Handel und Innenstädte
Nachhaltige und smarte Städte: Wie die Digitalisierung den Handel und Innenstädte verändert
Gastbeitrag von Michael Pfefferle
Zu jeder Tages- und Nachtzeit mit dem Smartphone im Laden vor Ort einchecken, sich per App über Produkte und Preise informieren und beim Verlassen des Geschäfts automatisch bezahlen – was in Deutschland wie Zukunftsmusik klingt, ist in anderen Teilen der Welt schon Realität. Insbesondere in einigen asiatischen Ländern kann man den so genannten ‚New Retail‘ bereits live erleben. Doch auch in Deutschland bieten erste Supermärkte und Einzelhändler bereits komplett digitale Einkaufserlebnisse. Eine repräsentative Bitkom-Umfrage zeigt, dass zunehmend mehr Geschäfte auf digitale Technologien setzen: W-LAN im Geschäft gehört bei den meisten schon zum Standard und Optionen wie „Click & Collect“ sind seit Beginn der Corona-Pandemie nicht mehr wegzudenken. Tablets unterstützen Verkäuferinnen und Verkäufer bei der Beratung oder ersetzen das herkömmliche Kassensystem. Durch Dropshipping wird die im Laden bestellte Ware direkt zur Kundin oder zum Kunden geliefert.
Durch die Verschiebung hin zum E-Commerce steht der stationäre Handel allerdings unter Druck. Seine Existenz sehen die Händler jedoch grundsätzlich nicht bedroht. Nur die wenigsten sagen, dass der Handel vor Ort keine Zukunft habe. Auch die Verbraucherinnen und Verbraucher hängen am stationären Handel und wollen ihn in Krisenzeiten aktiv unterstützen. So haben laut einer Bitkom-Umfrage viele in der Corona-Zeit bewusst bei Einzelhändlern in ihrer Nähe eingekauft, um ihnen die Treue zu halten. Gleichwohl vermissen sie ein Online-Angebot der Geschäfte vor Ort. Es darf jedoch nicht darum gehen, online und offline gegeneinander zu stellen.
Der stationäre Handel muss die Bedürfnisse und Wünsche der Kundinnen und Kunden akzeptieren und durch neue Ideen und Angebote adäquat abbilden. Omnichannel-Konzepte lassen die Grenzen zwischen Offline- und Online-Handel zerfließen und ermöglicht stationären Einzelhändlern sowohl ein Standbein vor Ort als auch im Netz aufbauen. So können sie die Potenziale der Digitalisierung nutzen, um krisenfest und langfristig erfolgreich zu sein. Was wir brauchen, ist ein Umdenken. Händler wie Kundinnen und Kunden sind einer Meinung: Der stationäre Handel in den Innenstädten muss sich neu erfinden.
Unsere Innenstädte sind mehr als nur Orte des Konsums und weltweit entwickeln sich neue Ideen und Konzepte, wie Innenstädte grüner, digitaler und nachhaltiger werden. Dabei wird Fußgängerinnen und Fußgängern, Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrern sowie Jung und Alt mehr Raum gegeben.
Smarte Lösungen sollen die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt erhöhen und Quartiere gewinnen an Bedeutung. Sie sind Räume, in denen Menschen zusammenkommen und wo das öffentliche Leben stattfindet. Auch in Zukunft ist der Einzelhandel davon ein fester Bestandteil und Ausdruck des gesellschaftlichen Wandels.
Wir haben sowohl Händler als auch Verbraucherinnen und Verbraucher befragt, wie für sie die Zukunft des Handels aussehen könnte. So vermutet sowohl jeder zweite Händler als auch die Hälfte der Internetuser in Deutschland, dass im Jahr 2030 durch den Einsatz digitaler Lösungen viele Geschäfte durchgängig, also 24/7 geöffnet sein werden. Außerdem gehen die meisten davon aus, dass die Kassen schon bald aus den Läden verschwinden werden und das Bezahlen beim Verlassen eines Geschäfts automatisch ablaufen wird. Neben erweiterten Öffnungszeiten und kassenlosen Verkaufsräumen wird auch ein Maximum an Transparenz erwartet: Herkunft, CO2-Fußabdruck, Inhaltsstoffe und weitere relevante Produktinformationen sollen künftig direkt im Laden für die Kundschaft verfügbar sein.
Auf persönliche Beratung wollen die meisten Deutschen aber auch weiterhin nicht verzichten. Immerhin ein Drittel geht davon aus, dass digitale Verkaufsassistenten und -berater im stationären Handel bis zum Jahr 2030 weit verbreitet sind und es kein Verkaufspersonal mehr geben wird. An den verbreiteten Einsatz von Verkaufsrobotern, die die Kundschaft durch den Laden führen, glaubt auch eher die Minderheit der Verbraucherinnen und Verbraucher.
Die Mehrheit aber ist überzeugt, dass Händler den Einkauf vor Ort durch digitale Technologien spannender und komfortabler gestalten können, und damit letztlich der Einzelhandel gestärkt wird. Bei der Neu- und Wiederbelebung der Innenstädte spielen sie eine entscheidende Rolle.
Über den Autor
Michael Pfefferle, Bereichsleiter Smart City & Smart Region beim Bitkom
Als Bereichsleiter Smart City und Smart Region verantwortet Michael Pfefferle die inhaltliche Arbeit des Bitkom rund um die digitale Transformation von Städten, Gemeinden und Regionen. Zugleich beschäftigt er sich mit der Digitalisierung des Handels. Michael ist seit 2019 für den Bitkom tätig und setzt sich in seiner Funktion gemeinsam mit Tech-Unternehmen, Startups und öffentlichen Unternehmen für die flächendeckende Digitalisierung und Modernisierung von Kommunen ein. Hierbei leitet er Projekte wie den jährlichen Smart City Index, das bundesweite Digitalranking deutscher Großstädte. Weiterhin betreut er den Arbeitskreis Smart City/Smart Region. Bevor er zum Bitkom kam, war Michael Pfefferle mehrere Jahre für PricewaterhouseCoopers in der Beratung von Kommunen und Bundesländern tätig. Michael studierte Politik- und Verwaltungswissenschaften an der Zeppelin Universität sowie an den Universitäten Freiburg und Hobart (Australien).
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Personenbild:
Michael Pfefferle, Bitkom
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