Zukunft des 3D-Drucks und Industrie 4.0
Gibt es anschauliche Beispiele?
Es gibt viele Beispiele dafür, dass Unternehmen, auch aus Deutschland, das Potential der 3D-Drucktechnologie schon erkannt haben. Im Bereich der Massenproduktion baut Adidas derzeit eine „Speedfactory“ im fränkischen Ansbach auf. Dank 3D-Drucktechnik und vernetzter Maschinen sollen ab 2017 auf 4600 m² 500.000 Paar Schuhe pro Jahr gefertigt werden, zum ersten Mal seit 30 Jahren wieder „Made in Germany“.
Airbus setzt in seinem Werk in Bremen verstärkt auf den 3D-Druck und plant, 10 % seiner Ersatzteile mit diesem Verfahren selber herzustellen.
3D-gedruckte Prototypen werden bei Mercedes-Benz LKW schon seit einigen Jahren eingesetzt, und seit September diesen Jahres bietet das Unternehmen auch erstmals Ersatzteile aus dem 3D-Drucker an. Mercedes-Benz betont dabei, dass bei der Qualität, Langlebigkeit, Zuverlässigkeit, Wirtschaftlichkeit und Funktionalität die gleichen Maßstäbe wie in der klassischen Ersatzteilproduktion angelegt werden.
Auch die BMW-AG benutzt bereits die 3D-Drucktechnologie. Bislang wurden damit hauptsächlich exotische Bauteile wie die im metallischen 3D-Druck hergestellte Wasserpumpe des DTM-Rennwagens hergestellt. Nun soll der 3D-Druck langfristig in die Produktionsstrategie auch für Serienteile integriert werden. BMW arbeitet dabei mit HP zusammen, das nach langem Zögern seit Maidiesen Jahres seine ersten eigenen 3D-Drucker anbietet.
Überhaupt ist es verwunderlich, dass die großen Drucker-Hersteller so spät in die 3D-Drucktechnik eingestiegen sind. Canon ist seit 2015 dabei, Epson bereitet immerhin gerade den Einstieg in die 3D-Drucktechnik vor. Bei Brother und bei Lexmark sucht man derzeit noch vergeblich nach einem 3D-Drucker. Gerade diese Zurückhaltung hat aber jungen deutschen Unternehmen die Möglichkeit gegeben, sich zu entfalten. Mit SLM Solutions aus Lübeck ist 2014 der erste deutsche Hersteller von industrietauglichen 3D-Druckanlagen an die Frankfurter Börse gegangen, kurz nachdem das ebenfalls deutsche Unternehmen Voxeljet an der New Yorker Börse notiert hat. Weitere bedeutende Hersteller sind Concept Laser aus dem bayrischen Lichtenfels und EOS aus Krailling bei München, um einige zu nennen. Tatsächlich sind deutsche Hersteller industrietauglicher 3D-Druckanlagen laut der WirtschaftsWoche vom Januar 2014 ihren Mitweberbern aus den USA und Asien technisch um Jahre voraus.
Mit welchen Weiterentwicklungen und Innovationen ist in den nächsten zwei bis drei Jahren zu rechnen?
Der Bereich der technischen Weiterentwicklungen der 3D-Drucktechnologie konzentriert sich auf die Erhöhung der Druckgeschwindigkeit, die Reduzierung der Druckkosten und der Verbesserung der Druckqualität.
Auch in der teilweise aufwändigen und bei Metallen auch nicht ganz ungefährlichen Rohmaterialherstellung wird intensiv geforscht. Feines Pulver, sei es von Metallen oder anderen Stoffen, ist besonders reaktionsfreudig, wodurch es sich leicht entzünden kann. Ein Beispiel dafür sind Mehlstaubexplosionen in Getreidemühlen.
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt ist die Weiterentwicklung der Druckstrategie. Das betrifft beispielsweise den Ausdruck eines Bauteils aus verschiedenen Materialien, oder die Herstellung kompletter, aus beweglichen Teilen bestehender Baugruppen in einem 3D-Druck, Print-in-Place (PIP) genannt.
Mitsubishi hat kürzlich auch den „5D-Druck“ vorgestellt. Tatsächlich handelt es sich dabei um einen 3D-Drucker mit 5 Achsen. Die hergestellten Musterbauteile, Druckkappen, halten einem drei bis fünf Mal stärkeren Berstdruck gegenüber „nur“ 3D-gedruckten Bauteilen stand.
Die Technik ist also noch lange nicht ausgereizt, mit technischen Innovationen ist auch weiterhin zu rechnen.
Was die Marktentwicklung und das Wachstum der 3D-Drucktechnologie angeht, gibt es zahlreiche positive Zukunftsprognosen, die bereits erwähnt wurden.
Außerdem werden sich auch neue Märkte und Geschäftsmodelle eröffnen. 3D-Druck-Shops werden zunehmen. Manche nach Art der Copy-Shops, in denen man eben schnell den durchgebrochenen Hebel der Kaffeemaschine 3D-kopiert, aber auch kleine Fabrikationsstätten, die Bauteile von Einzelstücken bis zur Großserie in Lohnfertigung herstellen. Und da auch immer mehr Konsumenten über eigene 3D-Drucker verfügen, wird sich auch ein Markt für virtuelle Bauteile eröffnen, in denen statt physischer Produkte deren 3D-Design verkauft wird. Es ist auch vorstellbar, dass diese Konsumenten ihre privaten 3D-Drucker zur Bauteilherstellung auf Internetplattformen anbieten, sich also quasi „Baubörsen“ bilden werden. Natürlich werden solche Geschäftsmodelle, und auch die 3D-Druck-Shops, Fragen nach der Produkthoheit und dem Gebrauchsmusterschutz aufwerfen.
Andere Geschäftsbereiche werden sich verändern müssen. Im Zuge der endverbrauchernahen, bedarfsgerechten 3D-Produktion wird es nicht mehr notwendig sein, Produkte über weite Strecken zu transportieren oder große Stückzahlen davon zu lagern. Die Logistik oder der After-Market stehen hier vor ganz neuen Herausforderungen, während die Industrie wieder im Heimatmarkt produzieren kann. Dieser Trend des „Reshorings“, der Rückkehr der Produktion in die Heimmärkte, ist derzeit weltweit zu beobachten, wie das Beispiel Adidas zeigt.
Abschließend, aber deswegen nicht weniger wichtig, sei noch der Aspekt des Umweltschutzes erwähnt. Der weltweite Warenverkehr stellt eine enorme Belastung der Umwelt dar. Endverbrauchernahe Produktion wird damit zur umweltgerechten Produktion. Wenn dieses Label von Politik und Gesellschaft erkannt wird, bekommen Unternehmen, die noch nicht in die 3D-Drucktechnologie eingestiegen sind und an ihren Produktionsstätten in Niedriglohnländern festhalten, ein Problem.
All diese Entwicklungen werden sicher nicht innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre passieren, aber zumindest ihren Anfang nehmen.
Gibt es aktuelle Forschungsprojekte Ihrerseits?
Meine Forschungsarbeiten an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg stehen als neuberufener Professor noch am Anfang. Derzeit bauen wir gerade mehrere Laserlabore auf. Geplant sind u.a. Forschungsarbeiten zum Selective Laser Melting (SLM), dem marktführenden 3D-Druckverfahren für metallische Bauteile. Ein Thema, dem ich mich am Fraunhofer Institut für Lasertechnik bereits während meiner Studienzeit gewidmet habe. Konkrete Forschungsfragen sind beispielsweise, in wie weit sich bionische Strukturen mittels Reverse Engineering und dem 3D-Druck für technische Anwendungen, z.B. dem Leichtbau, nutzbar machen lassen.
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Wawers, vielen Dank für das Gespräch!
weiterführende Informationen:
Prof. Dr. Welf Wawers
Hochschule Bonn-Rhein-Sieg
University of Applied Sciences
Fachbereich 3 (EMT)
http://www.hs-bonn-rhein-sieg.de
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