Expertenpanel: Verbandssanktionengesetz
Nach einer intensiven rechtlichen und rechtspolitischen Diskussion ist es nun so weit: Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) will verbandsbezogene Straftaten sanktionieren. Der Entwurf sieht scharfe Sanktionen für Unternehmen vor, schafft aber gleichzeitig erhebliche Anreize für Compliance-Maßnahmen sowie eine Zusammenarbeit mit den Behörden.
Compliance-Monitor: Wirksam aber teuer
Dr. Konstantin von Busekist, Partner bei KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Konzeptionell nähert sich der Entwurf dem anglo-amerikanischen Rechtsraum an. Insbesondere erinnert die Sanktionsform „Verwarnung mit Vorbehalt der Verbandsgeldsanktion“, die zusätzlich mit Auflagen und Weisungen verbunden werden kann, an das US-amerikanische „Deferred Prosecution Agreement“.
Als besondere Form einer Weisung kann ein Gericht gegenüber dem Verband verfügen, bestimmte Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandssanktionen zu treffen und diese durch Bescheinigung einer „sachkundigen Stelle“ (Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer etc.) nachzuweisen. Die Kosten trägt der Verband. Damit wird das von vielen Unternehmen gefürchtete Instrument des Compliance-Monitors eingeführt. Dessen Auftrag ist nicht die Aufdeckung weiteren Fehlverhaltens, sondern zukunftsgerichtet die Sanierung des Unternehmens unter Compliance-Gesichtspunkten.
Auch große, deutsche DAX-Unternehmen standen bereits unter einem „Monitorship“ nach US-Regularien. Der Einsatz eines Compliance-Monitors ist ein sehr wirksames Instrument, das die Compliance-Organisation ungemein fördert. Es ist aber auch sehr teuer, da es erhebliche finanzielle und personelle Ressourcen bindet.
Die Herausforderung wird sein, Gegenstand und Umfang eines i. d. R. mehrjährigen Monitormandats so konkret wie möglich zu fassen und in der Ausgestaltung unnötige Belastungen für die operative Geschäftstätigkeit zu vermeiden. Hier gilt es, effiziente Prozesse zu entwickeln, um den ggf. hohen Anforderungen des Monitors im gesetzten Zeitrahmen nachkommen zu können und die erforderliche Bescheinigung zu erhalten.
Haftung internationaler Unternehmen?
Dr. Bernd Federmann, LL.M., Partner bei KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Die Regelungen des Entwurfs für ein Verbandssanktionsgesetz (VerSanG-E) können unter zwei Aspekten Auswirkungen auf international aufgestellte Unternehmen haben.
Derzeit können sich internationale Konzerne durch den Einsatz ausländischer Mitarbeiter faktisch einer Verantwortung nach deutschem Bußgeldrecht für Verstöße im Ausland entziehen. Sanktioniert sollen künftig auch Taten im Ausland werden, die von einem ausländischen Täter begangen wurden und auf die deshalb das deutsche Strafrecht keine Anwendung findet. Voraussetzung soll sein, dass der betreffende Verband zum Tatzeitpunkt in Deutschland einen Sitz hat, die Tat in Deutschland mit Strafe bedroht wäre und auch am Tatort eine Straftat darstellt oder dort keiner Strafgewalt unterliegt. Dabei muss sich nicht zwingend der Satzungssitz des Verbands in Deutschland befinden, ein deutscher Verwaltungssitz reicht. Der VerSanG-E bleibt durch den erforderlichen Sitz in Deutschland aber noch deutlich hinter der „long arm jurisdiction“ des US-amerikanischen Foreign Corrupt Practices Act und des UK Bribery Act zurück.
Erlischt ein Verband nach der Bekanntgabe der Verfahrenseröffnung oder wird sein Vermögen in einem Umfang mit der Folge verschoben, dass die Vollstreckung der Sanktion vereitelt wird, soll künftig der Regress gesichert werden. Hierzu soll ein Haftungsbetrag festgesetzt werden können gegen Verbände, die zum Tatzeitpunkt eine wirtschaftliche Einheit mit dem betroffenen Verband bildeten oder dessen wesentliche Wirtschaftsgüter übernommen haben. Diese sog. Ausfallhaftung könnte im Zweifel auch ausländische Konzernmütter ohne Sitz in Deutschland treffen. Denn anders als für die Sanktionierung ist für die Ausfallhaftung keine Beschränkung auf Verbände mit Sitz in Deutschland vorgesehen.
Beschlagnahmefreiheit nur für Beschuldigte
Philipp Schiml, Senior Manager bei KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Der Entwurf soll die Rechtsunsicherheit über die Reichweite des Beschlagnahmeverbots bei internen Untersuchungen beseitigen. Er selbst und die Aussagen seiner Begründung schaffen allerdings noch nicht ein Mehr an Rechtssicherheit.
Beschlagnahmefreiheit soll nur dann bestehen, wenn bereits ein Strafverfahren gegen den Verband eingeleitet ist, dieser also die Stellung eines Beschuldigten innehat, und ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Beschuldigtem und seinem zeugnisverweigerungsberechtigten Berater besteht. Sofern also das Unternehmen noch nicht die förmliche Stellung eines Beschuldigten innehat, können nach dem Entwurf die Unterlagen beschlagnahmt werden. Unklar bleibt, ob die Arbeitsergebnisse interner Untersuchungen auch nach Einleitung eines Strafverfahrens beschlagnahmt werden dürfen, weil sie sich wegen der vorgeschriebenen Trennung von interner Untersuchung und Verteidigung nicht auf die Verteidigung beziehen.
Das erklärte Ziel des Entwurfs, verbandsinterne Untersuchungen durch den Anreiz von Sanktionsmilderungen zu fördern, wird meines Erachtens so noch nicht erreicht. Wenn die Ergebnisse interner Untersuchungen jederzeit beschlagnahmt werden dürfen, finden sie nicht in einem geschützten Rechtsraum statt. Dies dürfte die Motivation vieler Unternehmen dämpfen, verbandsinterne Untersuchungen durchzuführen. Mit Blick auf eine mögliche Sanktionsminderung werden Unternehmen aber gleichzeitig angehalten, verbandsinterne Untersuchungen vorzunehmen und die Arbeitsergebnisse offenzulegen. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren sollte hier möglichst eine Klarstellung erfolgen.
Aufmacherbild / Quelle / Lizenz
Bild von MasterTux auf Pixabay