Mobility braucht Strategie
Wollen Unternehmen die Vorteile mobiler Anwendungen voll ausschöpfen, benötigen sie eine ganzheitliche Strategie. Sie sollte darauf abzielen, die Bedürfnisse und Erwartungen sämtlicher mobiler Nutzergruppen zu erfüllen. Zu den größten Herausforderungen zählt dabei die Absicherung der mobilen Daten.
Autor: Herbert Feuchtinger
Egal, ob Unternehmen ihre Mitarbeiter mit Mobilgeräten ausstatten, oder ob diese ihre eigenen Smartphones und Tablets auch für die Arbeit nutzen: Mobility wird immer mehr zu einem zentralen Treiber der digitalen Unternehmenskultur. Das ist angesichts der vielen Vorteile mobiler Lösungen, die von effizienteren Abläufen über höhere Produktivität bis hin zu größerer Mitarbeiterzufriedenheit reichen, auch nicht verwunderlich. Um diese Vorteile wirklich voll auszuschöpfen, benötigen Unternehmen aber eine ganzheitliche Mobilitätsstrategie. Eine ihrer Hauptaufgaben ist es, den Mitarbeitern das Herzstück der betrieblichen Anwendungslandschaft mobil zur Verfügung zu stellen: das ERP-System, das die Kernprozesse des Unternehmens integriert unterstützt. Dazu sollten sich die Verantwortlichen zunächst einmal bewusst machen, dass es in ihrem Unternehmen verschiedene Typen mobiler Nutzer mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Erwartungen gibt, die gezielt bedient werden sollten. Dabei lassen sich im Wesentlichen drei Anwendertypen erkennen: Gelegenheitsnutzer, professionelle User und „Wechselanwender.“
Gelegenheitsnutzer machen den Großteil der mobilen Mitarbeiter aus
Die Gelegenheitsnutzer bilden den Großteil der mobilen Mitarbeiter in einem Unternehmen. Sie möchten mobile Lösungen als zusätzlichen Service einsetzen, um unterwegs Wartezeiten produktiv zu überbrücken – etwa Vertriebsmitarbeiter, Berater oder Führungskräfte, die gerade im Zug sitzen, am Gate auf ihren Abflug warten oder im Taxi auf dem Weg zum nächsten Termin sind. Allen gemeinsam ist, dass sie vor allem einfache und überschaubare ERP-Aufgaben mobil erledigen wollen: Kundendaten abrufen, Reisekosten abrechnen, Rechnungen genehmigen, das Arbeitszeit-Reporting erledigen oder Business-Intelligence-Auswertungen einsehen. Das alles war bislang natürlich auch schon mit Notebooks möglich. Heute erwarten die Mitarbeiter aber, dass sie diese Aufgaben mit unkomplizierten Apps auf ihren Smartphones und Tablets erledigen können – ganz so, wie sie es aus ihrem Privatleben bereits gewohnt sind. Dieser Gruppe sollten Unternehmen deshalb entsprechende Business Apps zur Verfügung stellen, die sich bei Bedarf einfach aus einem App-Store herunterladen und nach ihrer Installation sofort intuitiv nutzen lassen, ohne dass dafür irgendeine Einarbeitung oder Übung nötig ist.
Für die professionellen Anwender dagegen ist Mobilität von geschäftskritischer Bedeutung. Zu dieser Gruppe zählen Mitarbeiter, die von Berufs wegen ständig mobile ERP-Daten erfassen oder abrufen müssen: Servicetechniker, Instandhaltungsingenieure oder das Lagerpersonal. Für sie ist Mobility alles andere als neu, denn sie haben bereits seit vielen Jahren mobile Geräte wie Handhelds, PDAs oder Notebooks im Einsatz. Mit Smartphones und Tablets stehen ihnen aber nun neue Technologien mit ganz ureigenen Stärken zur Verfügung. Unternehmen sollten den professionellen Usern mobile Anwendungen zur Verfügung stellen, die diese Stärken gezielt ausnutzen und dadurch effizientere Prozesse ermöglichen – etwa indem Außendienstmitarbeiter mit Hilfe der GPS-Informationen ihres Smartphones Routen planen oder Ingenieure mit der integrierten Kamera ihres Tablets durchgeführte Arbeiten dokumentieren. Idealerweise bieten sie ihnen eine Palette an mobilen Lösungen, so dass jeder das Gerät auswählen kann, das am besten zu seinen Aufgaben passt – von eher konsumorientierten Mobilgeräten wie Smartphones über größere und besonders geschützte Tablets bis hin zu hybriden Lösungen auf Windows-8-Basis mit Druckern.
Die dritte Kategorie mobiler ERP-Nutzer im Unternehmen könnte man als „Wechselanwender“ bezeichnen. Das sind Power User, die die ERP-Software täglich nutzen und eine breite Palette an Endgeräten verwenden. Zwischen diesen wechseln sie ständig hin und her und erwarten dabei, dass sie überall Zugriff auf ihr gewohntes ERP-Spektrum haben. Das heißt: Sie möchten auf Tablets nicht nur in erster Linie Informationen abrufen, sondern auch Inhalte erstellen. Business Apps, die ja gezielt dafür gemacht sind, einfachere Aufgaben schnell und unkompliziert zu erledigen, reichen ihnen deshalb nicht aus. Sie benötigen stattdessen einen touchfähigen und damit mobil einsetzbaren Client, der ihnen einen Zugang auf die komplette ERP-Software ermöglicht. Führt beispielsweise ein Projektleiter einen Vor-Ort-Besuch durch, kann er dabei auf seinem Tablet alle Materialbestellungen, Mängellisten oder Arbeitspläne einsehen, Details prüfen und den aktuellen Projektstatus erfassen.
Mobil-Applikationen von Drittanbietern zu integrieren ist teuer und riskant
Wollen Unternehmen diese unterschiedlichen mobilen Bedürfnisse und Erwartungen erfüllen, haben sie oft keine andere Wahl, als Mobil-Applikationen von Drittanbietern in ihre ERP-Systeme einzubinden. Das bedeutet aber, die ERP-Oberfläche für eine ganze Reihe unterschiedlicher Prozesse, verschiedener Mitarbeiter und Rollen neu zu entwickeln. Außerdem muss die Integration der beiden Systeme zunächst realisiert und anschließend laufend gepflegt werden. Sollten im Laufe der Zeit weitere mobile Prozesse hinzukommen, müssen die Integration ausgedehnt und weitere Anwendungen entwickelt werden. Das ist eine Strategie, die alles in allem hohe Kosten und hohe Risiken birgt.
Die Alternative dazu können moderne ERP-Systeme bieten, bei denen das Thema Mobility bereits im Kern der Software enthalten ist und die dadurch die nötigen mobilen Anwendungen bereits von Haus aus mitbringen. Diese Anwendungen sollten idealerweise die Möglichkeit zur Individualisierung mitbringen. Indem sich beispielsweise Felder beliebig ein- und ausblenden, ausgewählte Informationen hervorheben oder Workflows frei definieren lassen, können sie durch einfache Konfiguration anstatt durch aufwändige Programmierungen an spezifische Anforderungen angepasst werden. Doch nicht nur bei der Individualisierung, auch bei den Endgeräten ist Flexibilität gefragt. Um möglichst alle mobilen Endgeräte – gegebenenfalls inklusive der privaten Devices der Mitarbeiter – abzudecken, sollten die mobilen Anwendungen über alle gängigen mobilen Plattformen wie Android, iOS und Windows hinweg lauffähig sein. Bringt das ERP-System all diese Eigenschaften mit, lassen sich mobile Anwendungen kosteneffektiv implementieren und globale Roll-outs sowie ein weiterer Ausbau mobiler Prozesse im Unternehmen werden erheblich erleichtert.
Neben der Software selbst sollten Unternehmen aber auch den Anbieter dahinter und vor allem dessen Innovationsfreudigkeit genau unter die Lupe nehmen. Er sollte neue mobile Trends frühzeitig erkennen und auf ihren möglichen Business-Nutzen hin überprüfen. Ein Beispiel dafür sind die derzeit stark aufkommenden Wearables wie Datenbrillen und Smartwatches. Indem ein ERP-System Mitarbeiter etwa über wichtige Ereignisse oder dringende Aufgaben auf ihrer Smartwatch informiert, ist – im Gegensatz zu einer E-Mail oder einer SMS – sichergestellt, dass er die Nachricht auch wirklich rechtzeitig liest. Ebenfalls stark im Kommen ist die Sprachsteuerung. Die Generation Y, auch Millenials genannt, ist es gewohnt, die sozialen Apps auf ihren Mobilgeräten per Sprache zu navigieren. Deshalb wird diese Technologie in einigen Jahren vermutlich auch Einzug in die Unternehmen halten. Dann werden die Mitarbeiter erwarten, auf ihren Smartphones und Tablets auch per Spracherkennung mit dem ERP-System zu interagieren. Damit ließen sich beispielsweise Autofahrten und Wartezeiten im Stau produktiver gestalten, wenn die User das ERP-System über die Freisprechanlage bedienen.
Unternehmen sorgen sich vor Datenverlust
Zu den größten Herausforderungen bei der Realisierung von mobilem ERP zählt die Sicherheit. Die Unternehmen sorgen sich verständlicherweise vor allem um den Datenverlust, der bei gestohlenen oder verlorenen Mobilgeräten droht und haben Bedenken, wenn Daten an Orten gespeichert werden, die sie nicht selbst kontrollieren können.Um die lokal auf den Smartphones oder Tablets gespeicherten Informationen zu sichern, empfiehlt sich der Einsatz von Mobile-Device-Management-Lösungen. Sie können erzwingen, dass sich die Benutzer mit PIN-Code an ihren Geräten anmelden müssen und ermöglichen außerdem, Daten per Fernzugriff zu löschen. Um Daten zu sichern, die über das Internet oder mit der Cloud ausgetauscht werden, sollten diese so verschlüsselt werden, dass sie nicht ohne Weiteres gelesen und interpretiert werden können. Zertifikate können außerdem dafür sorgen, dass nur autorisierte Personen Datenzugriff erhalten. Darüber hinaus sollte die Infrastruktur so ausgerichtet sein, dass keine Passwörter oder sensiblen Daten in der Cloud gespeichert werden.
*Herbert Feuchtinger ist Vice President Consulting & Support Europe Central bei IFS in Erlangen.
Weitere Informationen:
Aufmacherbild: Cameron Norman
veröffentlicht unter: https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/