Gefährlicher Trend: Pig Butchering
Gastbeitrag von Tim Grüger, Trader & Finanzexperte
So breiten sich Investment- und Jobbetrügereien weltweit aus
Pig Butchering oder Schweine schlachten – ein Begriff, der auf den ersten Blick mehr mit Metzgern als mit Finanzen zu tun hat. Dahinter verbirgt sich allerdings eine perfide Betrugsmasche, die Menschen mit Liebes- oder Geldversprechen in den Ruin treibt und weltweit Milliardenschäden anrichtet. Wie die Blockchain-Analysefirma Chainalysis festgestellt hat, gab es global einen erheblichen Zuwachs bei solchen Investment-Scams in der Krypto-Welt. Die illegalen Einnahmen stiegen 2024 im Jahresvergleich um nahezu 40 Prozent. Die Anzahl der Krypto-Einzahlungen bei „Pig Butchering“-Betrügereien stieg um etwa 210 Prozent, was auf eine Ausweitung des Opferpools hindeutet.
Anfüttern und dann schlachten
Einer Studie der University of Texas zufolge hat Pig Butchering Cyberkriminellen von Januar 2020 bis Februar 2024 etwa 75 Milliarden US-Dollar in die Kassen gespült. Allein bei der Zentralstelle Cybercrime Bayern (ZCB) sind bereits 370 Fälle auf etwa 330 Plattformen angezeigt worden, wobei sich der Gesamtschaden auf mehr als 29 Millionen Euro beläuft. Täter setzen dabei auf ein Netzwerk von Fake-Accounts, das eine Vielzahl von Messaging-, Social-Media- und Dating-Apps abdeckt, darunter WhatsApp, Telegram, TikTok, X (ehemals Twitter), Instagram, Tinder, Bumble und Hinge. Hauptsächlich betroffen? Junge Männer, die von Betrügern im Internet mit Liebes- und Geldversprechen gelockt werden, wobei die Dunkelziffer vermutlich viel höher liegt. Da es sich um ein schambehaftetes Delikt – eine Masche zwischen modernem Heiratsschwindel und Anlagebetrug – handelt, kommen zahlreiche Fälle gar nicht zur Anzeige.
Tim Grüger betzont: „Die Anzahl der Krypto-Einzahlungen bei „Pig Butchering“-Betrügereien stieg um etwa 210 Prozent, was auf eine Ausweitung des Opferpools hindeutet.“ Bildquelle: © TF Daytrading GmbH
Ausgangspunkte im Netz
Je nachdem über welche Plattform die Täter – auch Herder genannt – Kontakt mit ihren Opfern aufnehmen, ist die Masche etwas anders, das Grundprinzip bleibt jedoch gleich: Nach einer Kontaktaufnahme im Netz wird manchmal über Wochen oder Monate Vertrauen aufgebaut. Auf Messenger-Diensten fängt dabei alles häufig mit unvermittelten Nachrichten an, in denen die Betrüger beispielsweise behaupten, sie hätten die Handynummer von einem gemeinsamen Freund erhalten, um ins Gespräch zu kommen. Ähnlich funktioniert das auch auf Social-Media-Plattformen. Hier werden von Fake-Accounts häufig Freundschaftsanfragen versendet, manchmal auch mit begleitenden Fotos, oder öffentliche Kommentare unter Posts gesetzt, um Antworten zu provozieren und eine Online-Beziehung aufzubauen. Bei Dating-Apps braucht es zwar ein Match, bevor Täter mit ihren Opfern in Kontakt kommen, aber dank gestohlener oder mitunter auch KI-generierter Profilbilder attraktiver Frauen oder Männer sind die Chancen hoch, dass es zu einem Flirt kommt.
Manipulation von Anfang an
Dank regelmäßiger Nachrichten über Haustiere, Hobbys, Job und Zukunftspläne mit Familie und Kindern erwächst durch Social Engineering schnell eine vermeintlich enge emotionale Bindung. Die Täter signalisieren ihren Opfern dabei nicht nur ein Interesse an ihrem Wohlergehen, sondern gaukeln ihnen auch einen seriös klingenden Beruf vor und streuen dabei fast beiläufig vermeintliches Wissen über Geldanlagen ein. Dabei spinnen sie häufig Storys rund um utopische finanzielle Erfolge mit Immobilien, an der Börse oder mit Kryptowährungen – und klopfen parallel die Erfahrungswerte ihrer Opfer mit eigenen traditionellen oder alternativen Investitionen ab. Darauf aufbauend bieten sie hochrentable, sichere Anlagetipps und stellen ähnliche Gewinne in Aussicht, in der Regel unter einer Bedingung: Geheimhaltung. Dadurch entsteht auf der einen Seite der Eindruck, dass es sich um eine legitime Gelegenheit handelt. Viele Menschen denken: „Wenn es bei anderen funktioniert, wird es auch bei mir klappen.“ Auf der anderen Seite verstärkt die Geheimniskrämerei das Gefühl von Exklusivität. Diese Strategie sorgt dafür, dass Vertrauen in die vermeintliche Chance gesetzt wird und Opfer bereit sind, immer größere Summen zu investieren. Ähnlich wie bei Schneeballsystemen oder anderen Formen des Anlagebetrugs kommen auch gefälschte Kontoauszüge, Deepfake-Videos und fiktive Nachrichtenberichte, etwa mit dem Geldexperten Martin Lewis, zum Einsatz. Schließlich tendieren Menschen dazu, Autoritäten zu vertrauen – selbst, wenn sie eigentlich skeptisch sind.
Erste Gewinne?
Indem die Täter ihren Opfern vorgaukeln, dass ihre Investitionen bereits hohe Renditen abwerfen, erhöhen sie die Wahrscheinlichkeit, dass diese noch mehr Geld einzahlen. Mitunter erlauben die Täter ihren Opfern sogar einen Teil des Geldes wieder abzuheben, wobei es ich hier höchstwahrscheinlich um die gestohlenen Investments anderer handelt, die auf gefälschten Websites als Gewinne ausgegeben werden. Solche Taktiken sollen Sicherheit vermitteln. Es entsteht das Gefühl, dass alles seriös ist – und Opfer investieren größere Summen in ein vermeintlich lukratives Geschäft.
Vertraute Feinde
Ein weiterer psychologischer Trick ist der künstliche Zeitdruck. Menschen hassen es, Chancen zu verpassen. Besonders in Zeiten von Kryptowährungen und schnellen Online-Gewinnen ist die Angst groß, „zu spät“ zu kommen. Betrüger nutzen diese Dynamik, um Menschen zu überstürzten Investitionen zu verleiten. Oft wird auch behauptet, dass es sich um eine einmalige Gelegenheit handelt oder dass nur für kurze Zeit hohe Gewinne möglich sind. Dadurch wird das Opfer dazu gedrängt, schnell zu handeln, ohne die Investition genauer zu prüfen. Dabei setzen die Täter auf bestimmte kognitive Bias. Hat jemand bereits Geld oder Zeit investiert, fällt es schwer, sich einzugestehen, dass es ein Fehler war. Statt auszusteigen, investieren viele Opfer noch mehr, in der Hoffnung, ihre Verluste wieder auszugleichen. Das ist dasselbe Prinzip, das Menschen beim Glücksspiel dazu bringt, immer weiterzuspielen, obwohl sie eigentlich verlieren. Und selbst wenn Menschen merken, sie werden betrogen, verdrängen sie das oft zunächst, weil sie sich nicht eingestehen wollen, dass sie auf einen Trick hereingefallen sind. Stattdessen reden sie sich ein, dass alles schon gut gehen wird – und zahlen weiter.
Faktor Mensch als Einfallstor
Scammers entwickeln sich und ihr Geschäftsmodell kontinuierlich weiter. Durch die fortschreitende Verbesserung von KI- und Deepfake-Technologien sind sie nicht nur in der Lage, automatisch personalisierte Nachrichten zu erstellen, sondern auch täuschend echte Fake-Profile von vermeintlichen Investoren oder Liebespartnern zu kreieren. Außerdem setzen sie auf Diversifikation. Anstatt lediglich mit langwierigen „Pig Butchering“-Betrügereien Geld zu machen, gehören auch schneller umsetzbare, massentaugliche Maschen zu ihrem Repertoire. Manchmal kombinieren sie auch verschiedene Methoden, um ihre Opfer in kleinen und großen Schritten um ihr Geld zu bringen. So nutzen Betrüger etwa auch die steigende Nachfrage nach flexiblen Jobs gezielt aus und locken mit Angeboten für Heimarbeit oder Teilzeit. Besonders beliebt sind Fake-Jobangebote, bei denen Opfer zunächst Geld für eine „Einschulung“, „Arbeitsmaterialien“ oder eine „Zertifizierung“ zahlen sollen, bevor sie angeblich anfangen können – und nach der Zahlung bricht der Kontakt ab. Auch vermeintliche Social-Media- oder Bewertungsjobs sind verbreitet, bei denen Nutzer durch Likes oder Produktbewertungen Geld verdienen sollen. Allerdings müssen sie auch hier erst eine Einzahlung leisten, um „höhere Verdienststufen“ freizuschalten. In Wahrheit verschwinden die Betrüger, sobald genug Opfer investiert haben. Besonders gefährlich sind zudem Homeoffice-Stellenausschreibungen, bei denen Menschen unwissentlich als Finanz- oder Paketagenten in kriminelle Machenschaften wie Geldwäsche verwickelt werden. Dabei setzen die Täter auch auf geschickte psychologische Manipulation, indem sie schnelle Gewinne in Aussicht stellen, anfangs kleine Beträge auszahlen und durch künstlichen Zeitdruck oder gefälschte Erfolgsgeschichten das Vertrauen ihrer Opfer gewinnen.
Anstieg der Opferzahlen
Die Erschließung neuer Geschäftsfelder und die zunehmende Technologisierung sind allerdings nur zwei Gründe für die drastische Zunahme von „Pig Butchering“-Betrügereien im Krypto-Bereich. Ein weiterer Faktor? Nach wie vor zieht der Krypto-Markt unerfahrene Anleger an, die zum Teil vom Bitcoin-Narrativ fasziniert sind. Wie Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Shiller betont, beruht das nicht nur auf technischen Grundlagen, sondern besticht vor allem durch emotionale und kulturelle Elemente. Während die revolutionäre Blockchain-Technologie als bahnbrechende Innovation gefeiert wird, steht der Bitcoin symbolisch für Dezentralisierung und Freiheit, was es Menschen ermöglichen soll, sich von zentralisierten Finanzsystemen zu lösen. Außerdem suggeriert die oft als „digitales Gold“ bezeichnete Kryptowährung eine begrenzte Verfügbarkeit, was den Eindruck von Knappheit, aber gleichzeitig auch von Wertbeständigkeit vermittelt. Zusammen mit anderen Faktoren erzeugt dieses Narrativ den Eindruck eines neuen wirtschaftlichen Paradigmas, das traditionelle Finanzstrukturen infrage stellt und somit erheblich zur Anziehungskraft des Krypto-Markts beiträgt. Das haben sich auch Scammers zunutze gemacht. Schließlich erweitert die starke Zunahme der Krypto-Adoption den Pool potenzieller Opfer.
Hinzu kommt, dass es in vielen Ländern noch an klaren Regulierungen mangelt. So können sie relativ leicht gefälschte Investmentplattformen ins Leben rufen und illegale Transaktionen durchführen, ohne schnell entdeckt zu werden. Zudem sind diese Betrugsnetzwerke hochprofessionell geworden. Besonders durch die Nutzung von Social Media und Messenger-Apps wie WhatsApp, Telegram und LinkedIn, aber auch über Dating-Apps gelingt es den Betrügern, das Vertrauen der Opfer über Wochen oder Monate hinweg zu gewinnen. Sie locken mit unrealistischen Investmentversprechen und manipulierten Erfolgsgeschichten, die das sogenannte „Fear of Missing Out“-Gefühl ansprechen und die Opfer zu immer größeren Investitionen bewegen. Ein weiteres Problem stellt die Anonymität der Blockchain dar: Einmal überwiesene Gelder sind praktisch unwiederbringlich verloren und nahezu unmöglich nachzuverfolgen. Angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheit und der zunehmenden finanziellen Belastungen sind immer mehr Menschen anfällig für solche betrügerischen Angebote. Gemeinsam ergeben diese Faktoren ein gefährliches Zusammenspiel, das es Betrügern ermöglicht, immer mehr Opfer zu finden und auszunutzen.
Achtung! Red Flags
Wer sich selbst schützen möchte, kann bei (Online-)Bekanntschaften gleich auf mehrere Red Flags achten. Ein Hauptkennzeichen ist das Versprechen unrealistisch hoher Gewinne in kurzer Zeit, wie etwa „Verdopple dein Geld in 24 Stunden“, da solche Erträge in der Realität fast nie erzielt werden können. Wenn es sich zu gut anhört, um wahr zu sein, ist es das in den allermeisten Fällen auch. Wird Druck aufgebaut, sofort zu investieren, sollte ebenfalls Vorsicht geboten sein, da Betrüger oft auf den Faktor Zeit setzen, um unüberlegte Entscheidungen zu erzwingen. Fehlt es an klaren, nachvollziehbaren Informationen über die Investitionsmöglichkeiten oder das Unternehmen, ist ebenfalls eine gesunde Portion Misstrauen geboten. Scammers verwenden oft unprofessionelle Kommunikation oder fordern vertrauliche Informationen wie Passwörter oder Kreditkartendaten, was ebenfalls ein starkes Indiz für Betrug ist. Zudem sind hohe Einstiegskosten oder Vorauszahlungen, die verlangt werden, bevor jemand überhaupt investieren kann, typisch für betrügerische Angebote. Wer solche Anzeichen wahrnimmt, sollte sofort die Kommunikation abbrechen und keinerlei finanzielle Verpflichtungen eingehen. Darüber hinaus ermöglicht eine solide Finanzbildung, langfristig das eigene Vermögen zu schützen und gleichzeitig attraktive Renditen zu erwirtschaften – wer die Grundlagen der Märkte und der Investition versteht, kann Risiken gezielt minimieren und echte Chancen nachhaltig nutzen.
Über den Autor:
Tim Grüger ist erfahrener Trader & Finanzexperte. Mit TradingFreaks bietet er realitätsnahe Strategien für nachhaltigen Vermögensaufbau. Präzision, Disziplin & Risikobewusstsein zeichnen seinen Ansatz aus.
Kurzprofil:
TradingFreaks ist eines der führenden Daytrading-Portale im DACH-Raum mit Sitz in Siegburg. Gegründet von Tim Grüger, bietet das Unternehmen eine umfassende Online-Ausbildung für den kurzfristigen Handel mit Aktien und Devisen. Ziel ist es, Trading für Anfänger und Fortgeschrittene profitabel zu machen – durch fundiertes Fachwissen, erprobte Strategien und die richtige Trading-Psychologie. Das 14-köpfige Team aus erfahrenen Börsenhändlern, Coaches und Analysten stellt über 700 kostenlose Inhalte sowie strukturierte Ausbildungskonzepte bereit. TradingFreaks vermittelt praxisnahes Wissen und begleitet Teilnehmende auf dem Weg zum eigenständigen, erfolgreichen Trader.