Der Booster für die Entwicklung: Low-Code-Plattformen
Autor Kai Hinke, Leiter Consol CM Software bei Consol: Die Nutzung von Low-Code-Plattformen liegt voll im Trend. Er schreibt über Anwendungsfälle für beide Technologien.
Zentrale Treiber dieses Trends sind der Nachholbedarf in der Digitalisierung europäischer Unternehmen und der sich verstärkende Fachkräftemangel in der IT-Branche. Der zentrale Vorteil des Low-Code-Ansatzes ist die schnelle Entwicklung und Adaption von Applikationen.
Low-Code-Plattformen fungieren als eine Art Baukasten für die Software-Entwicklung. Sie unterstützen die einfache Modellierung der Businesslogik beziehungsweise der Prozesse, Datenmodelle und Benutzeroberfläche. Mit grafischen Benutzeroberflächen und Editiertools können Anwender Anpassungen an Applikationen einfach und schnell per „Drag and Drop“ durchführen.
Von Low-Code-Plattformen zu unterscheiden sind No-Code-Lösungen. Mit ihnen können Applikationen vollständig ohne Scripting- beziehungsweise Programmieraufwand über grafische Editoren adaptiert werden. Aufgrund des eingeschränkten Funktionsumfangs sind komplexere Anforderungen in der Regel nicht umsetzbar, etwa im Hinblick auf die Abbildung von vielschichtigen Prozessen oder Datenstrukturen. Auch den Datenaustausch mit Drittsystemen, insbesondere unter Einbindung der Businesslogik, unterstützen No-Code-Plattformen nur sehr eingeschränkt oder überhaupt nicht. Folglich eignet sich die No-Code-Nutzung nur für relativ einfache Anwendungsfälle.
Mit Low-Code-Tools hingegen können Nutzer nicht nur einfache, sondern auch komplexe technische und fachliche Aufgaben mit einem geringen Programmier- oder Scripting-Aufwand erledigen. Sie unterstützen auch die Umsetzung vielschichtiger organisatorischer und prozessualer Anforderungen oder die Interaktion und den Datenaustausch mit Drittsystemen im Unternehmen. Während mit No-Code bereits IT-affine Fachabteilungen Lösungen erstellen können, erfordern Low-Code-Ansätze die Einbindung von IT-Experten, wobei es allerdings nicht zwingend Programmierer sein müssen. Das heißt: Auch wenn das Konzept letztlich auf den Citizen Developer abzielt, also den Fachbereichsentwickler, sollte die Plattformeinführung nicht allein in die Hände von Fachabteilungen gegeben werden. Es handelt sich dabei immer noch um ein zentrales IT-Projekt. Die Fachabteilungen können zwar neue Lösungen auf Basis der Plattform autark und damit viel agiler erstellen und adaptieren, aber die IT bleibt für Wartung, Updates oder Support verantwortlich.
Wichtige Funktionen einer Low-Code-Plattform
Aufgrund des größeren Funktionsumfangs und der höheren Flexibilität werden vor allem Low-Code-Plattformen weiter an Attraktivität gewinnen. Es gibt dabei eine Vielzahl unterschiedlicher Lösungsansätze. Bei der Auswahl einer konkreten Variante sollte ein Unternehmen darauf achten, dass sie prinzipiell ohne Programmierung auskommt. Eine Programmierung kann zum Beispiel dann erforderlich sein, wenn gänzlich neue Funktionskomponenten entwickelt werden müssen, die das „Low-Code-Baukastensystem“ nicht mitbringt, oder um eine individuelle Kundenschnittstelle zu integrieren.
Eine leistungsstarke Low-Code-Plattform bietet in erster Linie funktional umfangreiche und leicht bedienbare Editoren für die flexible anforderungsspezifische Anpassung von Prozessen, Businesslogik und Datenmodellen. Für die Umsetzung komplexer Anforderungen ist eine Scripting-Engine erforderlich. Ebenso wichtig sind ausgereifte Deployment-Mechanismen für die einfache Übertragung von Systemanpassungen in die Produktivumgebung und Standard-Schnittstellen für den Datenaustausch mit Drittsystemen. Nicht zuletzt sollte die Plattform auch ein Cloud- und On-Premises-Nutzungskonzept unterstützen, um die verschiedenen infrastrukturellen Anforderungen der Anwender abzudecken.
Einfache Optimierung eines Reklamationsprozesses
Low-Code-Entwicklungsplattformen ermöglichen Nutzern, neue Prozesse selbst zu definieren beziehungsweise Änderungen und Optimierungen an bereits modellierten Prozessen eigenständig vorzunehmen. Dabei kann der Benutzer sich auf die zu implementierenden Funktionen fokussieren, ohne zu wissen, wie der Quellcode zu schreiben ist.
Ein Beispiel kann dies verdeutlichen: die einfache und schnelle Optimierung eines Reklamationsprozesses, der durch eine Digitalisierungs- und Low-Code-Plattform abgebildet wird. Muss in einem Unternehmen jede Gutschrift – auch bei kleinsten Beträgen – von einem Teamleiter genehmigt werden, führt dies zu erhöhten Aufwänden für die Vorgesetzten. Um die Teamleiter zu entlasten, können die Bearbeiter die Möglichkeit erhalten, Gutschriften beispielsweise bis zu 100 Euro eigenständig zu veranlassen. Diese Möglichkeit soll allerdings nur optional bestehen, sodass bei Unklarheiten weiterhin eine Genehmigung angefragt werden kann.
Für die Umsetzung eines solchen Szenarios sind in einer Low-Code-Plattform wie Consol CM lediglich zwei Anpassungen erforderlich: Erstens muss der Anwender ein neues Datenfeld „Genehmigung anfragen?“ mit den Optionen „Ja“ und „Nein“ anlegen. Zweitens muss er den Prozess dahingehend ändern, dass die Vorgänge bei „Nein“ den Genehmigungsprozess überspringen.
Das Anlegen des neuen Datenfeldes erfolgt bei Consol CM im Menü „Vorgänge, Untermenü „Vorgangsfelder“. Der Benutzer wählt die bereits existierende Feldgruppe „Reklamation“ aus und klickt auf den Button „Neues Feld“. Im geöffneten Fenster gibt er im Tab „Felddaten“ den Namen für das Feld ein und wählt als Feldtyp „Boolean“ aus: Danach filtert der Benutzer im Tab „Einstellungen“ nach „boolean“ und wählt unter „Boolean-Darstellung“ die Option „Radio-Buttons“. Dies führt dazu, dass das Feld als Radio-Buttons mit den Optionen „Ja“ und „Nein“ dargestellt wird. Zuletzt wird das Feld durch Klicken auf „Feld erstellen“ gespeichert. Die Prozessänderung erfolgt anschließend im Menü „Geschäftslogik“, Untermenü „Workflows“ ebenfalls in wenigen Schritten.
Diese Änderung des Reklamationsprozesses kann der Anwender ohne spezifische Programmierkenntnisse mit intuitiv bedienbaren grafischen Modellierungswerkzeugen durchführen. Im Ergebnis kann der jeweilige Sachbearbeiter dann im Web-Client entscheiden, ob er eine Genehmigung anfragen will.
Insgesamt wird der Markt für Low-Code-Plattformen weiter dynamisch wachsen, wie führende Marktforschungsunternehmen prognostizieren. Immer mehr Unternehmen werden Anwendern aus den Fachabteilungen, die idealerweise eine gewisse IT-Affinität mitbringen und geschult wurden, die Verantwortung für ihre Prozesse und Applikationen übertragen. Schließlich wissen die Fachabteilungen durch die täglichen Abläufe selbst am besten, an welchen Stellen Optimierungspotenziale bestehen. Die abgeleiteten Maßnahmen können die Mitarbeiter in einer Low-Code-Entwicklungsumgebung dann ohne Kommunikationsbruchstellen zu IT-Experten direkt in der Software umsetzen.
* Kai Hinke ist Leiter Consol CM Software bei Consol
Abbildungen: