Drohnenkrieg 2025: Wie die neuesten Systeme in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine funktionieren

Der Krieg aus der Ich-Perspektive

Seit 2022 hat sich der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zu einem Labor für vernetzte, ferngesteuerte und zunehmend autonome Waffensysteme entwickelt. Taktische Drohnen – von kleinen First-Person-View-Quadcoptern (FPV) bis zu großreichweitigen „One-Way-Attack“-Drohnen – prägen das Gefecht ebenso wie die Abwehr durch elektronische Kriegsführung und mobile Flugabwehr. Studien und Lageanalysen zeigen, dass Drohnen einen erheblichen Anteil an Treffern und Ausfällen verursachen und in Wellen – teils zu Hunderten pro Woche – eingesetzt werden. Russland setzt dabei u. a. auf in Serie gefertigte Shahed-(„Geran-2“-)Drohnen iranischer Herkunft, die seit 2024/25 weiterentwickelt werden; die Ukraine hat parallel ein Ökosystem aus Aufklärung, FPV-Angriffen und selbstentwickelten Systemen aufgebaut. Der „Kampf im Äther“ – Stören, Spoofen, Abschirmen – ist zum verdeckten Dauergefecht geworden. CSIS+2Wikipedia+2

Typen & Herkunft: Vom Hobby-Quadcopter bis zur loiternden Munition

1) FPV-Quadcopter
Das Sinnbild des Drohnenkriegs ist der kleine, sehr agile Vierrotor-Copter mit Frontkamera. Er liefert dem Bediener per Videobrille ein direktes Flugbild und kann präzise gegen Fahrzeuge, Stellungen oder Infrastruktur geflogen werden. Viele FPV-Plattformen basieren auf kommerziellen Komponenten (Rahmen, Motoren, Kameras, Controller) und Open-Source-Autopiloten. Offizielle Hersteller wie DJI haben den Verkauf in Russland und der Ukraine bereits 2022 eingestellt; die Praxis zeigt jedoch, dass Komponenten über indirekte Wege weiterfließen. FPV-Drohnen sind günstig, aber störanfällig – Wind, Kälte, Regen und vor allem Jamming begrenzen Wirksamkeit und Einsatzfenster. DJI Official+2ArduPilot.org+2

2) Loitering Munitions („Kamikaze-Drohnen“) – russische Seite
Russland nutzt in großer Zahl Shahed-136/Geran-2 (iranisches Design, russische Produktion/Modifikation). Reichweiten im Bereich >1.000 km und Sprengköpfe von ~50 kg (neuere Varianten schwerer) sind dokumentiert. Die Systeme werden stetig gegen Jamming und Luftabwehr weitergerüstet (z. B. bessere Antennen, Bild-/IR-Sensorik, On-Board-Rechner). Daneben setzt Russland Lancet-Drohnen ein – kleinere, lenkbare loiternde Munition mit EO-Zielsucher, die Artillerie, Radare oder Logistikziele bekämpft. Varianten mit längerer Flugdauer und schwereren Gefechtsköpfen sind 2024/25 aufgetaucht. United24 Media+3CSIS+3Wikipedia+3

3) Ukrainische Entwicklungen
Die Ukraine skaliert neben FPV-Massenfertigung auch eigene „One-Way“-Systeme und EW-resistentere Modelle (u. a. aus der BRAVE1-Innovationslinie) für Schläge hinter der Front. Ergänzt wird das durch ferngesteuerte Boden- und Seeplattformen – ein ganzheitliches, adaptives Unmanned-Ökosystem. Tom’s Hardware+1

Steuerung: Brille, Funk, Faser – und mehr Autonomie

Die klassische FPV-Steuerung besteht aus Kamera + Videosender in der Drohne, Empfänger + Videobrille beim Bediener. Das ermöglicht extrem präzise Manöver, verlangt aber Sichtlinie oder Relais und ist störanfällig. Um Jamming zu entgehen, nutzen beide Seiten mehrere Ansätze:

  • Frequenz-/Link-Diversität & bessere Antennen (z. B. CRPA-Antennen) erhöhen die Robustheit gegen Störer.

  • Tether-/Faserlösungen: Besonders auf russischer Seite wurden wiederholt faseroptisch gesteuerte UAVs eingesetzt – die Daten laufen über ein Kabel, sind extrem störresistent, aber nur taktisch nutzbar (begrenzte Reichweite).

  • Mehr Autonomie: INS/GNSS-Kopplung, Bildverarbeitung an Bord und vorgeplante Missionsprofile helfen, wenn das Steuersignal ausfällt. In Einzelfällen werden KI-Zielhilfen gemeldet, die im Endanflug unterstützen sollen.
    All dies ist begleitet von einem „versteckten EW-Kampf“: Jedes Team muss Störumfeld und Lücken im Spektrum analysieren, um Fenster für den Einsatz zu finden. Taylor & Francis Online+2Business Insider+2

„Bausätze“ & Wertschöpfung: Graumarkt statt Bauplan

Die Frage, „gibt es Bausätze?“, lässt sich so einordnen: Weltweit existieren frei verfügbare RC-/FPV-Komponenten und Baugruppen; das gilt seit Jahren – nicht kriegsspezifisch. Im Konflikt werden solche Teile (Motoren, ESCs, Frames, Kameras, Controller) kombiniert, modifiziert, gehärtet – bis hin zu 3D-gedruckten Luftzellen, speziellen Sprengkopfaufnahmen, Relais-Drohnen oder Startkatapulten. Hersteller haben zwar Exportstopps verhängt, doch Sanktionen und Endverbleibsauflagen werden systematisch umgangen. Eine konkrete Bauanleitung ist sicherheitsrelevant und nicht Gegenstand dieses Artikels; wichtig ist das Prinzip: Die Dual-Use-Elektronik (Massenmarkt-Chips, Antennen, GNSS-Module) und additive Fertigung ermöglichen schnelle Iterationen im Feld. DJI Official

Reichweite & Nutzlast: Was kleine Drohnen wirklich leisten

  • Kleine FPV-Quadcopter: Typischerweise ein- bis niedrige zweistellige Kilometer im Kampfeinsatz (oft deutlich darunter, je nach Gelände, Relais, Wetter, Störlage). Nutzlasten liegen praxisnah im Bereich von 0,5–2 kg; darüber steigen Lärm, Signatur und Steuerlast, und die Flugzeit fällt stark ab. Ihre Stärke ist Präzision auf kurze Distanz, nicht strategische Reichweite. Erfahrungsberichte aus Einheiten betonen die Grenzen (Wetter, Ausfallraten, EW). War on the Rocks

  • Lancet-Klasse: Größere Reichweite als FPV-Copter (zig Kilometer) bei schlankem Gefechtskopf (mehrere Kilogramm), optimiert auf punktuelle Ziele (Artillerie, Radar). Wikipedia+1

  • Shahed/Geran-2: >1.000 km Reichweite, Dutzende Kilogramm Sprengkopf; geeignet für tief gestaffelte Angriffe gegen Infrastruktur. Russland fährt seit Herbst 2024 auf hohe Stückzahlen hoch, mit laufenden Upgrades gegen EW. Wikipedia+1

Abwehr: Vom Spektrum bis zur Rohrwaffe

Die Abwehr folgt dem „Schichtenprinzip“ – Detektion (Radar, EO/IR, Akustik), Störung (Jamming, Spoofing), Soft-Kill (Übernahme/Verlust der Navigation) und Hard-Kill (Flugabwehrkanonen, Lenkflugkörper, Drohnenfänger, Laser/Direktenergie).

  • Elektronische Kampfführung (EW) ist die erste Linie gegen FPV und loiternde Systeme: stören, täuschen, trennen. Die Wirkung ist hoch, aber zweiseitig – beide Seiten rüsten nach (robustere Antennen, Alternativ-Guidance, KI-Assistenz). CSIS+1

  • Mobile Kurzstrecken-Flugabwehr gewinnt in Europa wieder an Gewicht. Deutschland führt z. B. Skyranger 30 ein – ein Boxer-Turm mit 30/35 mm-Kanone, programmierbarer Munition und optional Lenkwaffen, ausgelegt u. a. für C-UAS. Das System befindet sich in der militärischen Erprobung; Serienzulauf ist geplant. Für die Drohnenabwehr zählt, Ziele nahe und günstig bekämpfen zu können – günstiger als eine Drohne mit teurer Rakete. The War Zone+3Rheinmetall+3Defense News+3

Können diese Drohnen Deutschland erreichen?

Kurze Antwort: Kleine FPV-Copter – realistisch nein; ihnen fehlen Reichweite, Tragreserven und Navigationssicherheit für hunderte Kilometer. Loiternde Munition mit großer Reichweite (Shahed/Geran-2) hingegen kann Distanzen wie Kaliningrad–Berlin (≈ 500+ km) theoretisch überbrücken. Das ist keine Prognose eines Angriffs, sondern eine physikalische Feststellung zur Reichweite. Die praktische Gefahr hängt von politischem Eskalationsrisiko, Abschussrouten, NATO-Luftraumüberwachung und der Bereitschaft ab, solch einen Angriff zu riskieren. Zuletzt zeigte die Verletzung polnischen Luftraums durch russische Drohnen (9.–10. September 2025), dass Irrflüge oder bewusste Provokationen an der NATO-Ostflanke vorkommen – Polen reagiert mit enger Zusammenarbeit und Training, u. a. mit der Ukraine, um die Drohnenabwehr zu stärken. Deutschland selbst investiert parallel in C-UAS-Fähigkeiten; die Gefährdung ist nicht null, aber deutlich gedämpft durch Frühwarnung, Abwehrschichten und politische Abschreckung. Reuters+2Rheinmetall+2

Was kommt als Nächstes? Drei Entwicklungslinien

  1. Robustere Navigation & Autonomie: Bessere Antennen, Sensorfusion (INS/GNSS/Visuell), Bord-Rechner und „Ziel-Lock“ im Endanflug mindern die Wirkung von Jamming – ein technologisches „Wettrennen“. Business Insider+1

  2. Skalierung & Industrialisierung: Serienfertigung senkt Stückkosten, erlaubt „Sättigungsangriffe“ – die Abwehr muss wirtschaftlich mithalten (günstige Hard-Kill-Optionen, Massen-EW). CSIS

  3. Verteidigungsökosystem: Europa rüstet Kurzstrecken-Flugabwehr, Sensorik und vernetzte C2 auf; die Kombination aus Erkennen–Stören–Vernichten wird zur Standardarchitektur, auch für kritische Infrastruktur im Hinterland. The War Zone+1

Fazit für Wirtschaft & Politik

Drohnen senken die Eintrittsbarrieren für präzise Wirkung – nicht wegen „Zaubertechnik“, sondern wegen Dual-Use-Elektronik, Software und iterativer Fertigung. Unternehmen in sicherheitskritischen Sektoren sollten Resilienzpläne und C-UAS-Konzepte prüfen (Detektion, Notfallprozeduren, baulicher Schutz, Zusammenarbeit mit Behörden). Für Deutschland gilt: Strategische Reichweiten einiger Systeme sind physisch gegeben; operativ wird das Risiko durch Luftverteidigung, Abschreckung und NATO-Verbund gemanagt. Der zentrale Trend bleibt: EW-Widerstandsfähigkeit und ökonomische Skalierung entscheiden, wer im Drohnen-/Gegen-Drohnen-Duell die Oberhand behält. CSIS+1


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