„Keine Angriffsfläche bieten“
Martin Kinting, Geschäftsführer der Elaxy GmbH, dokumentiert im Interview, welche Herausforderungen Banken im „digitalen Wandel“ bestehen müssen. Sie bekommen darüber hinaus Konkurrenz durch die so genannten „FinTechs“.
Schauen wir uns die aktuelle TV-Werbung an: Die Sparkasse steht auf der Filialbaustelle, die Hypovereinsbank bietet Nackenmassage, die Commerzbank joggt. Sind das Anzeichen, dass das Gros der Branche den Zug zur Digitalisierung noch nicht genug in den Mittelpunkt stellt?
Nun, in der Tat beobachten wir zwei große Lager: Einerseits sind da die Newcomer, die FinTechs, die ihre Geschäftsmodelle vollständig aus einer digitalisierten, mobilen Gesellschaft her entwickeln und auf modernste Technologie aufsetzen. Andererseits arbeiten die bestehenden Finanzdienstleister vom Marktführer bis zur kleinen Raiffeisenkasse daran, sich auf diesen bedrohlichen Schub einzustellen, der sie tendenziell Kunden und Geschäft kosten wird – bis hin zur Existenzbedrohung.
In einer interessanten Studie wurden fünf Felder identifiziert, auf denen etablierte Unternehmen gegenüber Start-Ups und neuen Angreifern Schwächen aufweisen; Schwächen, die sich auf die Finanzdienstleister übertragen lassen und die, die FinTechs zum Angriff einladen und ihnen ihre Erfolge leicht machen:
Zerstörtes Vertrauen – das erleben wir täglich, Redundanz – der Markt ist schlicht überbesetzt, Komplexität – der Dschungel aus Produkten, Formblättern, Gebührenstrukturen ist kaum zu durchschauen und hat entsprechende Effekte auf die Prozesse , begrenzter Zugang – Filialöffnungszeiten passen nicht zum Zeitbudget der Kunden, Verschwendung – es sei nur an die Folgen der Niedrigzinsphase erinnert. Hinzufügen möchte ich ein sechstes Feld und das ist schlicht: veraltete Technologie.
Aber welche Chance hat denn die Branche, sich neu zu positionieren? Welche strategischen Entscheidungen sind jetzt zu treffen?
Wir wachsen mit dem demografischen Wandel einerseits in eine ältere Gesellschaft hinein, die aber über mehr Vermögen verfügen wird als jede Generation zuvor, und andererseits wächst eine junge Kundschaft nach, die so völlig anders tickt als ihre Eltern und Großeltern: 43 Prozent der jungen Generation würden eher auf ein Auto verzichten als auf einen Internetanschluss, 73 Prozent würden Finanzangebote lieber von Google, Amazon, Apple oder PayPal wahrnehmen als von ihrer Bank.
Die nötige strategische Konsequenz kann nur lauten: Banken und Versicherungen müssen ihre Angriffsflächen verringern, ihre Stärken identifizieren und nutzen, und verlorenes Vertrauen wiederherstellen. Die Chancen und die Grundlagen dazu sind vorhanden. Immerhin können wir sagen: Auf Seiten der Technologie gibt schon heute mehr Möglichkeiten, diese werden nur zu wenig genutzt. Oftmals wird Technologie noch als Kostentreiber oder als Möglichkeit zur Prozessoptimieurng und damit Kosteneinsparung gesehen. Dabei kann sie viel mehr, wenn sie intelligent als wichtiger Kontaktpunkt genutzt wird: Kundenerlebnisse schaffen zum Beispiel oder Kunden binden. Das machen die FinTechs vor. Oftmals sind es hier schon kleine Veränderungen, die einen großen Unterschied machen.
Welche Technologietrends können denn einen solchen Wandlungsprozess unterstützen?
Die Legacy-Systeme der Banken sind nicht dafür ausgelegt, schnell und kostengünstig differenzierte und individualisierte Angebote aufzulegen. Aber einmal ganz davon abgesehen, welche Kosten- und Effizienzvorteile erzielt werden können, wenn man externe Rechenzentrumsservices nutzt: Rund um die Kernanwendungen lässt sich mit vertretbarem Aufwand moderne, anschlussfähige Technologie anbinden. Wir haben seit Jahren viel Entwicklungspower daran gesetzt, modulare Lösungen aufzusetzen, – Lösungen, die hoch standardisiert sind und sich dennoch höchst einfach an die individuellen Strategien und Vorstellungen jedes einzelnen Instituts anpassen lassen. Also: Standards nutzen, um zu individualisieren, Datentiefe und höchste Rechenleistung mit spielerisch einfacher Bedienung koppeln – und so eine aufgeschlossene Kundschaft neu gewinnen und lange halten!
Haben Sie dafür vielleicht Beispiele? Deutet ihr Beitrag in Richtung Personal Finance Management?
Das PFM ist wirklich ein gutes Beispiel. Die Technologie ist ausgereift, in USA laufen die Kunden bereits den Instituten die Türen ein, die so etwas anbieten. In Deutschland wird vielerorts noch stark gezaudert. Im Kern geht es um Folgendes: Die Bank gibt ihren Kunden ein Controlling- und Planungsinstrument an die Hand. Damit können sie ihre Mittelflüsse ordnen, verstehen und strategisch beeinflussen. Der Kunde erkennt und durchdringt seine finanziellen Möglichkeiten und Grenzen – und die Bank hat die Chance, sie mit ihm neu und fundiert zu besprechen. Der Kunde gewinnt massiv an Transparenz und Klarheit – und die Bank: zunächst einmal die freiwillig mitgeteilten Daten und dann tendenziell die Chance, weitere Verbindungen auf sich zu konzentrieren. Das Ganze funktioniert zunächst rein online – aber die Erfahrung zeigt: Kunden, die PFM nutzen suchen auch wieder verstärkt das Gespräch mit der Bank.
Und auch hier – im direkten Gespräch – kann man zum Beispiel mit raffinierten Beratungs-Apps die Kunden technisch da abholen, wo sie sich selbst gern sehen. Solche fundierten, mobilen, vernetzten Interaktionsmöglichkeiten schaffen Win-Win-Situationen, die die Grundlage einer langfristigen Kundenbeziehung bilden können.