Eine offene Kultur braucht keine Quoten

Autor: Miriam Bressan, Manager Solution Architecture bei Red Hat

Kommt das Gespräch auf das Thema Gleichstellung, verläuft die Debatte schnell hitzig: Von Quotenfrauen und Männerclubs ist die Rede, von Geschlechterkampf und alten weißen Männern. Fakt ist, Frauen sind motiviert, leistungsstark und vor allem hochqualifiziert. Trotzdem erleben wir immer noch eine strukturelle Diskriminierung: Frauen bleiben in Positionen stecken, die unter ihrem Kompetenzlevel liegen. Und das nicht nur knapp unter der berühmten gläsernen Decke, sondern auf allen Jobebenen. Wie kann es also gelingen, Führungspositionen und überhaupt Jobs gerechter zu verteilen? Diese Frage beschäftigt unsere Gesellschaft seit Jahren. Manche Arbeitgeber setzen sich freiwillig Ziele, für börsennotierte Konzerne und ihre Aufsichtsräte hat die Politik 2016 eine 30-prozentige Geschlechterquote gesetzlich festgeschrieben.

Eine offene Kultur wird sich gegen eine Quote durchsetzen, sagt Miriam Bressan

Nun kann man über Quoten geteilter Meinung sein – völlig inakzeptabel ist es allerdings, wenn Politikerinnen als „Mutti” bezeichnet werden und junge Kolleginnen sich sexistische Sprüche anhören müssen. Irritierend finde ich es aber auch, dass gerade in männerdominierten Branchen wie der IT die Tatsache, dass eine Frau als Developer oder Consultant arbeitet, lobend erwähnt wird. Warum eigentlich? Ich habe noch nie den Spruch gehört „toll, dass wir so viele Männer im Team haben“. Aus Sicht der Frauen erfährt durch diese Denkweise ihre Leistung nicht die Wertschätzung, die sie verdient. Wir haben den Job nicht bekommen, weil wir weiblich sind, sondern weil wir gut darin sind. Und dieses Argument gilt nicht nur für das Geschlecht, sondern auch für alle anderen Diversity-Kriterien wie Alter, Herkunft, Religion oder sexuelle Orientierung.

Gelebte Diversität oder wenigstens die Diskussion darüber ist inzwischen in vielen Unternehmen kein Feigenblatt mehr, sondern intrinsische Motivation, um eine gleichberechtigte und respektvolle Kultur zu schaffen. Eine solche Kultur ist offen für verschiedene Ideen, Ansätze und Blickwinkel. Denn ganz gleich, ob es um Entscheidungsfindungen oder Konfliktlösungen geht, das Wissen über die unterschiedlichen Denk- und Verhaltensmuster sowie das Verständnis für die komplementäre Kraft dieser Diversität können die Arbeit grundlegend verändern und zu völlig neuen Ergebnissen führen. Innovationen entstehen nämlich erst, wenn man „out of the box“ denkt. Ein möglichst diverses Team bringt dafür die besten Voraussetzungen mit: Es arbeitet insgesamt kreativer, durchbricht Gedankenmauern und hinterfragt etablierte Denkmuster. Und deshalb sollte es auch immer egal sein, von wem eine Idee stammt. Jeder soll sich frei fühlen, Vorschläge einzureichen, niemand aufgrund seiner Position bevorzugt werden und alle Beteiligten offen über Ideen sprechen können. Eine positive Fehlerkultur gehört ebenfalls dazu – nur so entsteht Raum für Innovationen. Dieses Prinzip einer inklusiven Unternehmenskultur ist typisch für die Open-Source-Welt und lässt sich parallel dazu auf die Bewerberauswahl münzen: Den Job sollte derjenige bekommen, der am besten dafür qualifiziert ist.

Damit Frauen und andere Gruppen aber nicht schon gleich zu Beginn ausgeschlossen werden, müssen Unternehmen unbewusste Muster aufbrechen. Wir alle kennen es nur zu gut, dass Entscheidungen über Besetzungen nicht allein auf objektiv messbaren Kriterien basieren, sondern wir immer gerne Menschen auswählen, die so sind wie wir selbst. Unternehmen kommen deshalb nicht umhin, ihre Managementriege in puncto Unconscious Bias zu trainieren, damit diese vorurteilsfreie Entscheidungen treffen. Aber auch durch die Wortwahl in Stellenausschreibungen werden Stereotype transportiert. Adjektive, die geforderte Eigenschaften wie analytisch oder durchsetzungsstark beschreiben, lassen Bilder in unseren Köpfen entstehen, die abschreckend wirken – selbst dann, wenn sie vermeintlich geschlechtsneutral sind. Wer die besten Talente will, sollte auf seine Sprache achten. Unabhängig davon, müssen natürlich die Rahmenbedingungen stimmen: Das fängt bei flexiblen Arbeitsplatz- und Arbeitszeitmodellen an, geht über Eingliederungsmodelle für Eltern oder Team-Mitglieder mit Behinderung und beinhaltet auch auf den ersten Blick so profane Dingen wie Ruheräume, um persönlichen oder religiösen Bedürfnisse nachzukommen.

Wandel beginnt im Kopf, wie es so schön heißt. Und ich denke, wir sind bei Red Hat auf einem guten Weg. Ein Grund dafür liegt sicherlich in der Open-Source-Kultur. Und von der können alle Branchen lernen.

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