3D-Technik macht Losgröße Eins greifbar

Gastbeitrag

Wie die 3D-Technik auch das älteste Auto am Laufen halten kann

Der besondere Charme bei Oldtimern liegt gerade darin, dass sie schon lange nicht mehr gefertigt werden. Zum Bedauern ihrer Besitzer trifft das in aller Regel auch auf die Ersatzteile der Fahrzeuge zu.

Genauso schwierig kann sich die Suche nach Originalersatzteilen für ältere Industriemaschinen gestalten, für die keine Baupläne mehr vorliegen. Ob ein per 3D-Druck gefertigtes Ersatzteil im Bedarfsfall Abhilfe schaffen kann, hängt im Wesentlichen davon ab, ob ein druckbares 3D-Modell für das Bauteil erstellt werden kann, ob der Druck realisierbar ist und ob das per 3D-Druck gefertigte Ersatzteil der physischen Belastung im realen Betrieb standhalten würde.

An konkreten Lösungen, die von der 3D-Erfassung von Bauteilen bis hin zum 3D-Druck von virtuell reparierten Ersatzteilen reichen, arbeiten Wissenschaftler im Projekt M3D, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) innerhalb des Technologieprogramms PAiCE gefördert wird.

Im Zuge von Industrie 4.0 verändert sich die Produktion mehr und mehr hin zur Losgröße eins, sprich zur individuellen Fertigung. Man spricht dabei auch von »highly customized mass production«. Ziel von M3D ist es, die gesamte Prozesskette von der mobilen 3D-Erfassung bis hin zum 3D-Druck in einem industriellen Umfeld zu untersuchen, zu beschleunigen, flexibler zu gestalten und zu automatisieren.

 

Autonomer 3D-Laserscanner arbeitet in Echtzeit

Bislang ist die individuelle Fertigung noch weitestgehend Zukunftsmusik. Das Projekt M3D holt die Vision von der Losgröße eins nun jedoch mit einem neuartigen 3D-Scansystem einen großen Schritt weiter in Richtung Realität. Das Besondere an dem System: Es ermöglicht erstmals, Bauteile autonom zu scannen – und zwar in Echtzeit.

Auch ein langwieriger Anlernprozess entfällt. Für Oldtimer-Besitzer mit einem kaputten Bauteil heißt das: Das defekte Bauteil wird notdürftig zusammengeklebt und auf einen Drehteller gelegt, der sich unter einem Roboterarm mit dem Scanner befindet. Alles Weitere geschieht automatisch: Der Roboterarm fährt den Scanner so um das Bauteil herum, dass er mit möglichst wenigen Scans die komplette Bauteil-Geometrie erfassen kann. Dafür braucht er, je nach Größe und Komplexität des Bauteils, nur einige Sekunden bis wenige Minuten.

Bereits während des Scans erstellen intelligente Algorithmen im Hintergrund ein dreidimensionales Abbild des Objekts. Eine anschließende Materialsimulation des 3D-Abbilds überprüft, ob ein 3D-Druck den Anforderungen in punkto Stabilität genügt. In einem letzten Schritt wird das Bauteil über einen 3D-Drucker ausgedruckt und kann im Oldtimer verbaut werden.

 

Kein Anlernen nötig: Wie geschaffen für Industrie 4.0

Die Entwicklungsleistung liegt jedoch nicht in der Scanner-Entwicklung an sich, sondern vielmehr in der Kombination eines flexiblen Scanners mit einer intelligenten Ansichtenplanung zu einem autonomen Gesamtsystem. Dabei planen Algorithmen ausgehend von einem ersten Scan des zu erfassenden Objektes iterativ weitere Scans, um das Objekt letztlich mit möglichst wenigen Scans erfassen zu können.

Diese Vorgehensweise ermöglicht es dem autonomen Gesamtsystem, ihm vollkommen unbekannte Objekte selbständig und schnell zu vermessen. Dies ist bislang einmalig, denn für herkömmliche Scan-Systeme ist es erforderlich, sie entweder anzulernen, um anschließend ähnlich gestaltete Objekte scannen zu können oder das 3D- bzw. CAD-Modell des Bauteils zu besitzen, um dadurch die Lage des Objekts relativ zum Scanner ermitteln zu können. Für die Losgröße eins sind solche herkömmlichen Scan-Systeme daher wenig geeignet.

Das Scansystem von M3D dagegen kann jedes beliebige Bauteil vermessen, unabhängig davon, wie es ausgerichtet ist und braucht nicht angelernt zu werden. Auch Informationen zu CAD-Modellen oder Templates – also die Vorgaben von Standardformen, die ein Bauteil üblicherweise aufweist – sind für den Scan nicht nötig.

 

Industrie 4.0 Fertigungsassistent

Durch seine Alleinstellungsmerkmale ermöglicht der autonome Scanner aber auch gänzlich neue Anwendungen. So kann er später etwa als Fertigungsassistent dienen und die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine verbessern, etwa beim Zusammensetzen von Baugruppen.

Das 3D-Scansystem wird den Roboter künftig in die Lage versetzen können, über Abgleiche mit entsprechenden Datenbanken sowohl zu erkennen, welches Bauteil er gerade vor sich hat, als auch zu ermitteln, welche Bauteile sein menschlicher Mitarbeiter zum Zusammensetzen der Baugruppe als nächstes braucht. Abschließend kann die Maschine per Scan auch die finale Qualitätskontrolle übernehmen.

 

 

Weiterführende Informationen finden sie unter:
https://www.digitale-technologien.de/DT/Redaktion/DE/Standardartikel/PAICEProjekte/paice-projekt_m3d.html

 

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Dr. Tom Kraus
Begleitforschung PAiCE – Arbeitsgruppe 3D
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