratungsangeboten für Privat- und Firmenkunden. Sie schafft Mehrwerte über das Banking hinaus, indem sie durch eine horizontale Vernetzung ein Beziehungssystem zwischen Privatkunden, Firmenkunden und Bank aufbaut. Wie sehr ihr das gelingt, wird zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Die Genossenschaftsbanken sind hier aus meiner Sicht bereits gut aufgestellt.
Über Klaus-Peter Bruns