Die Arbeitswelt wird agiler, das zeigt die aktuelle Studie der ias-Gruppe. Wenn sich die Art zu arbeiten verändert, hat das auch massive Auswirkungen auf das Verständnis von Führung. Über die Rolle von Führung im agilen Arbeiten sprach TREND REPORT mit Angelika Westerwelle, Geschäftsführerin der Ge.on BGM GmbH, eines Unternehmens der ias-Gruppe.

Was verbirgt sich hinter dem Schlagwort „agiles Führen“?
Historisch betrachtet haben agile Methoden zwei Wurzeln: Zum einen haben Firmen festgestellt, dass sie mit traditionellen Arbeitsweisen nicht schnell genug darin sind, auf neue Themen zu reagieren, Stichwort VUCA. Zum anderen gibt es die Erkenntnis, dass Menschen besonders motiviert sind, wenn sie mitgestalten können – das ist auch neurologisch nachweisbar. Um Schnelligkeit und Flexibilität zu ermöglichen und Mitarbeiter mehr zum selbstinitiierten Handeln und Ausprobieren zu motivieren, ist auch eine andere Form der Führung erforderlich. Anders als oftmals angenommen braucht es beim agilen Arbeiten nicht weniger Führung, sondern mehr.

Die Führung ist hier aber vordergründig dazu da, eine Plattform zu schaffen, um Mitarbeitern zu ermöglichen, sich selbst weiterzuentwickeln und Themen voranzutreiben. Die größte Herausforderung besteht jedoch darin, den Wandel im Kopf hinzubekommen. Ich kann als Führungskraft nicht mehr so führen, wie ich es vielleicht gelernt habe, auf Basis von Hierarchien und zum Teil auch mit Ausübung von Macht. Es geht mehr darum, darauf zu vertrauen, dass sich die Mitarbeiter bzw. Teams aufgrund der Erfahrung und Kompetenz gut selbst organisieren können. Dieses Loslassen ist für viele die größte Herausforderung.

Wie nimmt man als Führungskraft ein Team mit, bei dem Personen in unterschiedlichem Tempo lernen?
Es ist wichtig, erst mal zu schauen, inwieweit die Mitarbeiter fähig sind, Agilität zu leben – vermutlich ist in den meisten Teams die gesamte Bandbreite vorhanden. Dann ist es sinnvoll, Schritt für Schritt vorzugehen und erst diejenigen mit ins Boot zu holen, die sich schon mehr zutrauen. Diese können dann ihren Kollegen vorleben, wie es gehen kann.

Gerade am Anfang brauchen manche Mitarbeiter noch hier oder da eine Entscheidung der Führungskraft und es gelingt erst sukzessive, sich als Vorgesetzter zurückzuziehen. Andererseits stellen Mit­arbeiter, die sich nicht ohne Weiteres auf agile Arbeitsweisen einlassen, oft sehr schlaue Fragen oder haben Hinweise darauf, was noch nicht funktioniert. Viele Führungskräfte erleben derartige Fragen als Widerstand. In Wirklichkeit sind sie jedoch wertvolle Ressourcen aus dem System, die aufzeigen, wo noch einmal nachgeschärft werden muss.

„Um Schnelligkeit und Flexibilität zu ermöglichen und Mitarbeiter mehr zum selbstinitiierten Handeln zu motivieren, ist eine andere Form der Führung erforderlich“, stellt Angelika Westerwelle fest.

Wie weit sind die Unternehmen in Sachen agiler Führung heute?
Die Anforderungen an eine agile Führung werden noch unterschätzt, wie unsere Studie zeigt. Dadurch fehlt in den Unternehmen häufig das Rüstzeug, um den Wandel gut zu gestalten: Knapp jeder vierte Studienteilnehmer gibt an, dass Führungskräfte gegenwärtig nicht ausreichend dabei unterstützt werden, ihre Mitarbeiter in Veränderungsprozessen zu führen.

Ebenso viele erleben Führung nicht als mitarbeiterzentriert und geben an, dass Führungskräfte die Erwartungen, die sie an ihre Mitarbeiter stellen, selbst nicht vorleben.

Was benötigen Unternehmen und Führungskräfte, um den Wandel von traditionell zu agil erfolgreich zu bewerkstelligen?
Zeit, Geduld und den Blick von außen. Die Unternehmen sollten sich Zeit nehmen, um eine gemeinsame Haltung zu entwickeln. Dazu braucht es viel Austausch und Perspektivwechsel, zum Beispiel können Führungskräfte die Produktion oder andere Abteilungen aufsuchen oder sich zu Lieferanten begeben. In der Umsetzung ist häufig die Begleitung durch einen externen Berater sinnvoll.

Dabei ist weniger oft mehr – der Berater soll vor allem mit Moderation oder Impulsen von außen unterstützen. Und last, but not least heißt es einfach: dranbleiben und nicht müde werden. Ein derartiger Wandel braucht einfach auch viel Zeit.

Die Studienpublikation zur ias-Stu­­die „Außen agil, innen traditionell? Unternehmen zwischen den Welten“ können Sie
kostenfrei anfordern (PDF): redaktion@ias-gruppe.de