Der Mainframe ist (k)eine Glaubensfrage

Gastbeitrag von Thomas Hellweg

 

Extrem aufwändig, hoch riskant und endlos, – die Modernisierung von Mainframe Legacy-Anwendungen gilt bislang als Horror-Projekt der IT. Eine neue Methode verspricht Abhilfe.

 

Die unter Fußball-Fans berüchtigte Glaubensfrage „Schalke oder Dortmund“, wahlweise auch „FC Bayern oder 1860 München“, lautet unter IT-Verantwortlichen sinngemäß „Mainframe oder x86“. Hier sind die Fronten ähnlich klar: Während eine eingefleischte, konservative (IBM) Fan-Gemeinde auf die unvergleichliche Zuverlässigkeit, Performance und Sicherheit des Mainframe schwört, würden die Modernisierer den Rechenzentrum-Dinosaurier lieber heute als morgen für immer in den Jurassic Park der IT verfrachten.

Und das hat seine Gründe, die allerdings mit Glaubensfragen nur wenig zu tun haben:
Zum einen steigen die Betriebs- und Wartungskosten mit jedem zusätzlichen Betriebsjahr des Mainframe immer weiter an. Laut einer IDC-Studie[1] im Auftrag von IBM setzte bereits 2015 allein das Software- und Dienstleistungs-Ökosystem rund um den Mainframe – hierzulande bestehend aus ca. 350 Partnern – pro Jahr 1,7 Milliarden Euro um, Tendenz steigend. Diese Kennzahl lässt erahnen, wie tief Unternehmen aus der Automobil- und Finanzwirtschaft, dem Gesundheitswesen und anderen Branchen heute in die Taschen greifen, um den „Alten“ am Leben zu halten.

Ein weiterer Punkt der Contra-Fraktion: nicht die Mainframes, sondern die Spezialisten, die sich mit den häufig in COBOL, PL/1 oder Assembler programmierten Legacy-Anwendungen auskennen, sterben allmählich aus. Und Nachwuchskräfte sind rar. Studienangebote für diese traditionellen Programmiersprachen gibt es kaum, oder sie werden nicht angenommen. Zu unattraktiv ist die Aussicht, komplexen Programm-Code mit einem Umfang von mehreren Millionen Zeilen in einer antiquiert anmutenden 3270-Umgebung zu entwickeln.

Rehosting bisher zu riskant

Mithin steigt der Handlungsdruck der Verantwortlichen, im Zuge des digitalen Wandels die geschäftskritischen Mainframe-Applikationen zu modernisieren, um sie beispielsweise für den Cloud-, Virtual Data Center- oder mobilen Einsatz bereitzustellen. Dabei haben Legacy-Anwendungen zwei entscheidende Nachteile: sie sind häufig technologisch veraltet, und sie lassen sich aus ihrer abgeschotteten Mainframe-Umgebung nicht in die digitalen Welt überführen.

In der Tat waren IT-Maßnahmen, wenigstens einen Teil der Legacy von der Mainframe abzutrennen und die Anwendungen in eine offene, zukunftsfähige Systemumgebung zu migrieren, bislang von geringem Erfolg gekrönt, dafür aber mit erheblichen Risiken verbunden. Dies zeigt sich an einer Vielzahl gescheiterter Projekte in der Vergangenheit mit dramatischen Laufzeitüberschreitungen und hohen Kosten ohne klar erkennbaren ROI.

Die Hauptursachen für die unbefriedigenden Projektergebnisse liegen in den bisher eher begrenzten Umsetzungsmöglichkeiten des sogenannten „Legacy Rehosting“. Denn es gab bislang lediglich zwei, relativ brachiale Migrationsoptionen: entweder ein komplettes Re-Engineering, also eine Neu-Entwicklung bestehender Legacy-Anwendungen oder die Übersetzung von Legacy Programm-Code in eine moderne Programmiersprache.

 

Der Software Defined Mainframe – das Beste aus zwei Welten

Seit einigen Jahren setzt sich jedoch, basierend auf innovativer Technologie, zunehmend ein neuer Ansatz durch: die Migration von Legacy Systemen auf einen so genannten Software Defined Mainframe (SDM). Vereinfacht gesagt handelt es sich dabei um eine Softwarelösung, die simuliert, ein Mainframe zu sein. Sie ermöglicht Anwendern einen weitgehend automatisierten 1:1 Transfer von Legacy-Applikationen – inklusive Geschäftslogik – vom Mainframe in eine offene x86-Umgebung. Dabei wird der Quellcode der Altanwendung über File Transfer mittels eines Compilers automatisch in den zeitgemäßen ASCII (American Standard Code for Information Interchange) Code übersetzt.

Der Einsatz dieser Methode ist ausgesprochen komfortabel. In erster Linie macht sie eine manuelle Anpassung des Programm-Codes überflüssig, was den Zeitaufwand enorm reduziert. Zusätzlich weist die Migrationssoftware so genannten „toten“ oder „missing“ Programmcode aus. Dies kann den Umfang der Programmcodes erheblich verschlanken. Finanzdienstleister GE Capital beispielsweise migrierte sein Portfolio Management Systems (PMS), eine typische über 30 Jahre gewachsenen Legacy-Anwendung, auf die SDM-Lösung „OpenFrame“ von TmaxSoft. So konnte das Finanzunternehmen den Programm-Code der Anwendung von 71 Millionen auf 16 Millionen Zeilen und die Kosten um 66% reduzieren.

OpenFrame-Anwendungsmodell

Die migrierten Anwendungen können sowohl von Mainframe-Spezialisten als auch von Programmierern ohne Mainframe-Kenntnisse betreut und weiterentwickelt werden. Denn moderne SDM-Lösungen stellen alle Dateien, Datenbanken, Transaktions-Monitoring und Job Entry Systeme für Mainframe-Spezialisten exakt im Look & Feel ihrer gewohnten 3270 Interface dar, während den Experten neuerer Programmiersprachen eine zusätzliche, grafische Benutzeroberfläche zur Verfügung steht. Damit verbindet der SDM zwei Entwickler-Generationen, die nun gemeinsam an der Modernisierung der Unternehmensanwendungen arbeiten können. Auch das Problem des Fachkräftemangels bei Mainframe-Spezialisten wird so entschärft.

Darüber hinaus verspricht SDM signifikante technische und wirtschaftliche Vorteile: Einerseits können sämtliche Legacy-Applikationen für die Cloud und digitale Anwendungsbereiche, zum Beispiel den Aufbau von Virtual Data Centers, erweitert werden. Zum anderen werden die Anwendungen unabhängig von der Mainframe-Infrastruktur, was erhebliche Kosteneinsparungen ermöglicht. Der dritte und vielleicht bahnbrechende Vorteil aber ist, dass die Anwendungen beim Umzug in eine moderne, offene x86 Systemumgebung die viel gerühmte Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit einer Mainframe-Applikation beibehalten.

Unternehmen können, wie beim Beispiel GE Capital beschrieben, auch schrittweise nur bestimmte Applikationen, wie eine Legacy Datenbank, vom physischen auf den virtuellen Mainframe-Server zu migrieren. Fortschrittliche SDM-Lösungen bieten verfügen über Übersetzungs-Tools (Compiler), die den Quellcode bi-direktional übersetzen. So kann Programmcode auch über das GUI in JAVA bearbeitet und, sofern notwendig, wieder auf den Mainframe zurückgespielt werden. Allein die Migration von Teilbereichen der Mainframe Legacy-Anwendungen kann bereits zu enormen Leistungsverbesserungen und Kosteneinsparungen führen.

 

Open Frame: OF-Studio Programmierumgebung

Keine faulen Kompromisse in der IT-Planung

Viele Mainframe-Anwender scheuen nach wie vor das Wagnis einer teilweisen oder gänzlichen Abtrennung ihrer Legacy vom Mainframe. Mehr oder weniger notgedrungen werden die „Altlasten“ in zukunftsorientierte Digitalisierungsprojekte eingeplant. Ein technisches Oxymoron! Zudem bleibt fraglich, ob diese Entscheidung nicht lediglich eine Verlagerung von Risiken und Kosten bedeutet. Denn wie schon gesagt, Legacy-Anwendungen sind in Sachen Cloud und Virtualisierung alles andere als flexibel. Und wer soll die Modernisierung vornehmen, wenn immer mehr spezialisierte Fachkräfte fehlen?

Bestenfalls kann das Beibehalten des Altbewährten nur ein Aufschub für eine grundlegend notwendige Veränderung in der IT-Infrastruktur sein. Denn die Digitalisierung verlangt von der IT vor allen Dingen schnelle Anpassungsfähigkeit, Agilität und Flexibilität. Nur so können Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihren Erfolg in der digitalen Geschäftswelt auf lange Sicht sicherstellen.

Der Software defined Mainframe ist sowohl aus technologischer wie wirtschaftlicher Sicht, vor allem aber mit Blick auf die Machbarkeit eine komfortable Alternative zur herkömmlichen Modernisierungspraxis bei Altsystemen.


weiterführende Informationen:
TmaxSoft

 

Über den Autor:

 

Thomas Hellweg

 

Thomas Hellweg ist Vice President und Geschäftsführer des Enterprise Applications Anbieters TmaxSoft und verantwortet die Expansion des Unternehmens in Deutschland, Österreich sowie in der Schweiz und Luxemburg. Er verfügt über umfassende Erfahrung im Bereich relationaler Datenbank-Managementsysteme. Vor seiner Berufung zu TmaxSoft war Hellweg u.a. bei Oracle, IBM, Insight Technology und Microsoft tätig.

 

 

 

TmaxSoft Inc. ist ein globaler Software-Innovator mit Fokus auf Cloud-, Infrastruktur- und Legacy-Modernisierung. TmaxSoft entwickelt Lösungen, die CIOs tragfähige Alternativen zur Unterstützung ihrer globalen IT-Infrastruktur bieten und damit Wettbewerbsvorteile für Unternehmen sichern. Die Legacy-Rehosting-Lösung OpenFrame ermöglicht die Migration aller Anwendungen, Ressourcen und Daten von Mainframe-Systemen auf ein kostengünstigeres, hochleistungsfähiges Open- oder Cloud-System bei minimalem Migrationsrisiko und effektiver TCO-Reduzierung. Tibero ist eine der leistungsstärksten Unternehmens-RDBMS für das Virtual Data Center. Als weltweit erster Web Application Server mit J2EE 1.4, JAVA EE 5 und JAVA EE 6 Zertifizierung bietet JEUS verbesserte Sicherheit gegenüber traditionellen Web Application Servern. TmaxSoft wurde 1997 in Südkorea gegründet und beschäftigt heute über 1.000 Mitarbeiter in 20 Strategiezentren weltweit. Der Hauptsitz des Unternehmens befindet sich in Chicago.

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Quelle:

[1] https://www.computerwoche.de/a/ibm-stellt-neue-mainframe-generation-z13-vor,3092009