Nachhaltigkeit in der Stadt: Smart Grids für Smart Cities

Jarno Wagner, General Manager DACH bei Enphase Energy, beschreibt, wie virtuelle Kraftwerke durch die Vereinigung von Solaranlagen entstehen könnten und welche Vorteile dies für die Smart City haben könnte.

Die Zukunft ist smart. Vom Toaster bis zum Auto werden Gebrauchsgegenstände immer intelligenter und über das Internet untereinander verbunden. Auch unsere Städte werden immer smarter, nicht zuletzt aufgrund der Notwendigkeit, wichtige Probleme wie den scheinbar unaufhörlich zunehmenden Verkehr in den Griff zu bekommen. Smart Cities sind auf den Austausch einer enormen Menge an Daten angewiesen, um zu funktionieren. Das führt auch dazu, dass der Energieaufwand für Speicherung und Transfer von Daten beständig zunimmt. Auch in und um unsere eigenen vier Wände nimmt der Energiebedarf beständig zu. Die Einsparungen durch den Einsatz moderner Geräte werden vom Mehrverbrauch durch die steigende Zahl von Geräten, die unseren Alltag angenehmer und intelligenter gestalten, mehr als wett gemacht. Vom Router über die Klimaanlage, die Wärmepumpe, die Ladestation für Elektrofahrzeuge bis zu einer Vielzahl von Smarthome-Komponenten pro Haushalt wird die Anzahl stromverbrauchender Geräte weiter wachsen. Smart Cities sind darum keineswegs inhärent auch schon nachhaltige Städte. Im Gegenteil: Es bedarf einer intelligenten Energieversorgung, damit aus Smart Cities auch Sustainable Cities werden.

Vorteil Sonnenenergie

Immer mehr Energie, nachhaltig erzeugt oder nicht, über lange Wege von weit her in die Städte zu pumpen, ist dabei kein vielversprechender Ansatz, wie schon die Diskussionen und vielen Verzögerungen beim Bau der für die Energiewende nötigen Stromtrassen aus dem Norden in den Süden verdeutlichen. Deutlich nachhaltiger ist die Erzeugung von Energie vor Ort, dezentral über das Stadtgebiet verteilt. Hierfür drängt sich vor allen eine Technologie auf: Photovoltaik.

Photovoltaik ist nicht gleich Photovoltaik

Mit ihrer Gesetzgebung zu erneuerbaren Energien hat die Bundesregierung bereits dafür gesorgt, dass Solaranlagen bei Neubauten obligatorisch werden. Allein mit Photovoltaik auf Neubauten wird man aber nicht weit kommen. Es gilt also, auch bestehende Gebäude mit entsprechenden Anlagen auszustatten. Zudem ist nicht jedes Photovoltaiksystem gleich gut geeignet, insbesondere im Kontext Smarter Cities. Ein effizientes Szenario für Smart Cities muss letztlich Smart Grids einschließen, intelligente Netze, die flexibel zu verwalten sind und die Kombination diverser Energiequellen genauso ermöglich wie die Einbindung von Speichersystemen. Bei letzteren geht es nicht nur um dezidierte Batterien, die in Wohn- und Bürogebäuden platziert werden oder als kleine Kraftwerke für ein Stadtviertel oder eine Nachbarschaft dienen. Vielmehr werden mit der wachsenden Anzahl von Elektroautos auch diese eine zunehmende Rolle als Speciher für Strom spielen, der bei Bedarf im Haus verbraucht oder ins Netz eingespeist werden kann.

Effizienz

Jarno Wagner wirbt für den Einsatz von Mikro-Wechselrichtern, da diese der Solaranlage Intelligenz verleihen.

Nicht nur bei der Verwaltung von Photovoltaiksystemen gibt es große Unterschiede, sondern auch bei der Effizienz. Das gilt insbesondere in Städten, wo Photovoltaik-Module beispielsweise auch an Fassaden angebracht werden, die zudem nicht immer optimal gen Süden ausgerichtet und durch andere Gebäude in der Umgebung unterschiedlich stark beschattet sind. Wie effizient eine Photovoltaikanlage unter diesen suboptimalen Bedingungen arbeitet, hängt wesentlich von einer grundsätzlichen technischen Entscheidung ab: Anlagen mit Mikro-Wechselrichtern arbeiten effizienter als solche mit einem zentralen Wechselrichter.

Wechselrichter sind erforderlich, weil Photovoltaik-Module Sonnenenergie in Gleichstrom umwandeln. Damit dieser genutzt werden oder ins öffentliche Netz eingespeist werden kann, muss er in Wechselstrom umgewandelt werden. Diese Aufgabe übernehmen Wechselrichter. Bei einer Architektur mit zentralem Wechselrichter werden sämtliche (oder doch eine große Anzahl) Module an einen großen, zentralen Wechselrichter angeschlossen. Beim Einsatz von Mikro-Wechselrichtern wird jedes Photovoltaik-Modul mit einem kleinen Wechselrichter ausgestattet. Zusammen bilden sie ein Minikraftwerk, das weitgehend selbständig operieren kann. Das führt auch dazu, dass jedes Modul sich optimal an die jeweiligen Lichtverhältnisse anpasst, während bei einem zentralen Wechselrichter beispielsweise die Beschattung nur eines Moduls die Produktion aller Module beeinträchtigt, die an denselben Wechselrichter angeschlossen sind. Selbst bei optimaler Ausrichtung der Module, die in der Stadt nur äußerst selten gegeben ist, operieren Anlagen mit Mikro-Wechselrichtern effizienter als Anlagen mit zentraler Architektur. Zudem steigt mit Mikro-Wechselrichtern die Fläche, die überhaupt für Photovoltaik nutzbar ist.

Safety first

Ein weiterer Vorteil von Mikro-Umwandlern, der in Städten im Allgemeinen und bei denkmalgeschützten Gebäuden insbesondere eine wichtige Rolle spielt, ist der Brandschutz. Wie erwähnt sind die Photovoltaik-Module beim Einsatz eines zentralen Wechselrichters in Serie geschaltet. Abhängig von der Anzahl der Photovoltaik-Module kann dadurch ein Gleichstrom-Hochspannungsstrang entstehen, der durchaus über 600 Volt Spannung führen kann. Diese Hochspannung birgt nicht nur Gefahren für die Installateure, sondern sorgt auch für Sicherheitsprobleme im Betrieb. Aufgrund einer beschädigten Isolierung oder eines schlechten Kontakts kann die Hochspannung einen Störlichtbogen verursachen, der mehrere Tausend Grad heiß werden kann. Mikro-Wechselrichter jedoch operieren mit 230V Wechselstrom, der durch jedes auf dem Dach montierte Solarmodul fließt. Sie sind also genauso sicher wie handelsübliche Haushaltsgeräte.

Intelligenz im Netz

Damit das skizzierte Szenario Wirklichkeit werden kann, müssen die einzelnen Elemente des Smart Grids weitgehend autonom funktionieren, und das Gesamtsystem muss sich ebenfalls auf intelligente Weise selbst regulieren können. Anderenfalls werden sich Fälle häufen, wie sie heute schon vorkommen können und zuweilen für Schlagzeilen sorgen. So berichtete die niederländische Tageszeitung Algemeen Dagblad kürzlich davon, dass immer wieder Photovoltaik-Anlagen in kompletten Wohngebieten aus Sicherheitsgründen von Energieunternehmen abgeschaltet werden, weil deren Netze den erzeugten Strom nicht mehr aufnehmen können. Um das zu verhindern, ist es erforderlich, dass möglichst viele Elemente des Smart Grid mit der notwendigen Intelligenz ausgestattet sind und dafür entwickelt wurden in einem Smart Grid mit anderen Geräten zu kommunizieren, sodass viele Geräte z.B. auch als zwischenzeitliche Speicher für Strom fungieren können, der an ganz anderer Stelle im Smart Grid erzeugt wurde, das Elektroauto von Herrn Maier z.B. als Speicher für den Strom, den die Photovoltaikanlage von Frau Mustermann erzeugt. Letztlich werden dezentrale Community-Marktplätze entstehen, integrierte Systeme, in denen die Geräte autonom darüber entscheiden, wo und zu welchem Zeitpunkt möglichst kostengünstig Strom bezogen wird. Und nicht zuletzt muss am Ende des Tages auch die Abrechnung für den gelieferten und verbrauchten Strom stimmen.

Ausblick

Es mag überraschen, aber lange nicht alle Photovoltaikanlagen sind mit der nötigen Intelligenz, Modularität und Konnektivität ausgestattet. Es ist ein wenig wie vor etlichen Jahren in der IT. Als das Internet aufkam, waren viele Anwendungen nicht für den Einsatz im Web geeignet, weil sie entwickelt wurden, bevor das Internet aufkam. Diese Legacy-Systeme halten sich zum Teil zwar erstaunlich lange, sorgen aber immer wieder für Probleme. Auch die Portierung von einer alten Plattform zu einer Internet-Anwendung ist zwar möglich, aber das Ergebnis bei weitem nicht so überzeugend wie eine von Grund auf für das Internet entwickelte Plattform. Ähnliches gilt für Photovoltaiksysteme: die meisten wurden nicht entwickelt, um in einem Smart Grid effizient zu operieren. Deshalb ist beim Aufbau eines Smart Grids besondere Sorgfalt bei der Auswahl auch der Photovoltaik-Komponenten gefordert. Nur mit smarten Komponenten lassen sich Smart Grids und somit Smart Cities realisieren.


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Photo by Giorgio Trovato on Unsplash


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