Agilität und Werkvertrag passen nicht zusammen
Klassische Werkverträge und agile Entwicklung sind ein Widerspruch in sich. Auftraggeber sollten mit ihren Dienstleistern deshalb agile Festpreise für Softwareprojekte vereinbaren – auch, wenn sie einen grundlegenden Paradigmenwechsel bedeuten. Ein Gastbeitrag von Nadine Riederer*.
Bei der Entwicklung einer Software mit agilen Verfahren gibt es im Gegensatz zur herkömmlichen Wasserfallmethode keine ausführliche Spezifikation der Software. Am Anfang des Projekts steht noch nicht eindeutig fest, welche Funktionen die Software am Ende genau haben wird. Stattdessen passen die Verantwortlichen die Gestaltung der Software flexibel an neue Erkenntnisse, Prioritäten oder Anforderungen an, die sich im Laufe des Projekts herauskristallisieren. Auf diese Weise sorgen agile Verfahren für schnellere und effizientere Prozesse, die im Ergebnis eine nutzerorientiertere Software produzieren.
Klassische Werkverträge zwischen Unternehmen und IT-Dienstleistern sind bei agilen Entwicklungsprojekten deswegen äußerst problematisch. Solche Verträge definieren nämlich genau, was für den vereinbarten Preis geliefert werden muss – dieses „was“ lässt sich aber bei agilen Softwareprojekten im Vorfeld gar nicht exakt definieren. Deshalb sind agile Entwicklung und Werkverträge ein Widerspruch in sich. Pochen Auftraggeber dennoch darauf, müssen sie ihre Zielvorstellungen genau festlegen, und bekommen auch nur das, was sie bestellt haben. Damit rauben sie den agilen Verfahren ihre Flexibilität – und damit eine ihrer größten Stärken.
Auf detaillierte Ausführungen verzichten
Ein deutlich besserer Ansatz sind agile Festpreis-Modelle. Dabei einigen sich die Vertragspartner zum Projektstart auf eine eher grobe Beschreibung des angestrebten Ziels und verzichten auf detaillierte Ausführungen. Zudem schätzen sie gemeinsam Geschäftswert, Risiken, Aufwände und Kosten des Projekts ein. In einer anschließenden Testphase stellen Auftraggeber und Auftragnehmer dann ihre Zusammenarbeit auf die Probe. Der Dienstleister beginnt mit ersten Sprints die Entwicklung der Software und erstellt dabei ein Produkt, mit dem der Auftraggeber bereits arbeiten kann.
Basierend auf den Erfahrungen der Testphase entscheiden die Projektpartner dann, ob sie das Projekt gemeinsam fortsetzen möchten, feilen noch einmal an ihren Einschätzungen und fixieren schließlich den Festpreisrahmen. Innerhalb dieses Rahmens besteht dann die Möglichkeit, die Entwicklung dynamisch anzupassen. Taucht beispielsweise eine neue wichtige Anforderung auf, wird sie umgesetzt und dafür eine weniger wichtige Anforderung mit gleichem Umfang gestrichen. So ein flexibles Vorgehen wäre in festen Werkverträgen konzeptbedingt von vornherein ausgeschlossen.
Auch was den Umfang der Projekte angeht, bieten agile Festpreis-Modelle deutlich mehr Flexibilität. So kann es durchaus vorkommen, dass das angestrebte Ziel nach weniger Entwicklungssprints als ursprünglich angenommen erreicht wird. In diesem Fall kann der Auftraggeber das Projekt beenden. Je nach Vertragsgestaltung bezahlt er dann entweder nur die tatsächlich geleistete Arbeit oder „entschädigt“ den Auftragnehmer durch eine geringere Kompensationszahlung oder die Verrechnung mit einem Nachfolgeauftrag. Der umgekehrte Fall ist ebenfalls denkbar: Das gewünschte Ziel wird mit der zunächst vereinbarten Anzahl an Entwicklungssprints nicht erreicht. Dieser Fall lässt sich mit agilen Festpreis-Modellen abfedern, indem die Projektpartner Kostenteilungssätze für die zusätzlichen Sprints vereinbaren.
Auftraggeber stärker in Projekte eingebunden
Für die Auftraggeber bedeuten agile Festpreise einen Paradigmenwechsel. Die Vorstellung, einen fixen Preis zu vereinbaren und dabei nicht genau zu wissen, in welche Richtung sich das Projekt entwickelt, ist für viele Unternehmen Neuland. Zudem sind die Auftraggeber viel stärker in die Projekte eingebunden und müssen mit dem Dienstleister eng zusammenarbeiten, um zu Beginn gemeinsam das festgelegte Wunschergebnis zu erarbeiten. Auch diese Vorgehensweise ist für viele Unternehmen eher ungewohnt.
Außerdem müssen sie sich bewusst machen, dass das anfangs gesteckte Ziel nicht immer realisierbar ist. Es kann vorkommen, dass am Ende des Projekts nicht die Lösung auf dem Tisch liegt, die sich die Beteiligten anfangs vorgestellt haben. Ein solches Ergebnis muss aber nicht zwangsläufig nachteilig sein. Es kommt nicht selten, vor, dass die Auftraggeber dabei sogar positiv überrascht werden. Im agilen Umfeld ist deshalb ein besonders großes Vertrauen zu externen Mitarbeitern nötig – so schwierig das auch erscheinen mag.
Die Vorteile von agilen Festpreisen überwiegen jedenfalls deutlich. Die wichtigste Herausforderung dabei ist, die Sichtweisen von Auftraggeber und -nehmer unter einen Hut zu bekommen. Die Dienstleister sehen dabei oft vor allem die Leistung im Vordergrund, während für das beschäftigende Unternehmen das Ergebnis zählt. Mit agilen Festpreisen und großem gegenseitigen Vertrauen können sie aber eine gute Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit legen.
*Nadine Riederer ist CEO bei Avision, einem auf Software Revival spezialisierten IT-Dienstleister
Bildquelle / Lizenz Aufmacher: bertholdbrodersen – Pixabay ).
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