Ab in die Wüste – Dubai zwischen Körperschaftsteuer und Buchhaltungspflicht
Seit Jahren zieht Dubai Investoren und Selbstständige an – vor allem wegen des attraktiven Steuersystems. Jetzt erhebt der Staat Steuern und macht eine Steuererklärung und die Buchhaltung zur Pflicht. Was genau heißt das für deutsche Unternehmen?
Was haben BASF, Miele und Meyer Burger gemein? Sie alle zieht es in die Ferne. Meldungen von deutschen Unternehmen, die ihren Fokus vermehrt ins Ausland verlagern, nehmen zu. Das bestätigt auch eine Frühsommerumfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) – mehr als ein Drittel der mittelständischen Unternehmen investieren lieber in neue Standorte im Ausland. Der Grund: Dort sind die Kosten geringer. Insbesondere das Steuerparadies Dubai gilt als Traumziel fürs Abwandern. Sicher wird ab 2024 die Körperschaftsteuer von 9 Prozent Realität, aber wer sich rechtzeitig darauf vorbereitet, hat nichts zu befürchten.
Im Land der Freiheit und des Reichtums?
Glaubt man dem Ease of Doing Business-Ranking der World Bank, rangieren die VAE regelmäßig unter den Top 20. Bei der Antwort auf die Frage, wie einfach es ist, ein Unternehmen zu gründen und zu führen, erreichen die Emirate aktuell Platz 16 von 190. Nicht nur das: Laut dem Global Cities of the Future-Bericht von FDI Intelligence gilt speziell Dubai als eine der führenden Städte für ausländische Direktinvestitionen weltweit. Und auch die Prognosen des Internationalen Währungsfonds zeichnen ein insgesamt positives Bild. Bereits für 2024 sagten die Experten ein reales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 3,5 Prozent voraus und erwarten für 2025 einen weiteren Anstieg auf 4,2 Prozent. Treiber dieses Trends ist hauptsächlich eine höhere Ölproduktion, wobei die VAE auch von steigenden Konsumausgaben, dem Aufschwung im Tourismussektor, einer zunehmenden regionalen Vernetzung und einem Investitionsboom profitieren. Ein starker Kontrast zu den trüben Aussichten hierzulande: Der Ifo-Geschäftsklimaindex sank zuletzt auf 86,6 Punkte, wobei nicht nur die schlechte Auftragslage, die wachsende Arbeitslosigkeit und der mangelnde politische Reformwille auf die Stimmung drücken. Wie eine Studie des Bundesverbands der Deutschen Industrie zeigt, werden in kaum einem anderen Industrieland Unternehmen so stark vom Fiskus zur Kasse gebeten wie in der BRD.
2023 betrug die nominale Steuerbelastung durchschnittlich 29,9 Prozent. In der gesamten EU hingegen lag die durchschnittliche Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften mit 21,1 Prozent deutlich niedriger. In der Folge glauben viele Firmen nicht mehr an eine Zukunft in Deutschland, sodass 37 Prozent der Industriebetriebe erwägen, ihre Produktion einzuschränken oder sie ins Ausland zu verlagern. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Kein Wunder also, dass es vor allem Unternehmen in den Bereichen Maschinenbau, Bauwirtschaft, Logistik, Automobil, Energietechnik oder Finanzdienstleistungen an den Golf zieht. Laut der Deutsch-Emiratischen Industrie- und Handelskammer (AHK) sind etwa 1.000 deutsche Unternehmen in den VAE aktiv, wobei der Großteil davon Dubai als Hub nutzt, um in die gesamte Region und den Nahen Osten zu expandieren.
Steuern! Auch in Dubai?
Durch eine gezielte Steuer- und Wirtschaftspolitik erarbeiteten sich die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) den Ruf eines Steuerparadieses. Rund 40 steuerbefreite Freihandelszonen sollen ausländische Investoren anziehen. Zahlreiche Doppelbesteuerungsabkommen verhindern, dass Einkünfte, die im Land am Golf erwirtschaftet werden, in anderen Staaten ein zweites Mal besteuert werden. Es gibt keine Beschränkungen des Kapitaltransfers. Und im Gegensatz zu vielen anderen Ländern erhebt die Regierung auch keine Abgaben auf das Gehalt oder andere persönliche Einkünfte. Ab den 2010er-Jahren haben die VAE allerdings damit begonnen, die lockere Steuerpolitik zu überdenken. Um die Abhängigkeit vom Öl zu verringern und die Staatseinnahmen zu diversifizieren, führte die Regierung 2018 eine Mehrwertsteuer auf Konsumgüter und Dienstleistungen in Höhe von 5 Prozent ein. 5 Jahre später, im Juni 2023, folgte mit der Körperschaftsteuer eine erste Abgabe für Unternehmen. Firmen, die im Mainland angesiedelt sind und hier Gewinne machen, die den Freibetrag von 375.000 AED (etwa 93.421 Euro) überschreiten, müssen auf diesen Teil des Einkommens 9 Prozent Körperschaftsteuer zahlen.
Von Büchern, Bilanzen und anderen Pflichten
Anders als bisher ist nun eine lückenlose Dokumentation von Geschäftsvorgängen wichtig, denn jeweils zum 30. September des Folgejahres wird eine Steuererklärung fällig. Wer dies versäumt, riskiert Strafen von bis zu 10.000 AED (circa 2.500 Euro). Es ist also ratsam, frühzeitig mit der Umstellung auf eine vollständige Buchführung zu beginnen. Dafür empfiehlt die Regierung der VAE die Implementierung von international anerkannten Standards und Verfahren zur Bilanzierung. Als naheliegendste Wahl gilt die Anwendung des IFRS-Verfahrens, da es eine global anerkannte Grundlage für Jahresabschlüsse darstellt und für eine transparente Finanzberichterstattung sorgt. Der Vorteil: Informationen über die Finanz-, Ertrags- und Vermögenslage sind aussagekräftig und vergleichbar. Wer es in den vergangenen Geschäftsjahren mangels Nachweispflicht versäumt hat, Bücher zu führen, muss sich die Frage stellen, wie die Eröffnungsbilanz für die Körperschaftsteuer aussehen soll und wie sie über die vergangenen Jahre hinweg rekonstruiert werden kann. Insbesondere solchen Unternehmen ist dringend geraten, sich kompetente Steuerberater vor Ort zu suchen. Sie sind in der Lage, auf der Basis der im Land vorherrschenden Vorschriften und Gegebenheiten die individuelle Situation besser einzuschätzen und entsprechende Empfehlungen auszusprechen. Denn Firmen in Dubai stehen künftig nicht zuletzt auch in der Pflicht, eine Gewinn- und Verlustrechnung zu erstellen und Kapitalgesellschaften müssen sich zudem einer jährlichen Wirtschaftsprüfung unterziehen, wobei das erste Geschäftsjahr frei wählbar ist und zwischen 6 und 18 Monaten lang sein kann.
Weitere Informationen unter https://www.juhn.com
Zum Autor:
Prof. Dr. Christoph Juhn ist Professor für Steuerrecht, Steuerberater und besitzt einen Master of Laws. Seine Schwerpunkte in der Gestaltungsberatung liegen auf Umwandlungen und Umstrukturierungen, Unternehmen- und Konzernsteuerrecht, internationalem Steuerrecht, Unternehmenstransaktionen (M&A), Beratung für Berater sowie der laufenden Steuerberatung. Nachdem er 2011 seinen LL.M. an der Universität zu Köln erwarb, wurde er 2013 zum Steuerberater bestellt. Im Jahr 2020 promovierte er zum Dr. jur. im internationalen Unternehmen- & Umwandlungssteuerrecht und wurde noch im selben Jahr zum Professor für Steuerrecht an der FOM Hochschule Bonn berufen. Parallel dazu gründete er – nach Anstellungen in zwei Steuerberatungsgesellschaften – im Jahr 2015 die JUHN Partner GmbH und 2017 die JUHN BESAU GmbH.