Empathie verbessert die Kommunikation

Empathie als Universalkompetenz für bessere Kommunikation am dezentralen Arbeitsplatz                                                             

Agile Teamarbeit, Führen auf Augenhöhe, Generation Y und Z, postheroische Führung, empathische Führung, Digital Leadership, dezentrales Arbeiten, New Work – diese und weitere Begriffe bestimmen die neuen Rahmenbedingungen und Bedürfnisse in der sich im Wandel befindlichen Arbeitswelt, die von immer höherer VUKA (Volatilität, Unvorhersehbarkeit, Komplexität, Ambivalenz) und dem Megatrend der Digitalisierung geprägt ist. Für die betroffenen Organisationen bedeutet dies vor allem, ihre Kommunikation zu verbessern. Das hierzu nötige Schmiermittel ist die Universalkompetenz Empathie. Doch der Begriff ist nicht unumstritten. Ein Beitrag von Dr. Karim Fathi.


Neue Anforderungen im Kontext von VUKA und Digitalisierung

Die Halbwertszeit von Unternehmen hat in den letzten Jahrzehnten abgenommen. Das Akronym „VUKA“ umschreibt treffend das Bündel an Herausforderungen, mit denen sich Organisationen im 21. Jahrhundert konfrontiert sehen. Mehrere miteinander verknüpfte Trends, auf die sich Organisationen heute einstellen müssen, lassen sich beobachten:

Dr. Karim Fathi

Erstens ist Führung angesichts von VUKA noch nie so voraussetzungsvoll gewesen wie heute[JE1] . Dabei geht es nicht nur darum, unter höchster Volatilität (ständigem Wandel), Unsicherheit (im Sinne von Unvorhersehbarkeit), Komplexität (im Sinne von Unübersichtlichkeit) und Ambiguität (Vieldeutigkeit) die richtigen strategischen Entscheidungen zu treffen. Auch haben sich im Kontext von Menschenführung die Bedürfnisse und Ansprüche der neuen Mitarbeitergeneration verändert – zunehmend stehen Sinn, Selbstverwirklichung und Gesundheit am Arbeitsplatz im Vordergrund. Ein postheroischer[1], empathischer Führungsstil, der es vermag, zu inspirieren, klug zu delegieren und zu bestärken, stellt, so der aktuelle Diskurs, einen zeitgemäßen Ansatz dar.[2]

Zweitens, damit Organisationen angesichts von VUKA gute kollektive Entscheidungen treffen können, müssen sie ihre kollektive Intelligenz bestmöglich nutzen und Prozesse entsprechend komplexitätsangemessen steuern. Denn Kundenwünsche und Anforderungen an das eigene Produkt wandeln sich schnell, sodass langfristige Detailplanung von Projekten nicht möglich ist. Als Antwort hierauf stellen immer mehr Organisationen, sogar Verwaltungen, auf agile Formen der Prozesssteuerung um. Dies erfordert hohe Informationstransparenz auf Ebene der Gesamtorganisation und zugleich mehr dezentrale Entscheidungsfindung und Selbstorganisation und im weitesten Sinne Eigenverantwortung der Wissensarbeitenden. Der Schlüssel hierzu ist verbesserte Kommunikation durch permanentes Feedback und entsprechendes Nachsteuern – sowohl mit den Kunden als auch im Projektteam.[3]

Drittens stellt der allgegenwärtige Megatrend des digitalen Wandels nicht nur einen wesentlichen Treiber der oben dargestellten Entwicklungen dar, sondern auch des vielfach beobachteten Megatrends New Work, welcher mit einer Zunahme von Remote Working und Home Office einhergeht. Die Corona-Krise hat – so die vielfach geteilte Beobachtung – diese Entwicklungen nur noch weiter befördert.[4]

Insgesamt lässt sich ein zunehmender Bedarf nach nicht-hierarchischen, selbstorganisierten, netzwerkartigen, oft auch agilen Kooperations- und Organisationsformen beobachten. Diesen Entwicklungen gerecht zu werden, erfordert effektive Kommunikation. Denn, so lehrt es die soziologische Systemtheorie[5], ohne gelingende interne Kommunikation kann eine Organisation nicht effektiv kollektiv handeln. Als wichtiges Schmiermittel hierfür erweist sich Empathie.


Über den Mehrwert von Empathie

Angesichts der neuen Anforderungen in der sich wandelnden Arbeitswelt stellt Empathie eine wichtige Universalkompetenz dar:

  • Studien, wie z. B. von Anita Woolleys Forschungsgruppe, belegen, dass die Leistungsfähigkeit von Gruppen und damit ihre kollektive Intelligenz vor allem in ihrer Fähigkeit besteht, die Beiträge ihrer Mitglieder so optimal wie möglich zu integrieren.[6] Das Schmiermittel hierzu ist Empathie, als richtungsweisende Universalkompetenz für zahlreiche weitere Schlüsselfertigkeiten, die Team Performance sichern, wie z. B. Konfliktfähigkeit, interkulturelle Kompetenzen, Dialogfähigkeit etc.
  • Die nachrückende Managergeneration der Digital Natives bzw. Generation Y und Z wird in absehbarer Zeit rund 70% der Belegschaft in den deutschen Unternehmen ausmachen[7] und verlangt zunehmend nach einem kooperativeren Führungsstil, der von Offenheit, Dialog, Informationsteilung und Feedback geprägt ist.[8]
  • Typische, mit zwischenmenschlicher und Selbstempathie einhergehende Kompetenzen umfassen Selbstmotivation, Initiative, Kooperations- und Teamfähigkeit und Führungsfähigkeit. Laut Studien machen diese rund 80 bis 90% der Fähigkeiten aus, die entscheidend für Führungstätigkeiten sind.[9]
  • Zugleich erweist sich empathische Führung als eine wichtige Eigenschaft für Entscheidungssituationen, die von größter Unsicherheit geprägt sind. Intuition, Lebensklugheit, „Bauchgefühl“ – all dies sind Umschreibungen für eine wichtige, emotionale Entscheidungsgrundlage.[10]

Empathie bietet also einen vielfachen Mehrwert, um in der VUKA-Welt zu bestehen. Doch Empathie ist nicht gleich Empathie.

Empathie – ein umstrittenes und vielschichtiges Konzept

Noch bis in Ende der 1980er Jahre galt der Empathiebegriff als umstritten. Empathie, übersetzt aus dem Griechischen „empatheia“, bedeutet wörtlich „mitleiden“ bzw. mitfühlen und war bis in die 1980er-Jahre vor allem im Führungsdiskurs verpönt als „emotionale Ansteckung“. Eine dergestalt empathische Führungskraft könne unter diesen Voraussetzungen keine souveränen Entscheidungen treffen.[11] Dies gilt umso mehr im Kontext heutiger „Resonanzkatastrophen“ in den digitalen Medien.[12]

Seit den 1990er-Jahren und mit der Popularisierung des wesentlich positiv besetzteren Begriffs „emotionale Intelligenz“ wird unter Empathie auch „kognitive Empathie“, im Sinne von „sich in andere hineinversetzen“, ohne gleich emotional involviert zu sein, verstanden.[13] Kognitive Empathie birgt allerdings das Risiko, wie der Kritiker Fritz Breithaupt, anmerkte, dass Empathie als Werkzeug missbraucht werden kann, um Menschen gezielt zu manipulieren.[14]

Das seit den 2010er-Jahren bekannte Konzept „Empathie 3.0“ steht demgegenüber für authentische wertegebundene Empathie, die auch Selbstempathie beinhaltet und sich aus dem Zustand innerer Zentrierung, z. B. durch Achtsamkeitspraxis, ergibt und bei der sich Anwendende ihrer inneren Verbundenheit mit dem Leben bewusst werden.[15] Diese Art Empathie erweist sich in jeglicher Hinsicht als funktional.

Kompetenzentwicklung müsste daher vieldimensional an mehreren Empathiekonzepten ansetzen, die einander sinnvoll ergänzen.


Künftige Herausforderungen und Anforderungen an Kompetenzentwicklung

Zusammengefasst gehen die oben dargestellten neuen Rahmenbedingungen in der sich wandelnden Arbeitswelt mit erhöhtem Bedarf nach effektiver Kommunikation einher. Dies setzt vor allem entsprechende Kompetenzentwicklung bei Führung und Mitarbeitenden voraus.

Strategisch erweist sich die Kompetenzentwicklung von Führungskräften als wichtiger erster Schritt. Mindestens 40% ihrer Arbeitszeit sind sie mit Konflikten befasst.[16] Dieser Trend wird angesichts zunehmender Vernetzung und sich verdichtender Kommunikation in Zukunft eher zu- als abnehmen. Hinzu kommt, dass der eigene Führungsstil einen maßgeblichen Einfluss auf das Unternehmensklima und die Gesundheit, Motivation und Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden hat.[17] Als eine einfache Orientierungsgrundlage, um die Mitarbeiterbedürfnisse im Auge zu behalten, erweist sich das SCARF-Modell aus dem Neuro-Leadership. Demnach braucht jede/r Mitarbeitende ein Bedürfnis nach Status/Entwicklung, Erwartungssicherheit, Wertschätzung, Zugehörigkeit, Fairness.[18]

Empathische Führung setzt hohes Bewusstsein für die Bedürfnisse der Mitarbeitenden und ausgeprägte kommunikative Fähigkeiten, auch unter Stress klar und konstruktiv zu kommunizieren, voraus. Dies erweist sich, eingedenk der Zunahme psychischer Stresserkrankungen am Arbeitsplatz,[19] als eine zentrale Herausforderung. Denn Stress ist ein natürlicher Empathiekiller und verschlechtert damit Kommunikation.

Zukunftssichernde Kompetenzförderung wird daher mindestens auf zwei Kompetenzebenen ansetzen müssen – nämlich der zwischenmenschlichen (Empathie) und der psychischen (Stressfähigkeit/Resilienz). Tatsächlich erweisen sich beide Ebenen als miteinander vereinbar, was sich insbesondere im Kontext des oben dargestellten Konzepts Empathie 3.0 zeigt: Fördere ich meine Gelassenheit und innere Zentrierung, z. B. durch Achtsamkeitstechniken oder durch einfache Stressbewältigungstechniken, wie der 4-Sekunden-Atmung, bleibe ich nicht nur stressfähig, sondern auch kommunikationsfähig.[20]

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Über den Autor:

Dr. Karim Fathi ist Berater, Coach, Trainer, Forscher und Autor zu den miteinander verschränkten Themen Konflikt, Kommunikation und Resilienzförderung. U. a. ist er Partner der DENKBANK, Mitbegründer der Akademie für Empathie und geschäftsführender Gesellschafter von PROTECTIVES. Seit 2019 ist er Mitglied im Zukunftskreis des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und berät das BMBF hinsichtlich Zukunftstrends. Als Forscher und Autor setzt er sich vor allem mit der Frage auseinander, wie sich Problemlösungskompetenzen von Teams, Organisationen und vor allem Gesellschaften durch die Stellschrauben Achtsamkeit und Kommunikation signifikant verbessern lassen.

Personenfotos: © Till Caspar Juon / Media Bricks


[1] Dieser Begriff stammt von Dirk Baeker, s. Baecker, D. (1994): Postheroisches Management. Ein Vademecum. Berlin
[2] Gebhardt, W. (1996): Organisatorische Gestaltung durch Selbstorganisation, Wiesbaden
[3] Fathi, K. (2019a): Kommunikative Komplexitätsbewältigung – Grundzüge eines integrierten Methodenpluralismus zur Optimierung disziplinübergreifender Kommunikation.
Springer Verlag
[4] Hafer J., Kostädt P., Lucke U. (2021). Das Corona-Virus als Treiber der Digitalisierung?. In: Dittler U., Kreidl C. (Hrsg.) Wie Corona die Hochschullehre verändert. Springer
Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-32609-8_15
[5] Luhmann, N. (1984): Soziale Systeme – Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt a.M., Suhrkamp
[6] Woolley, A. W. / Chabris, C. F. / Pentland, A. / Hashmi, N. / Malone, T. W. (2010): Evidence for a Collective Intelligence Factor in the Performance of Human Groups. In:
Science Vol. 330 no. 6004:686-688. 29.10.2010. DOI:10.1126/science.11931
[7] Gloger, A. (2013): Führung 2020 – Das Ende des Vorgesetzten. In: managerSeminare 183, Juni 2013: 24 – 30
[8] Rose, Nico / Fellinger, Christoph (2013): Arbeitswelt Y – „Wir wollen’s anders“. In: managerSeminare 183, Juni 2013: 18 – 23
[9] Goleman, D. / Boyatzis, R. / Mckee, A. (2002): Emotionale Führung. München
[10] Goleman, D. et al. (2002): a.a.O.
[11] Fathi, K. (2019b): Das Empathietraining – Konflikte lösen für ein besseres Miteinander. Junfermann Verlag.
[12] Fathi, K. / Osswald, A. (2017): Der E-Faktor und die Digitalisierung. In: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen. Supplement zu Heft 2 / 2017 http://forschungsjournal.de/node/2995
[13] Ekman, P. (2007): Gefühle lesen. München
[14] Breithaupt, F. (2017): Die dunklen Seiten der Empathie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp
[15] Fathi, K. (2019b): a.a.O.
[16] Roberts, T., (2006): Coaching managers through their conflicts. In: Management Services, Vol. 49, Iss. 4, pp 16-18, Institute of Management Services, Staffordshire
[17] Bruch, H. / Kowalevski, S. (2013): Gesunde Führung – wie Unternehmen eine gesunde Performancekultur entwickeln. Studie durchgeführt von der Universität St. Gallen, im Auftrag von TOP JOB. www.topjob.de/upload/projekt/studie/TJ_13_Studie_GesundeFuehrung.pd[18] Rock, D. (2008): SCARF: a brain-based model for collaborating with and influencing others. In: NeuroLeadership. Nr.1, 2008
[19] pronova BKK (2018): 87 Prozent der Menschen in Deutschland sind gestresst – Jeder Zweite glaubt, von Burn-out bedroht zu sein. Presseportal 10.04.2018 https://www.presseportal.de/pm/119123/3912240
[20] Wie das genau geht, ist unter anderem hier genauer beschrieben: Fathi, K. (2019b): a.a.O.


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1 Antwort
  1. Christine und Gerd Spranger
    Christine und Gerd Spranger sagte:

    Vielen Dank für den interessanten Artikel. Ja, Empathie bedeutet, die Gefühle jener Menschen zu erkennen und zu verstehen, mit denen wir es täglich zu tun haben. Nur so können wir angemessen darauf reagieren und handeln. Wer empathielos ist, hat oft wenig Einfühlungsvermögen für andere Menschen. In einer Beziehung kann das den Partner unter Umständen unglücklich machen. Es gibt ganz unterschiedliche Gründe dafür, warum jemand empathielos ist. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man es trainieren kann, eine andere Person besser zu verstehen. Dabei geht es doch darum, das zu spüren, was der andere fühlt.
    Jeder Mensch ist unterschiedlich, manche sind sehr sensibel und können sofort spüren, was in einem Gespräch in der Luft liegt. Andere sind da eher schwerfälliger und können sich nur sehr schwer, in andere Personen hineinzuversetzen. Wir haben uns schon oft Gedanken darübergemacht, was die Ursachen für diese Unterschiede sind.
    Wer Empathie hat, der hat Mitgefühl für eine andere Person und wird auch als emotional intelligent bezeichnet. Ich versuche immer darauf zu achten, was mir mein Herz sagt bei einer Begegnung mit anderen Menschen. Wir alle begegnen häufig fremde Personen und oft ist es hilfreich zu spüren, was der andere fühlt und denkt. Wer dafür ein Gespür entwickelt räumt gewisse Missverständnisse vor vornherein aus.
    Ich denke, wir alle besitzen die Fähigkeit der Empathie. Allerdings ist sie bei allen unterschiedlich stark vorhanden. Manche sind von Haus aus einfach begabter dafür und andere müssen sich das Wissen über die Empathie erst besser aneignen. Auf alle Fälle hilft Empathie dabei, Verständnis für eine andere Person zu entwickeln. Und das ist im Alltag sehr gut. Damit lassen sich viele Herausforderungen meistern und bewältigen.
    Wir haben gelesen, dass neue Forschungen darauf hinweisen, dass Empathie und Mitgefühl gerade auch mit sich selbst und natürlich mit anderen Menschen Schlüsselfaktoren sind, um geistig gesund zu bleiben und sich selbst emotional wohlzufühlen. Achtsamkeit und Mitgefühl fehlen bei Menschen ohne Empathie
    Wenn sie diese Fähigkeiten vernachlässigt haben, können sie sie kultivieren. Meist sind Menschen davon betroffen, die in erster Lin

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