Agentic AI – Wie KI-Agenten Geschäftsmodelle revolutionieren

Künstliche Intelligenz (KI) steht vor einer neuen Evolutionsstufe: Agentic AI. Während klassische KI-Systeme bislang vor allem reagierten – also Antworten gaben, Texte generierten oder Analysen erstellten –, übernimmt Agentic AI eine aktiv handelnde Rolle. KI-Agenten können Ziele ableiten, Aufgaben selbstständig umsetzen und sogar mit anderen Agenten interagieren. Damit wird die KI von einem „smarten Werkzeug“ zu einem eigenständigen Akteur in Wertschöpfungsketten. Für Unternehmen eröffnet dies Chancen auf enorme Produktivitätssteigerungen und neue Geschäftsmodelle. Wer sich frühzeitig positioniert, kann die Spielregeln des Wettbewerbs von morgen entscheidend mitgestalten.


Wie funktioniert Agentic AI?

Das Besondere an Agentic AI ist die Verbindung von Large Language Models (LLMs) mit Planungs- und Entscheidungsmechanismen. Die Systeme verstehen nicht nur Sprache, sondern können Handlungsoptionen entwickeln und aktiv Entscheidungen treffen. Dazu kommen Schnittstellen zu APIs, Datenbanken oder Maschinen, wodurch Agenten direkt in Unternehmensprozessen handeln können.

Ein Beispiel: Ein Einkaufsagent in einem Industrieunternehmen erkennt Lieferengpässe, prüft alternative Lieferanten, holt Angebote ein und kann – nach vordefinierten Richtlinien – Bestellungen eigenständig auslösen. Der Mensch muss nur noch über die Ausnahmefälle entscheiden oder die Ergebnisse überwachen.

Damit ergeben sich drei Kernfähigkeiten:

  1. Autonomie: Agenten erkennen Aufgaben und setzen sie um.

  2. Interaktion: Sie arbeiten mit Menschen und anderen Agenten zusammen.

  3. Lernfähigkeit: Sie passen sich an Feedback und neue Daten an.


Anwendungsfelder von Agentic AI

1. Finanzinstitute

Die Finanzbranche ist ein Vorreiter für Agentic AI:

  • Risikomanagement: Agenten überwachen Märkte in Echtzeit, identifizieren Abweichungen und schlagen sofortige Maßnahmen vor.

  • Kundensupport: Digitale Agenten können Kunden proaktiv beraten – etwa bei Kreditentscheidungen oder Anlagestrategien.

  • Compliance: Agenten prüfen Transaktionen automatisch auf regulatorische Anforderungen und dokumentieren lückenlos.

2. Industrie 4.0

Im industriellen Umfeld entstehen besonders konkrete Mehrwerte:

  • Fertigungsprozesse: Agenten koordinieren Roboter, überwachen Produktionsstraßen und lösen Wartungseinsätze selbstständig aus.

  • Supply Chain Management: Digitale Agenten verhandeln mit Marktplätzen, passen Bestellmengen an und optimieren Logistik in Echtzeit.

  • Qualitätssicherung: Sie erkennen Fehlerbilder anhand von Sensordaten oder Kameras und leiten sofort Gegenmaßnahmen ein.

3. Handel und Kundenerlebnisse

Der Handel steht durch die Digitalisierung ohnehin unter Druck – Agentic AI verstärkt den Wandel:

  • Personalisierte Einkaufserlebnisse: Agenten analysieren Kundenverhalten und gestalten dynamisch Produktempfehlungen.

  • Virtuelle Einkaufsberater: Digitale Assistenten begleiten Kund*innen durch den gesamten Kaufprozess – online wie stationär.

  • After-Sales: Agenten erinnern automatisch an Wartungen, Garantieverlängerungen oder neue Produktoptionen.

4. Weitere Sektoren

  • Gesundheitswesen: Pflege-Agents erinnern an Medikamente, überwachen Vitalwerte und kommunizieren mit Ärzt*innen.

  • Personalwesen: HR-Agents übernehmen das Screening von Bewerbungen, organisieren Interviews und bewerten Kandidaten.

  • Rechtswesen: Legal-Agents analysieren Verträge, markieren Risiken und bereiten Dokumente für Anwält*innen vor.


Ein-Mann-Einhorn? – Sam Altmans Vision

OpenAI-CEO Sam Altman prägte jüngst den Begriff des „Ein-Mann-Einhorns“: In Zukunft könnten einzelne Gründer*innen Unternehmen aufbauen, die einen Milliardenwert erreichen – mit nur einem Menschen an der Spitze und einem Heer von digitalen Agenten, die sämtliche Geschäftsprozesse übernehmen. Marketing, Vertrieb, Buchhaltung, Entwicklung und sogar Teile der Produktion könnten vollständig automatisiert sein. Die Vorstellung mag radikal klingen, zeigt aber, wie tiefgreifend die Technologie die Ökonomie verändern könnte.


Anbieter von Agentic AI

Internationale Player

  • OpenAI: Mit GPT-4o und den kommenden Agenten-Funktionen.

  • Anthropic: Setzt mit Claude auf Sicherheit und Skalierbarkeit.

  • Google DeepMind / Gemini: Fokussiert auf multimodale Agenten.

  • Microsoft Copilot Studio: Bringt Agenten direkt in Office-Workflows.

Deutsche Anbieter

  • Aleph Alpha (Heidelberg): Fokus auf Datenschutz, Erklärbarkeit und europäische Souveränität.

  • thingsTHINKING (Karlsruhe): Semantische KI-Agenten für Wissensarbeit.

  • DeepOpinion (Innsbruck/München): Prozessautomatisierung durch Agenten.

Open-Source-Frameworks

  • LangChain, AutoGPT, CrewAI oder Open Agents ermöglichen Unternehmen, eigene Agenten schnell aufzubauen und anzupassen.


Auswirkungen auf die Wirtschaft in Deutschland

Agentic AI hat das Potenzial, Deutschland nachhaltig zu verändern:

  • Produktivität: Routine- und Administrationsaufgaben verschwinden, Mitarbeiter*innen konzentrieren sich auf kreative und strategische Tätigkeiten.

  • Neue Geschäftsmodelle: Agenten übernehmen ganze Wertschöpfungsstufen.

  • Arbeitsmarkt: Tätigkeiten verschieben sich – weniger Sachbearbeitung, mehr Supervision und KI-Training.

  • Wettbewerbsfähigkeit: Deutschland kann seine Industriekompetenz mit KI verknüpfen und so global vorne mitspielen – vorausgesetzt, Datenschutz und Innovation werden miteinander vereint.


Einsatz in Unternehmen

Der Einstieg gelingt über Pilotprojekte mit klar abgesteckten Aufgaben. Beispiele:

  • Automatisierte Kundenhotlines mit Eskalation an menschliche Mitarbeitende.

  • Agenten im Einkauf, die Bestellungen vorbereiten und Vorschläge machen.

  • HR-Agenten, die Bewerbungsunterlagen sichten.

Plattformwahl:

  • Cloud: Microsoft Azure (OpenAI), AWS Bedrock, Google Cloud.

  • On-Premises: Aleph Alpha für besonders sensible Daten.

Kostenmodelle:

  • Abonnements: SaaS-Lizenzen pro Nutzer oder Unternehmen.

  • Pay-per-Use: Abrechnung nach Tokens oder API-Aufrufen.

  • Custom Development: Eigene Agentenentwicklung, abhängig von Datenintegration und Trainingsaufwand.


Datenschutz und regulatorische Aspekte

In Deutschland gilt:

  • DSGVO: Personenbezogene Daten müssen geschützt, verarbeitet nur mit klarer Rechtsgrundlage.

  • AI Act: Ab 2026 gelten strenge Vorschriften für Hochrisiko-Anwendungen – z. B. in Finanzen oder Gesundheit.

  • Auditierbarkeit: Unternehmen müssen Entscheidungen der Agenten nachvollziehen können.

  • Datenhaltung: Für viele Branchen (z. B. Banken, Versicherungen) ist eine Speicherung in der EU Pflicht.


WICHTIG!

Agentic AI ist mehr als nur ein weiterer KI-Trend – sie markiert einen Wendepunkt in der Art, wie Unternehmen arbeiten. Digitale Agenten agieren wie eigenständige Mitarbeitende, transformieren Prozesse und eröffnen neue Geschäftsmodelle. Für die deutsche Wirtschaft ist dies eine historische Chance: Wer jetzt in Agentic AI investiert, kann nicht nur Kosten senken, sondern auch Innovationsführerschaft übernehmen. Die Zukunft gehört den Unternehmen, die Mensch und Maschine intelligent zusammenspielen lassen.

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