Gedankenkompass in der zweiten Welle: Stimmen aus der Berliner Wirtschaft
Miro Morczinek ist ehrenamtlicher Chairman Communication des Chapters Berlin der Entrepreneur Organisation (EO Berlin). Als Mitglied des Vorstandes setzt er sich gemeinsam mit den weiteren Vorstandsmitgliedern dafür ein, den Austausch und den Zusammenhalt der Mitglieder von EO Berlin zu fördern und weiterzuentwickeln. Die aktuell 230 Mitglieder sind führende Köpfe der Industrien Architektur, Consultancy, Mobility, E-Commerce bis hin zur Software und IT. Im nachfolgenden Gastbeitrag widmet er sich der Frage, wie gerade Inhaber diese Wochen erleben.
Schon mehrere Wochen, bevor der bundesweite Lockdown für den November 2020 erklärt wurde, zeigte sich Berlin als Problemkind der Republik. Während die Fallzahlen der Viruserkrankung stiegen und die Außentemperaturen sanken, stieg das Bewusstsein der hiesigen Wirtschaft an, dass neue Maßnahmen wohl unausweichlich sein würden. Und in der Tat: Auf neue Kontaktbeschränkungen und die Maskenpflicht in Büroräumen folgte das traurige Finale des Flughafens Berlin-Brandenburg, dessen jahrelange Bauzeit schließlich in einer unbesungenen Eröffnung mündete. Nun herrscht seit dem 2. November ein Lockdown Light und fordert erneut Unternehmer und Wirtschaft in ihrer Krisensicherheit und Resilienz heraus. Als Entrepreneurs Organisation in Berlin werfen wir einen konkreten Blick in die Unternehmerwelt der Hauptstadt. Schließlich ist es Berlin, das als Start-up-Zentrum und Innovationshochburg gefeiert wird. Doch wie geht es den Unternehmerinnen und Unternehmern in Berlin?
Wer fragt nach den Unternehmern?
Bis dahin werden wir unsere Begegnungen auf das Mindeste beschränken müssen, um Risikogruppen gezielt zu schützen und weitere Ansteckungen zu verhindern. Und wo der Schutz der Einen anfängt, eröffnet sich die Krise der Anderen, denn viele Unternehmer stecken in einer misslichen Lage, die erstmal kein Ende in Sicht hat und blicken besorgt auf die Wirtschaftslage, die so schwierig ist in die Zukunft zu planen. In diesen volatilen Zeiten blickt die Welt mehr denn je auf die Menschlichkeit in der Gesellschaft, aber auch besorgt auf die Wirtschaftslage. Oft wird vergessen, dass es aber gerade die Menschen sind, die in Deutschland und in Berlin hinter den großen Innovationstreibern und dem Mittelstand stehen und sich nun schweren Fragen stellen müssen: Wie garantiert man die Sicherheit der Mitarbeiter? Wie übersteht mein Unternehmen die Krise? Muss Kurzarbeit in Betracht gezogen werden? Aber auch: Arbeite ich zu viel? Überstehe ich den Stress? Wie wird es weitergehen?
Um diesen Fragen mit Verständnis, Halt und einem offenen Ohr zu begegnen, sind Networking, Zuspruch und Zuhören wichtiger denn je. Die Entrepreneurs Organisation Berlin, die in der Hauptstadt über 230 Unternehmer vereint, schafft genau dafür die entsprechenden “Safe Spaces” und fördert so den Austausch unter den führenden Unternehmern Berlins auf Augenhöhe. Ohne Urteile, ohne Ratschläge, dafür mit Verständnis und einer Meetingkultur, die allen Teilnehmern zu Gute kommt. Diese Philosophie zeigt sich auch in den vielen Trainings, den normalerweise stattfindenden Versammlungen und den einzigartigen Offsite-Events, die eigentlich den EO-Alltag prägen. Und es ist auch diese Philosophie, die es EO Berlin ermöglicht, in einem Stimmungsbild die Lage der Berliner Wirtschaft einzufangen.
Positive Signale und vorsichtige Resilienz
Schon der erste Lockdown im Frühjahr 2020 hat die Unternehmen vor verschiedene Herausforderungen gestellt, die sie vorher nicht kannten. Während der Kundenkontakt im stationären Geschäft eingestellt werden musste, galt es, die digitale Sichtbarkeit des eigenen Unternehmens und des Angebotes zu erhöhen. Die Mitarbeiter waren überwiegend in der Lage, von Zuhause aus zu arbeiten. Auch haben sich die Bedürfnisse der Kunden während des Lockdown verändert und sich auf Freizeit- und Kaufverhalten ausgewirkt. Die Mehrheit der EO Berlin Members beobachtete dies in einer sich verändernden Nachfrage nach den vorhandenen Produkten und einem wachsenden Interesse an digitalen Angeboten. Es gibt keinen Grund zu vermuten, dass dieser Trend bald nachlassen würde – zumal sich auch die Stimmen unter den EO Berlin Mitgliedern mehren, dass die digitale Transformation als solche zu begrüßen ist. Dies zeigt sich auch in der Wahrnehmung vom Einsatz von Remote Work. Während die Abhängigkeit vom Office gesunken ist, haben die Berliner Unternehmer einen Effizienzanstieg in der Arbeitsweise beobachten können. Dies könnte nicht nur zur Hinterfragung der Büroräume in ihrem bisherigen Usus führen, sondern auch Remote Work über die Pandemie hinaus als festes Arbeitsmodell endgültig etablieren, bevor die Politik entsprechend zu reagieren vermag.
Auch am Arbeitsmarkt sieht die Mehrheit der Mitglieder das sprichwörtliche Glück im Unglück. Während die Krise durch Kurzarbeit oder Entlassungen sicherlich so manche Fachkräfte zur Neuorientierung gezwungen hat, ist es für einstellende Mitglieder von EO Berlin klar zu erkennen, dass die Verfügbarkeit von passenden Fachkräften für das eigene Unternehmen deutlich gestiegen ist. Unternehmer aber auch Arbeitnehmer haben so eine nicht unerhebliche Chance, sich in einem neuen Arbeitsverhältnis zu finden und das Unternehmen gemeinsam nach vorne zu tragen.
Auf die Frage, ob eine zweite Welle und ein damit verbundener Lockdown das Interesse am Unternehmen – und damit letztlich auch den Umsatz – erhöhen könnte, zeigten sich die Unternehmer noch vorsichtig. Angesichts der großen Herausforderungen, der Ungewissheit, wie lange ein Lockdown andauern würde oder wie viele Mitarbeiter sich anstecken könnten, ist dies mehr als plausibel. So antworteten 56 % der Befragten, dass ein weiterer Lockdown keinen negativen Effekt auf ihr Unternehmen haben würden. Das lässt 44 % der Befragten übrig, die sich vor einem erneuten Herunterfahren des öffentlichen Lebens in ihrer geschäftlichen Existenz bedroht fühlen. Eine Zahl, die es ebenso zu mindern gilt, wie die Fallzahlen der Neuinfizierten.
Gemeinsam, statt alleine
Vor der Krise wurde die Stadt Berlin für ihre Strahlkraft und ihren internationalen Leuchtturmcharakter gelobt. Diese Strahlkraft stammt nicht zuletzt auch von den hiesigen Unternehmern, die mit ihren innovativen Ideen Mut bewiesen haben und mit ihren Unternehmen, die junge Talente in die Stadt ziehen oder hier langfristig halten. Dieser Mut muss belohnt und gefördert werden. Die Fragen nach dem Stimmungsbild der Berliner Unternehmen, die sich als Mitglieder der EO Berlin engagieren, hat Einblicke in die Gedanken und Sorgen der Unternehmer gegeben. Selbst wenn nicht alle Unternehme die gleichen Sorgen inne tragen müssen, finden sie Unterstützung durch den Austausch in dem Netzwerk und gehen gemeinsam durch schwierige Zeiten. Niemand weiß, wie es ab November oder sogar ab 2021 weitergeht, daher ist ein Halt, ein Netzwerk und ein offenes Ohr immer noch mehr wert, als denn je. Dieser Zusammenhalt, insbesondere in der Krise, zeigt: Ich bin nicht alleine. Gemeinsam findet man Wege, sich zu unterstützen. Eine helfende Hand ist meist gar nicht so weit entfernt.
Weitere Informationen unter:
https://www.eogermany.com/kontakt-2/kontakt-berlin/